Politik | 18. Januar 2018

Sondierer planen mehr Geld für Landwirtschaft und ländliche Räume ein

Von AgE
Mehr Geld für Landwirtschaft und ländliche Räume, ein Bekenntnis zu einer finanziell starken EU-Agrarpolitik und ihrer bisherigen Förderstruktur, ein mehrstufiges staatliches Tierwohllabel sowie eine Ackerbaustrategie – das sind die landwirtschaftlichen Kernpunkte des Sondierungspapiers von CDU, CSU und SPD.
In den kommenden vier Jahren sollen nach Ergebnissen der GroKo-Sondierungen zwischen CDU, CSU und SPD rund 1,5 Milliarden Euro zusätzlich für die Landwirtschaft und den ländlichen Raum ausgegeben werden.
Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt zeigte sich nach dem Verhandlungsmarathon am 12. Januar zufrieden. Man habe sich darauf verständigt, Anreize für Investitionen in die Zukunft der Landwirtschaft zu schaffen.
Tierwohl weit oben
Tierwohl stehe dabei für ihn „weit oben auf der Agenda”. Ein beträchtlicher Teil der für die kommenden vier Jahre zugesagten zusätzlichen 1,5 Milliarden Euro werde in diesen Bereich fließen.
Positiv fiel auch das Fazit der SPD aus. Die Bundestagsabgeordnete Rita Hagl-Kehl verwies auf die Handschrift ihrer Partei, die sich in dem Ergebnis niederschlage. Sie nannte ein angestrebtes Verbot der Anwendung von glyphosathaltigen Pflanzenschutzmitteln, ein Verbot des Gentechnikanbaus sowie die Einführung eines staatlichen und verbindlichen Tierwohllabels. Der Deutsche Bauernverband (DBV) und der Deutsche Raiffeisenverband (DRV) begrüßten die europapolitischen Aussagen der möglichen künftigen Koalitionspartner. Sie bemängelten zugleich, dass die agrarpolitischen Vereinbarungen vage seien und einer Konkretisierung in künftigen Koalitionsverhandlungen bedürften. Als nicht ambitioniert kritisierten Umweltverbände die Sondierungsergebnisse. Scharfe Kritik kam von den Grünen.
Anreize für Stallumbauten
Wie aus dem Ergebnispapier der Sondierungsgespräche hervorgeht, sollen in den nächsten vier Jahren zusätzlich 1,5 Milliarden Euro für Landwirtschaft und ländliche Räume bereitgestellt werden. Schmidt nannte als ein Beispiel im Bereich Tierwohl die Investitionsförderung der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes” (GAK). Hier werde man Anreize für Stallumbauten geben.
Einen Teil der Mittel werde man dazu verwenden, Agrarumweltziele zu erreichen. „Wir wollen beispielsweise Maßnahmen zur Umsetzung der nationalen Biodiversitätsstrategie sowie zur Verbesserung des Insektenschutzes fördern”, sagte der CSU-Politiker. Schließlich werde man auch die Förderung der ländlichen Entwicklung aufstocken. Da zudem die Mittel für die regionale Strukturpolitik sowie für kommunale Förderprogramme erhöht werden sollen, seien in diesem Bereich Synergieeffekte zu erwarten, „die wir nutzen werden”.
Schmidt räumte ein, dass er sich auch eine deutlich höhere Summe als die nun vereinbarten 1,5 Milliarden Euro hätte vorstellen können. Im Laufe der Verhandlungen war die Rede von fünf Milliarden Euro gewesen, die für die Landwirtschaft aufgebracht werden sollten. Allerdings wurden in der „Nacht der langen Messer” auch zahlreiche Ausgabenwünsche aus anderen Politikbereichen zurechtgestutzt, nachdem die Ansprüche den finanziellen Spielraum deutlich überstiegen hatten.
Weniger Bürokratie und mehr Effizienz
In ihrem Papier bekennen sich Union und SPD zu einer Weiterentwicklung der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) und einer Fortschreibung des bisherigen Finanzvolumens. Die Förderstrukturen sollen nach ihren Vorstellungen „gezielter und einfacher” als bisher ausgerichtet werden. Man wolle „weniger Bürokratie und mehr Effizienz für eine marktfähige Landwirtschaft”.
