Tierhaltung | 22. Oktober 2015

Stallkomfort auch für Jungrinder

Von Petra Ast
Ein neuer Lehr- und Versuchsstall für 130 Aufzuchtrinder ist Mitte Oktober am Landwirtschaftlichen Zentrum (LAZBW) in Aulendorf eingeweiht worden. Funktioniert die Liegebox? Ist sie groß genug und die Matte genügend weich? Dies sind Fragen, auf die künftige Versuche Antworten geben sollen.
Die Südostseite des Jungrinderstalles ist offen. Fressen ist für die Rinder künftig mit Panoramablick möglich
Franz Schweizer, der Leiter des LAZBW, und Uwe Eilers, Referatsleiter und zuständig für Rinderhaltungssysteme und Stallbau, strahlen an diesem frühwinterlich kalten Oktobernachmittag um die Wette. Kein Wunder: Ihrem Ziel, jungen Rindern, gerade abgesetzten Kälbern bis hin zu zum ersten Mal trächtigen Jungrindern eine komfortable Unterkunft zu bieten, sind die beiden, ist das Aulendorfer Team, mit dem Bau des neuen Teststalles ein gutes Stück näher gekommen. Hintergrund ist, dass die abgesetzten Jungtiere, im Gegensatz zu Milchkühen und Kälbern, bislang häufig ein Schattendasein führen, ohne viel Komfort und Aufmerksamkeit für ihre Bedürfnisse. „Die Haltung von Jungrindern”, erläutert Franz Schweizer in seiner Begrüßung, „ist bisher nur verhalten in den Fokus des öffentlichen Interesses gelangt” – ganz anders als bei Kühen und Kälbern.
Zweierlei Maß beim Tierkomfort
Franz Schweizer (links), Leiter des LAZBW, und Uwe Eilers, Referatsleiter für Rinderhaltungssysteme am Aulendorfer Zentrum.
Wieviel Wert inzwischen auf den nötigen Komfort bei Kühen gelegt werde, „sehen Sie, wenn Sie einen Blick in den Liefervertrag Ihrer Molkerei werfen”, machte Schweizer vor den zahlreichen Landwirten deutlich, die an diesem Tag zur Eröffnung des neuen Lehr- und Versuchsstalles gekommen waren.  Bei den Kälbern, so der Leiter des Landwirtschaftlichen Zentrums, hätten die hohen Verlustraten inzwischen dazu geführt, dass die Aufzucht dieser Altersgruppe  in der Öffentlichkeit zusehends kritisch beäugt werde.  Nur bei den Jungrindern werde von den Besitzern oftmals in Kauf genommen, dass Leistungsfähigkeit und Gesundheit darunter leiden, wenn die Tiere in zu engen Boxen oder bei schlechter Luft oder mangelnder Hygiene untergebracht sind
Fünf Abteile, vier Altersgruppen
Uwe Eilers versicherte den gut 100 Besuchern, von denen einige gehörig fröstelten, dass man in den kommenden Wintermonaten an die offene Südostseite des knapp 45 Meter langen Kammstalles noch Windschutznetze anbringen werde.
Ansonsten erfülle der Versuchsstall mit seinen fünf Abschnitten für vier Altersgruppen (siebter bis über 18. Lebensmonat) die Anforderungen, die man heutzutage an eine tiergerechte Aufstallung für den kommenden Kuhnachwuchs stellt: Licht, Luft, geräumige, gepolsterte Liegeboxen sowie drei Meter breite, mit Gummimatten ausgelegte Lauf- und Fressgänge. Es gibt auch einen außen- und einen innenliegenden Futtertisch. Letzterer soll mit seinen unterschiedlich beschichteten Oberflächen für eine besonders hygienische Darreichung der Rationen sorgen.
Gebhard Rist, Gebietsverkaufsleiter des Unternehmens DeLaval, zeigte, wie sich ein Futtertisch für mehr Hygiene sanieren lässt.

Platz bietet der Liegeboxenlaufstall, der an ein Altgebäu-
de anschließt, für 130 Rinder.
Es handelt sich um eine offene Sheddach-Konstruktion mit Hochboxen und Fress-
plätzen mit Fangfressgittern. Zusätzlich wurden in den Demonstrationsstall eine Deck-, Bullen-, Behandlungs- und Lehrgangsbucht installiert, wo zum Beispiel die Klauenpflege der Rinder gezeigt werden kann.
Die im alten Teil des Stalles untergebrachten Sonderbereiche grenzen an eine Viehwaage und eine Verladezone an, was die Versuchsarbeit erleichtert. An der offenen Südostseite des Gebäudes ist ein integrierter Laufhof entstanden. Das LAZBW will mit seinem neuen Jungviehstall Buchtenmaße, Matratzen, Boxenabtrennungen und Fangfressgitter in puncto Tiergerechtheit und Praxistauglichkeit unter die Lupe nehmen.
Welche Körpergröße, welches Alter passt tatsächlich zu welchem Funktionsmaß? Fragen, auf die sich Eilers und seine Kollegen am LAZBW künftig verlässliche Antworten erhoffen.
Denn nur mit solchen, in Versuchen gewonnenen und bestätigten Erkenntnissen lassen sich Investitionen in ein neues Stallgebäude sinnvoll planen. Dabei helfen Schätzungen und Annahmen im Zweifelsfall wenig, sind sich die Experten am LAZBW einig. Sie wollen mit dem neuen Demonstrationsstall auch ihrem staatlichen Auftrag nachkommen, entsprechendes Fachwissen an Rinderhalter zu vermitteln.
„Sie sollen selbst sehen: Wie funktioniert diese Aufstallung, dieser Mattenbelag und dieses Fressgitter?”, stellte Schweizer den anwesenden Tierhaltern in Aussicht. 
Der Jungrinderstall in Zahlen
Der neue, 44,6 Meter lange und 21,4 Meter breite Liegeboxenstall in Kammanordnung mit zwei Futtertischen (innen und außen, 3,5 und 4,2 Meter breit) bietet Platz für 130 Tiere. In der offenen Sheddach-Konstruktion mit Spaltenböden werden Jungrinder im Alter von sieben bis über 18 Lebensmonaten untergebracht. Der Stall ist in fünf Abteile untergliedert, die unterschiedliche Komfortansprüche erfüllen. Während ihrer Aufzucht wandern die Tiere von Abteil zu Abteil. Der Tierumtrieb erfolgt gruppenbezogen. Diverse Sonderbereiche, beispielsweise eine Behandlungsbucht, sind im angeschlossenen Altgebäude untergebracht. Die Lauf- und Fressgänge sind 2,9 bis 3,0 Meter breit, die Liegeflächen in den Boxen sind 1,30 bis 1,70 Meter lang und 0,89 bis 1,12 Meter breit. Die Nutzfläche beläuft sich auf 5,7 Quadratmeter pro Rind.