Mehr Geld für Landwirtschaft und ländliche Räume, ein Bekenntnis zu einer finanziell starken EU-Agrarpolitik und ihrer bisherigen Förderstruktur, ein mehrstufiges staatliches Tierwohllabel sowie eine Ackerbaustrategie – das sind die landwirtschaftlichen Kernpunkte des Sondierungspapiers von CDU, CSU und SPD.
In den kommenden vier Jahren sollen nach Ergebnissen der GroKo-Sondierungen zwischen CDU, CSU und SPD rund 1,5 Milliarden Euro zusätzlich für die Landwirtschaft und den ländlichen Raum ausgegeben werden.
Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt zeigte sich nach dem Verhandlungsmarathon am 12. Januar zufrieden. Man habe sich darauf verständigt, Anreize für Investitionen in die Zukunft der Landwirtschaft zu schaffen.
Tierwohl weit oben
Tierwohl stehe dabei für ihn „weit oben auf der
Agenda”. Ein beträchtlicher Teil der für die kommenden vier Jahre
zugesagten zusätzlichen 1,5 Milliarden Euro werde in diesen Bereich
fließen.
Positiv fiel auch das Fazit der SPD aus. Die
Bundestagsabgeordnete Rita Hagl-Kehl verwies auf die Handschrift ihrer
Partei, die sich in dem Ergebnis niederschlage. Sie nannte ein
angestrebtes Verbot der Anwendung von glyphosathaltigen
Pflanzenschutzmitteln, ein Verbot des Gentechnikanbaus sowie die
Einführung eines staatlichen und verbindlichen Tierwohllabels. Der
Deutsche Bauernverband (DBV) und der Deutsche Raiffeisenverband (DRV)
begrüßten die europapolitischen Aussagen der möglichen künftigen
Koalitionspartner. Sie bemängelten zugleich, dass die agrarpolitischen
Vereinbarungen vage seien und einer Konkretisierung in künftigen
Koalitionsverhandlungen bedürften. Als nicht ambitioniert kritisierten
Umweltverbände die Sondierungsergebnisse. Scharfe Kritik kam von den
Grünen.
Anreize für Stallumbauten
Wie aus dem Ergebnispapier der Sondierungsgespräche
hervorgeht, sollen in den nächsten vier Jahren zusätzlich 1,5 Milliarden
Euro für Landwirtschaft und ländliche Räume bereitgestellt werden.
Schmidt nannte als ein Beispiel im Bereich Tierwohl die
Investitionsförderung der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der
Agrarstruktur und des Küstenschutzes” (GAK). Hier werde man Anreize für
Stallumbauten geben.
Einen Teil der Mittel werde man dazu verwenden, Agrarumweltziele zu
erreichen. „Wir wollen beispielsweise Maßnahmen zur Umsetzung der
nationalen Biodiversitätsstrategie sowie zur Verbesserung des
Insektenschutzes fördern”, sagte der CSU-Politiker. Schließlich werde
man auch die Förderung der ländlichen Entwicklung aufstocken. Da zudem
die Mittel für die regionale Strukturpolitik sowie für kommunale
Förderprogramme erhöht werden sollen, seien in diesem Bereich
Synergieeffekte zu erwarten, „die wir nutzen werden”.
Schmidt räumte ein, dass er sich auch eine deutlich höhere Summe als die
nun vereinbarten 1,5 Milliarden Euro hätte vorstellen können. Im Laufe
der Verhandlungen war die Rede von fünf Milliarden Euro gewesen, die für
die Landwirtschaft aufgebracht werden sollten. Allerdings wurden in der
„Nacht der langen Messer” auch zahlreiche Ausgabenwünsche aus anderen
Politikbereichen zurechtgestutzt, nachdem die Ansprüche den
finanziellen Spielraum deutlich überstiegen hatten.
Weniger Bürokratie und mehr Effizienz
In ihrem Papier bekennen sich Union und SPD zu einer
Weiterentwicklung der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) und einer
Fortschreibung des bisherigen Finanzvolumens. Die Förderstrukturen
sollen nach ihren Vorstellungen „gezielter und einfacher” als bisher
ausgerichtet werden. Man wolle „weniger Bürokratie und mehr Effizienz
für eine marktfähige Landwirtschaft”.