Betont wird, dass der gesellschaftliche Wandel in der Landwirtschaft und die veränderten Erwartungen der Verbraucher einer finanziellen Förderung bedürften – national und europäisch. „Wir wollen an der bisherigen Förderstruktur in der GAP grundsätzlich festhalten”, erläuterte Schmidt. Die Direktzahlungen seien für eine marktfähige Landwirtschaft weiterhin unverzichtbar. Über Details der künftigen Gestaltung werde man in den Koalitionsverhandlungen sprechen.
Fleisch aus besonderer Haltung
Der mehrstufige Ausbau einer staatlichen Kennzeichnung von tierischen Lebensmitteln soll vorangetrieben werden. Dazu  sollen „verbindliche Kriterien für Fleisch aus besserer Haltung” dienen. Ziel ist es, die Erkennbarkeit von tierischen Lebensmitteln, die über die gesetzlichen Vorgaben der Haltung hinausgehen, „verlässlich, einfach und verbraucherfreundlich” zu gestalten. Der Mehraufwand, der mit einem Label für die Erzeuger verbunden ist, soll honoriert werden. Schmidt betonte, eine mögliche große Koalition werde auf dem von ihm initiierten Tierwohllabel aufbauen.  Schließlich wollen die möglichen Koalitionäre Lücken in den Haltungsnormen im Tierschutzrecht schließen.  Man will an einer nationalen Nutztierstrategie festhalten, „die den Tier- und Umweltschutz genauso beachtet wie Qualität bei der Produktion und Marktorientierung”.
Glyphosatausstieg als Ziel
Den Einsatz von glyphosathaltigen Pflanzenschutzmitteln wollen Union und SPD „deutlich einschränken” und die Anwendung „so schnell wie möglich beenden”. „Wir werden die Entwicklung von praxistauglichen Alternativen für den Einsatz von Glyphosat in der Landwirtschaft unterstützen”, kündigte Schmidt an. Für den privaten Bereich wolle man Glyphosat nicht mehr zulassen. Es sollen eine systematische Minderungsstrategie sowie eine Ackerbaustrategie erarbeitet werden, die gemeinsam mit der Landwirtschaft umgesetzt und  mit Fördermitteln ausgestattet werden soll. Gefördert werden sollen Maßnahmen zur Umsetzung der Nationalen Biodiversitätsstrategie „und insbesondere des Insektenschutzes”. Im Rahmen der Ackerbaustrategie sollen zudem „natur- und umweltverträgliche Anwendungen von Pflanzenschutzmitteln” geregelt werden.
Ein Gentechnikanbauverbot wollen Union und SPD bundesweit einheitlich regeln, nachdem sie sich zuletzt  auf eine Umsetzung der Brüsseler Opt-out-Richtlinie geeinigt hatten.
Gleichwertige Lebensverhältnisse
Betont wird das Ziel gleichwertiger Lebensverhältnisse in ganz Deutschland. Man werde Strukturschwächen im ländlichen Raum bekämpfen.  In diesem Zusammenhang werden „Dezentralisierungsstrategien” genannt.  Die möglichen Koalitionspartner wollen eine „Kommission Gleichwertige Lebensverhältnisse” einrichten, die  Vorschläge erarbeiten soll.   Ehrenamtliches und bürgerschaftliches Engagement sollen unterstützt werden.
Gigabite-Netze ausbauen
Bis 2025 wollen Union und SPD den flächendeckenden Ausbau mit Gigabite-Netzen erreichen. Dabei soll nur Glasfasertechnologie förderfähig sein. Der Finanzierungsbedarf der öffentlichen Hand wird in dieser Legislaturperiode auf zehn bis zwölf Milliarden  Euro  veranschlagt.
Einen Schwerpunkt will eine mögliche große Koalition auf die Verbesserung der Mobilität legen. Dabei will man den gesellschaftlichen Herausforderungen wie „dem demografischen Wandel, Urbanisierung, Anbindung ländlicher Räume und Globalisierung” Rechnung tragen.
Gerig: wichtiger Schritt
Der nordbadische CDU-Bundestagsabgeordnete Alois Gerig bezeichnete den Abschluss der Sondierungen als einen wichtigen Schritt von Union und SPD, eine stabile Regierung zu bilden. Die Ergebnisse für die Agrarpolitik und die ländlichen Räume wertet Gerig als „Schritte in die richtige Richtung”. „Für mich sind die Ergebnisse ein klares Signal, dass Union und SPD eine nachhaltige und wettbewerbsfähige bäuerliche Landwirtschaft erhalten wollen”, so der bisherige Vorsitzende des Bundestagsernährungsausschusses.