Politik
| 13. November 2014
Sorge wegen Milch
Von AgE
Die Preisrückgänge am Milchmarkt haben das Europaparlament auf den Plan gerufen. Der federführende Abgeordnete James Nicholson von den britischen Konservativen plädierte unter anderem für eine Anhebung der Interventionspreise sowie die Wiedereinführung von Exporterstattungen.
Einige Europaabgeordnete forderten von der EU-Kommission mehr Möglichkeiten, speziell Bauern in Berggebieten und benachteiligten Gebieten zu helfen. Wegen des hohen Grünlandanteils gebe es dort oft keine anderen Produktionsalternativen.
Nicholson warnte davor, die Lage noch schlechter zu reden, betonte aber, dass die Branche Stabilität benötige. Er rief die Europäische Kommission dazu auf, schnell einzugreifen. Sie dürfe nicht so lange warten wie im Falle der Milchkrise von 2009. „Ich habe mit Erzeugern vor Ort gesprochen: Sie wollen Exporterstattungen und realistische Interventionspreise, obwohl es den Anschein hat, dass die Kommission diese Instrumente ausgeschlossen hat”, so Nicholson.
Mehr Steuerung gewünscht
Vor allem sozialdemokratische und grüne,
aber auch einige christdemokratische Ausschussmitglieder bekräftigten
Forderungen nach neuen Marktsteuerungsinstrumenten für die Zeit nach dem
Quotenende. „Das muss unbedingt in den Bericht”, erklärte der
agrarpolitische Sprecher der S&D-Fraktion, Paolo De Castro.
Der französische Christdemokrat Michel Dantin, der bei der EU-Agrarreform damit gescheitert war, ein Entschädigungssystem für einen freiwilligen Produktionsverzicht im Krisenfall zu etablieren, rief den Rat auf, ein solches Verfahren nicht länger abzulehnen. Dantin nahm auch die Milchindustrie in die Pflicht; sie habe zu vollmundige Versprechungen über die künftige Marktentwicklung gemacht.
Der Agrarsprecher der Grünen, Martin Häusling, kritisierte, die Probleme seien seit Monaten absehbar gewesen, aber heruntergespielt worden. Zu sehr auf Export zu setzen, mache den Handel im Falle politischer Unwägbarkeiten extrem anfällig, wie sich beim Russlandembargo zeige. Die auf EU-Ebene eingerichtete Monitoringstelle bringe nicht viel, weil sie nur Milchmengen dokumentiere, so Häusling. Sie müsse aber auch effiziente Instrumente für eine sinnvolle Marktsteuerung erhalten.
Der französische Christdemokrat Michel Dantin, der bei der EU-Agrarreform damit gescheitert war, ein Entschädigungssystem für einen freiwilligen Produktionsverzicht im Krisenfall zu etablieren, rief den Rat auf, ein solches Verfahren nicht länger abzulehnen. Dantin nahm auch die Milchindustrie in die Pflicht; sie habe zu vollmundige Versprechungen über die künftige Marktentwicklung gemacht.
Der Agrarsprecher der Grünen, Martin Häusling, kritisierte, die Probleme seien seit Monaten absehbar gewesen, aber heruntergespielt worden. Zu sehr auf Export zu setzen, mache den Handel im Falle politischer Unwägbarkeiten extrem anfällig, wie sich beim Russlandembargo zeige. Die auf EU-Ebene eingerichtete Monitoringstelle bringe nicht viel, weil sie nur Milchmengen dokumentiere, so Häusling. Sie müsse aber auch effiziente Instrumente für eine sinnvolle Marktsteuerung erhalten.
Quote kein Steuerungsinstrument
Der
CDU-Abgeordnete Peter Jahr gab zu bedenken, dass die Milchquote noch
keine Krise verhindert und als Marktsteuerungsinstrument nie
funktioniert habe. Sie habe sogar zu Fehlanreizen geführt. Auch in
Situationen, in denen der Markt weniger Milch benötigt habe, sei die
Quote nicht verringert worden – die Landwirte hätten eben ihre Quote
ausgefüllt. Man müsse den Milchbauern mehr unternehmerische Anreize
geben, beispielsweise über Erzeugerorganisationen oder Vertragslösungen.