Betont wird, dass der gesellschaftliche Wandel in der Landwirtschaft und
die veränderten Erwartungen der Verbraucher einer finanziellen
Förderung bedürften – national und europäisch. „Wir wollen an der
bisherigen Förderstruktur in der GAP grundsätzlich festhalten”,
erläuterte Schmidt. Die Direktzahlungen seien für eine marktfähige
Landwirtschaft weiterhin unverzichtbar. Über Details der künftigen
Gestaltung werde man in den Koalitionsverhandlungen sprechen.
Fleisch aus besonderer Haltung
Der mehrstufige Ausbau einer staatlichen
Kennzeichnung von tierischen Lebensmitteln soll vorangetrieben werden.
Dazu sollen „verbindliche Kriterien für Fleisch aus besserer Haltung”
dienen. Ziel ist es, die Erkennbarkeit von tierischen Lebensmitteln, die
über die gesetzlichen Vorgaben der Haltung hinausgehen, „verlässlich,
einfach und verbraucherfreundlich” zu gestalten. Der Mehraufwand, der
mit einem Label für die Erzeuger verbunden ist, soll honoriert werden.
Schmidt betonte, eine mögliche große Koalition werde auf dem von ihm
initiierten Tierwohllabel aufbauen. Schließlich wollen die möglichen
Koalitionäre Lücken in den Haltungsnormen im Tierschutzrecht schließen. Man will an einer nationalen Nutztierstrategie festhalten, „die den
Tier- und Umweltschutz genauso beachtet wie Qualität bei der Produktion
und Marktorientierung”.
Glyphosatausstieg als Ziel
Den Einsatz von glyphosathaltigen Pflanzenschutzmitteln wollen
Union und SPD „deutlich einschränken” und die Anwendung „so schnell wie
möglich beenden”. „Wir werden die Entwicklung von praxistauglichen
Alternativen für den Einsatz von Glyphosat in der Landwirtschaft
unterstützen”, kündigte Schmidt an. Für den privaten Bereich wolle man
Glyphosat nicht mehr zulassen. Es sollen eine systematische
Minderungsstrategie sowie eine Ackerbaustrategie erarbeitet werden, die
gemeinsam mit der Landwirtschaft umgesetzt und mit Fördermitteln
ausgestattet werden soll. Gefördert werden sollen Maßnahmen zur
Umsetzung der Nationalen Biodiversitätsstrategie „und insbesondere des
Insektenschutzes”. Im Rahmen der Ackerbaustrategie sollen zudem „natur-
und umweltverträgliche Anwendungen von Pflanzenschutzmitteln” geregelt
werden.
Ein Gentechnikanbauverbot wollen Union und SPD bundesweit einheitlich
regeln, nachdem sie sich zuletzt auf eine Umsetzung der Brüsseler
Opt-out-Richtlinie geeinigt hatten.
Gleichwertige Lebensverhältnisse
Betont wird das Ziel gleichwertiger Lebensverhältnisse
in ganz Deutschland. Man werde Strukturschwächen im ländlichen Raum
bekämpfen. In diesem Zusammenhang werden „Dezentralisierungsstrategien”
genannt. Die möglichen Koalitionspartner wollen eine „Kommission
Gleichwertige Lebensverhältnisse” einrichten, die Vorschläge erarbeiten
soll. Ehrenamtliches und bürgerschaftliches Engagement sollen
unterstützt werden.
Gigabite-Netze ausbauen
Bis 2025 wollen Union und SPD den flächendeckenden Ausbau mit
Gigabite-Netzen erreichen. Dabei soll nur Glasfasertechnologie
förderfähig sein. Der Finanzierungsbedarf der öffentlichen Hand wird in
dieser Legislaturperiode auf zehn bis zwölf Milliarden Euro veranschlagt.
Einen Schwerpunkt will eine mögliche große Koalition auf die
Verbesserung der Mobilität legen. Dabei will man den gesellschaftlichen
Herausforderungen wie „dem demografischen Wandel, Urbanisierung,
Anbindung ländlicher Räume und Globalisierung” Rechnung tragen.
Gerig: wichtiger Schritt
Der nordbadische CDU-Bundestagsabgeordnete Alois Gerig
bezeichnete den Abschluss der Sondierungen als einen wichtigen Schritt
von Union und SPD, eine stabile Regierung zu bilden. Die Ergebnisse für
die Agrarpolitik und die ländlichen Räume wertet Gerig als „Schritte in
die richtige Richtung”. „Für mich sind die Ergebnisse ein klares Signal,
dass Union und SPD eine nachhaltige und wettbewerbsfähige bäuerliche
Landwirtschaft erhalten wollen”, so der bisherige Vorsitzende des
Bundestagsernährungsausschusses.