Politik | 15. Februar 2018

Sonderausschuss zu Glyphosat

Von AgE
Das Europaparlament wird einen Sonderausschuss zum EU-Zulassungsverfahren für Pflanzenschutzmittel einsetzen und dabei auch die bereits erfolgte Neuzulassung des Pflanzenschutzmittelwirkstoffs Glyphosat untersuchen.
Der Wirkstoff Glyphosat beschäftigt die Politik weiterhin.
Der Ausschuss soll  die sogenannten „Monsanto Papers” und die Rolle der EU-Kommission bei Glyphosat ins Visier nehmen. Außerdem ist vorgesehen, die personelle und finanzielle Ausstattung beratender EU-Agenturen, wie der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA) und der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA), zu analysieren. Auch mögliche Interessenkonflikte der verschiedenen Teilnehmer des Zulassungsverfahrens sollen von dem Sonderausschuss unter die Lupe genommen werden. Das Gremium wird für eine Dauer von insgesamt neun Monaten eingesetzt.
Nachdem Vertreter der Europäischen Volkspartei (EVP), der größten Fraktion im Parlament, zunächst immer wieder Bedenken gegen einen solchen Ausschuss geäußert hatten, stimmten jetzt auch die EVP-Abgeordneten mehrheitlich dafür.
Drei deutsche Agrarpolitiker dabei
Unterdessen wurden drei deutsche EU-Agrarpolitiker in das insgesamt 30-köpfige Gremium gewählt:  Norbert Lins von der CDU, Maria Noichl von der SPD sowie die Agrarsprecherin der Fraktion der Allianz der Liberalen und Demokraten für Europa (ALDE), Ulrike Müller von den Freien Wählern. Des Weiteren wurden der EVP-Agrarsprecher Albert Deß von der CSU sowie der CDU-Politiker Peter Jahr zu stellvertretenden Mitgliedern bestimmt.
Jahr zeigte sich zufrieden, dass es der EVP-Fraktion gelungen sei, den Sonderausschuss in „sinnvolle Bahnen” zu lenken. Ein Erkenntniszuwachs beim „Ursprungsthema Glyphosat” sei nicht zu erwarten. Er betonte, dass für ihn vor allem die zonale Zulassung der Pflanzenschutzmittel in der EU unbefriedigend sei. Ziel müsse es sein, die Zulassung „unbürokratisch, transparent und effektiv” zu gestalten.
Derweil wünscht sich die SPD-Landwirtschaftspolitikerin Noichl, dass gerade das Genehmigungsverfahren zu Glyphosat auf den Tisch kommt. Dabei müsse geprüft werden, wie „möglicherweise gefälschte Studien die wissenschaftlichen Bewertungen der europäischen Agenturen beeinflusst haben”. Noichl fordert  mehr Investitionen in eine unabhängige Forschung der EFSA und der ECHA. Die ALDE-Agrarsprecherin Müller wiederum lobte vor allem die EFSA. Diese habe sich in den vergangenen Jahren besonders durch ihre „Bemühungen um Transparenz und eine klare Kommunikation ihrer Arbeit hervorgetan”. Aus Sicht des Agrarsprechers der Grünen im EU-Parlament, Martin Häusling, ist es insbesondere wichtig, zu erfahren, ob Konzerne die wissenschaftliche Bewertung unzulässig beeinflusst haben könnten.
Auch der Präsident des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR), Professor Andreas Hensel, erhofft sich von dem Sonderausschuss des Europaparlamentes wichtige Impulse für die politischen Rahmenbedingungen. „Häufig wird über zu wenig Transparenz bei der wissenschaftlichen Bewertung der Wirkstoffe geklagt – für eben diese Offenheit setzt sich das BfR seit Jahren ein”, betonte Hensel.
Glyphosathersteller: Kampf um geltendes Recht
Der im Koalitionsvertrag von Union und SPD anvisierte Ausstieg aus der Anwendung von Glyphosat ist für die Arbeitsgemeinschaft Glyphosat (AGG) ein alarmierendes Zeichen dafür, dass sich Zulassungsfragen immer stärker auf einen rechtsfreien Raum zubewegen. Vor Journalisten bezeichneten die AGG-Sprecher Ursula Lüttmer-Ouazane und Dr. Thoralf Küchler am 8. Februar in Frankfurt die von den möglichen Koalitionären vereinbarte „systematische Minderungsstrategie” als Weckruf an die Landwirtschaft und die Industrie, geltendes Recht im Falle möglicher Restriktionen zu prüfen und – wenn nötig – darauf zu pochen. „Mit Glyphosat wird ein Präzedenzfall geschaffen, bei dem sich die Zulassung schon auf EU-Ebene nicht mehr nach der wissenschaftlichen Bewertung gerichtet hat”, betonte Küchler. Sollte dieser Wirkstoff allein aufgrund des politischen Drucks aus der Anwendung verschwinden, drohe selbiges auch für beliebige andere Pflanzenschutzmittel und methoden. „Wenn ein Unternehmen sieht, dass es nicht richtig behandelt worden ist und das nicht akzeptieren möchte, gibt es in einem Rechtsstaat einen Weg, um zu seinem Recht zu kommen. Hier wird sich in Zukunft meiner Einschätzung nach etwas ändern, weil der Leidensdruck zu groß geworden ist. Es heißt jetzt: Ganz oder gar nicht”, fasste Küchler zusammen. Zwar sei ein Glyphosat-Ausstieg durch die Koalition nicht „in Stein gemeißelt”, doch handele es sich um eine klare politische Willensäußerung, mit der sich die Beteiligten konträr zur Rechtslage positionierten.