Leider seien weiterführende Debatten – beispielsweise über einen
festen A-Preis und einen flexiblen B-Preis – eingeschlafen. Gleichzeitig
plädierte Jahr für eine stärkere Nutzung der ländlichen Entwicklung, um
Milchbauern zu helfen, und forderte, das Schulmilchprogramm durch
Entbürokratisierung attraktiver zu machen.
Benachteiligten helfen
Ulrike Müller, die Europaabgeordnete der Freien Wähler, betonte, Deutschland
sei im Bereich der Erzeugerbündelung schon sehr weit, ohne dass sich
dies in den Auszahlungspreisen bemerkbar mache. Sie rief dazu auf, die
gesamte Wertschöpfungskette in den Blick zu nehmen. Man müsse auf die
Verarbeitung der Milch zu hochwertigen und hochpreisigen
Qualitätsprodukten setzen. Müller appellierte an die Kommission, die
Vermarktungsbemühungen kleiner Unternehmen zu unterstützen.
Die österreichische EVP-Abgeordnete Elisabeth Köstinger verlangte gemeinsam mit ihrem Kollegen Herbert Dorfmann aus Südtirol mehr Möglichkeiten von der Kommission, um speziell Bauern in Berggebieten und benachteiligten Gebieten zu helfen. Wegen des hohen Grünlandanteils gebe es dort oft keine anderen Produktionsalternativen.
Die österreichische EVP-Abgeordnete Elisabeth Köstinger verlangte gemeinsam mit ihrem Kollegen Herbert Dorfmann aus Südtirol mehr Möglichkeiten von der Kommission, um speziell Bauern in Berggebieten und benachteiligten Gebieten zu helfen. Wegen des hohen Grünlandanteils gebe es dort oft keine anderen Produktionsalternativen.
Handel in die Pflicht nehmen
Auch der Lebensmitteleinzelhandel müsse verstärkt in die
Pflicht genommen werden. „Wir haben in Österreich Discounter, die den
Liter Milch mittlerweile um 49 Cent verramschen”, so Köstinger. Dorfmann
sprach sich ausdrücklich gegen die Anhebung der Interventionspreise
aus. Damit biete man nur einen noch größeren Produktionsanreiz in
Gunstlagen.
Die SPD-Abgeordnete Maria Noichl warnte vor einem
wachsenden Unfrieden zwischen Erzeugern. „Man hört bereits von
Landwirten: Mein größter Feind ist der Nachbar, der auch produziert”, so
die bayerische Sozialdemokratin. Die Betriebe „kannibalisierten” sich
gegenseitig. Dabei handele es sich nicht nur um ein Problem
benachteiligter Gebiete, sondern um das einer ganzen Produktionsgruppe,
die auf Dauer unter Erzeugerkosten produzieren solle. „Das kann keiner”,
so Noichl. Der Stellvertretende Leiter der Brüsseler Generaldirektion
Landwirtschaft und ländliche Entwicklung, Joost Korte, erinnerte daran,
dass sich die Preise noch in der ersten Jahreshälfte auf Rekordniveau
bewegt hätten. In der Folge sei ein Rückgang der Weltmarktnachfrage,
insbesondere aus China, durch das russische Importverbot verschärft
worden. Dies habe die Ausgangslage vollkommen verändert, und die
Kommission teile die Besorgnis der Abgeordneten.
„Langfristige Aussichten gut”
Trotzdem betonte der Spitzenbeamte, die langfristigen Aussichten
für den Welt-Milchmarkt blieben gut; das werde durch zahlreiche Studien
belegt. Das Preisniveau sei zwar unter dem Strich EU-weit gesunken, aber
mit bemerkenswerten Unterschieden. Am schwersten getroffen seien
zweifellos die baltischen Staaten mit Kürzungen um 20 Prozent und mehr,
betonte Korte. In Deutschland hingegen seien die Preise im September um
lediglich zwei Prozent gesunken, in Frankreich gar um 4,4 Prozent
gestiegen. Daher könne man nicht davon sprechen, dass sich der gesamte
EU-Milchsektor in einer Krise befinde. Darüber hinaus wehrte sich
Korte gegen den Vorwurf, die Abschaffung der Milchquoten liefere die
Erzeuger schutzlos den Marktkräften aus. Schließlich gebe es
Direktbeihilfen als Einkommensstützung, die Programme der ländlichen
Entwicklung und die bestehenden Marktinstrumente als Sicherheitsnetz.