Politik | 06. Februar 2020

Sonder-Milliarde gemischt bewertet

Von AgE
Union und SPD haben auf die Bauernproteste der vergangenen Monate reagiert. Der Koalitionsausschuss beschloss am 29. Januar, in den kommenden vier Jahren für die Landwirtschaft zusätzlich insgesamt eine Milliarde Euro aus dem Bundeshaushalt zur Verfügung zu stellen.
Die Mittel sollen laut Beschluss für Agrarumweltprogramme und Investitionen eingesetzt werden und dazu dienen, die Landwirte „bei dem anstehenden Transformationsprozess” zu unterstützen.
Neue Düngeverordnung kommt
Die Bundesregierung gewährt der Landwirtschaft eine zusätzliche Milliarde Euro über vier Jahre verteilt. Die verschärfte Düngeverordnung will sie aber zügig umsetzen.
Gleichzeitig stellten die Spitzen der Regierungsparteien und -fraktionen klar, dass die Novelle der Düngeverordnung kommt. Ziel sei es, eine Klageerhebung im Zweitverfahren gegen Deutschland zur Düngeverordnung abzuwenden. Das Bundeslandwirtschafts- und das Bundesumweltministerium werden „in Kürze” einen Änderungsentwurf mit den von der EU-Kommission verlangten Klarstellungen nach Brüssel übermitteln.
Die Reaktionen auf die Entscheidungen des Koalitionsausschusses fielen unterschiedlich aus. Die Opposition warf der Koalition vor, mit der „Bauernmilliarde” das Wohlwollen der Landwirte erkaufen zu wollen, die Probleme jedoch nicht zu lösen.
Der Präsident des Deutschen Bauernverbandes (DBV), Joachim Rukwied, begrüßte die Fördermilliarde als „ein starkes Signal der Wertschätzung an uns Bauern”, mahnte aber weiterhin fachliche Korrekturen an der Düngerechtsnovelle an. Klar sei, „Geld allein löst die Herausforderungen nicht”.
Im Streit um die Düngeverordnung sei eine stärkere regionale Differenzierung bei der Festsetzung der Roten Gebiete ein wesentlicher Knackpunkt, so Rukwied. Die Bundesregierung müsse dringend die Bundesländer zu einer stärkeren räumlichen Abgrenzung und zu einer Binnendifferenzierung verpflichten, betonte der DBV-Präsident. Die Länder müssten als Grundsatz zur Gebietsabgrenzung im Düngerecht akzeptieren, dass „grüne Teilgebiete” ausgenommen werden. Es sei ein Gebot der Verhältnismäßigkeit und der Gerechtigkeit, „die strengeren Regelungen des Düngerechts nur dort zur Anwendung zu bringen, wo  Handlungsbedarf bei der Erreichung der Grundwasserschutzziele besteht, und nicht in großen, pauschal abgegrenzten Grundwasserkörpern”, stellte Rukwied fest.
Sowohl Vertreter von Landesbauernverbänden als auch die Initiative „Land schafft Verbindung” (LsV) kündigten weitere Protestaktionen an. „Bauern lassen sich nicht kaufen”, ließ zum Beispiel LsV-Deutschland auf ihrer Facebook-Seite verlauten. Immer lauter wurde unterdessen die Kritik an den Nitratmessstellennetzen der Länder. So empfiehlt „LsV-Das Original”  der Politik, das Geld besser in den „Ausbau des fragwürdigen Messstellennetzes” zu stecken. Zugleich bekräftigt die Initiative ihre Forderung nach einem Moratorium für die Novelle der Düngeverordnung.
Zankapfel Messstellennetz
Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner appellierte an ihre Kabinettskollegin Svenja Schulze vom Umweltministerium, auf die Kritik an den Messnetzen zu reagieren. Als federführende Ministerin für die Umsetzung der EU-Nitratrichtlinie und die Nitratberichterstattung liege es in ihrer Verantwortung, den Vorwürfen zu den Messnetzen nachzugehen, heißt es in einem Schreiben Klöckners an Schulze.
Darin bezeichnet Klöckner die von landwirtschaftlicher Seite erhobene Kritik als „gut nachvollziehbar”. Zu Recht werde moniert, dass die Verursachung der Nitratbelastung des Grundwassers nicht durchgehend nachvollziehbar abgebildet werde. Insbesondere werde beanstandet, dass die Länder uneinheitliche Messmethoden verwendeten und die Anzahl sowie die Lage der Messstellen nicht transparent seien. Klöckner forderte die Umweltministerin auf, gemeinsam mit den Ländern umgehend Transparenz bei den deutschen Messstellennetzen zu schaffen. Die Länder müssten sich der Kritik stellen und bei festgestellten Mängeln ihre Messstellennetze kurzfristig nachbessern.  Die Ministerin verweist ausdrücklich auf die Bereitschaft der EU-Kommission, eine stärker differenzierte Ausweisung der belasteten Gebiete zu unterstützen. „Diesen Ansatz sollten wir weiterverfolgen und dabei eine verursachergerechte Lösung anstreben”, so Klöckner. Für die Akzeptanz bei der Umsetzung der Düngeverordnung sei es unerlässlich, „dass die Nitratbelastung aus landwirtschaftlichen Quellen flächenrepräsentativ und zutreffend abgebildet wird.”
In ähnlicher Weise waren zuvor bereits führende Agrar- und Umweltpolitiker der CDU/CSU an die Umweltministerin herangetreten. Neben einer obligatorischen Binnendifferenzierung bedürfe es bundesweit einheitlicher Rahmenbedingungen für das Nitratmessstellennetz, so die Parlamentarier gegenüber Schulze.
Der agrarpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Albert Stegemann, betonte die Notwendigkeit, endlich verlässliche Rahmenbedingungen für die Düngung zu schaffen.
Das Verfahren müsse so bald wie möglich abgeschlossen werden. Dafür sei eine Bundesratsentscheidung am 3. April notwendig. Grundlage der Vereinbarung im Koalitionsausschuss sei, „dass wir unter allen Umständen ein Zweitverfahren gegen Deutschland und eine Verurteilung zur Zwangsgeldzahlung vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) wegen Nichteinhaltung der EU-Nitratrichtlinie verhindern müssen”. Eine solche Verurteilung wäre laut Stegemann „politisch und finanziell verheerend”. Positiv wertet Stegemann die jüngst von der Generaldirektion Umwelt vorgebrachte Kritik an der fehlenden Plausibilität bei der Ausweisung der Roten Gebiete. Sie komme der Forderung nach einer stärkeren Differenzierung entgegen.
Verteilung noch offen
Offen ist bislang, wie die zugesagten eine Milliarde Euro verteilt werden sollen. Für Stegemann steht dabei außer Frage, „dass wir unter anderem auch den besonderen Herausforderungen in den Roten Gebieten Rechnung tragen müssen, soweit dies beihilferechtlich möglich ist”. Deutlich andere Akzente setzt die CSU. Die Mittel müssten so eingesetzt werden, dass den Betrieben trotz verschärfter Auflagen ein weiteres Wirtschaften möglich bleibe, verlangte der agrarpolitische Sprecher der CSU im Bundestag, Artur Auernhammer. Insbesondere kleinbäuerliche Betriebe bräuchten dabei Unterstützung. Auch nach Auffassung von Bayerns Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber muss dieses Geld vor allem „den kleineren und mittleren Betrieben unserer bäuerlichen Landwirtschaft” zugutekommen. Kaniber wies darauf hin, dass der Koalitionsbeschluss auf Initiative des CSU-Vorsitzenden Markus Söder zustandegekommen sei.