Die Nachhaltigkeitsstrategien der Europäischen Kommission dürften die Pflanzenproduktion in der EU spürbar verringern. Zu diesem Ergebnis kommt eine Folgenabschätzung der Universität Wageningen in den Niederlanden.
Folgen des Green Deal: Wissenschaftler der Universität Wageningen rechnen mit einem Rückgang der pflanzlichen Agrarproduktion in der EU zwischen durchschnittlich 10 und 20 Prozent.
Die Universität Wageningen hat die Auswirkungen der Ziele der Farm-to-Fork- und der Biodiversitätsstrategie auf die Produktion ausgewählter Kulturen untersucht. Auftraggeber waren mehrere Organisationen, darunter der Pflanzenschutzdachverband CropLife Europe.
Die Vorgaben zur Verringerung des Nährstoffüberschusses und des Pflanzenschutzmittel-aufwandes dürften laut der Untersuchung in Kombination mit der Anlage von Landschaftselementen auf zehn Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche zu einem Rückgang der pflanzlichen Agrarproduktion zwischen durchschnittlich 10 und 20 Prozent führen. Der Produktionswert soll um mindestens 140Milliarden Euro zurückgehen. In Abhängigkeit von der jeweiligen Kultur kann die Erzeugung laut der Folgenabschätzung auch bis zu 30 Prozent schrumpfen, so etwa bei Äpfeln, oder aber kaum beeinflusst werden, wie es bei Zuckerrüben der Fall sein soll.
Bei Dauerkulturen Rückgang noch stärker
Generell werden die Reduktionsziele nach
Einschätzung der Wissenschaftler die Produktion in Dauerkulturen stärker
verringern als in einjährigen Kulturen. Zurückgeführt wird das auf die
geringere Flexibilität der Erzeuger. In der Folge werden für Produkte
wie Wein, Oliven und Hopfen ein großer Preisanstieg und ein Rückgang der
Exporte erwartet. Weizen etwa soll sich hingegen nur um drei Prozent
verteuern, die Erzeugung allerdings um 18 Prozent zurückgehen. Zunehmen
dürften die Importe von Mais, Raps und Zitrusfrüchten.
Die von der Universität als separates Szenario betrachtete Ausweitung
des europäischen Ökolandbaus auf einen Flächenanteil von 25 Prozent
würde laut der Folgenabschätzung einen Produktionsrückgang von weniger
als zehn Prozent bewirken und die Preise zugleich um nicht mal 13
Prozent in die Höhe treiben. Auch in diesem Szenario soll die
Abhängigkeit von Mais, Raps und Zitrusfrüchten aus dem Ausland zunehmen,
während die Exporte von Hopfen zurückgehen. Der Produktionswert soll
zugleich um insgesamt etwa 56 Milliarden Euro schrumpfen.
Kommission gefordert
CropLife Europe forderte die EU-Kommission mit Blick
auch auf bereits vorliegende Studien zu den Auswirkungen des Green
Deal auf, selbst eine umfassende Folgenabschätzung vorzunehmen.
Problemfelder müssten benannt werden, um potenzielle Lösungen
diskutieren zu können. Die europäische Nahrungsmittelproduktion
bezeichnete der Dachverband als „einen der größten Erfolge” der
Gemeinschaft. Es sei daher nicht nachzuvollziehen, dass diese
Errungenschaften nun rückgängig gemacht werden sollten, während sich
zugleich Handelspartner darauf vorbereiteten, die entstehenden Lücken zu
füllen. Auch die österreichische IndustrieGruppe Pflanzenschutz (IGP)
und der Industrieverband Agrar (IVA) erneuerten ihre Forderung nach
einer umfassenden Folgenabschätzung. IVA-Hauptgeschäftsführer Frank
Gemmer erklärte, es müsse der EU-Kommission zu denken geben, wenn
verschiedene wissenschaftliche Abschätzungen zur Farm-to-Fork-Strategie
zu einem „recht einheitlichen” Ergebnis gelangten. Ein Rückgang der
Agrarproduktion und ein Anstieg der Lebensmittelpreise seien nicht „per
se” besser für Umwelt oder Klima.
Tierhaltung im Rückwärtsgang
Die Umsetzung der Ziele, die die EU-Kommission mit dem Green Deal anstrebt, dürfte zu einer Reduzierung der Tierhaltung in der Größenordnung von zehn bis 15Prozent führen. Einer Studie der Universität Wageningen zu den Auswirkungen des Green Deal auf die Veredlungsbranche in der EU zufolge wäre dieser Abbau vor allem der Vorgabe einer Halbierung der Nährstoffverluste bis 2030 in der Farm-to-Fork-Strategie geschuldet.
Die Studienautoren stellen klar, dass ein Teil der angepeilten Reduzierung der Nährstoffbelastung nur durch eine Verringerung des Gülleanfalls und damit der Tierbestände realisiert werden könne. Die unter anderem von den EU-Ausschüssen der Bauernverbände (COPA) und ländlichen Genossenschaften (COGECA) in Auftrag gegebene Folgenabschätzung basiert auf einer Literaturrecherche und Konsultationen mit verschiedenen Experten. Dabei wurden laut der Universität auch die Ergebnisse einer Green-Deal-Untersuchung des Pflanzenschutzdachverbandes CropLife Europe und die im August veröffentlichte Studie der Gemeinsamen Forschungsstelle (GFS) der Kommission in die Analyse eingearbeitet.
Nach der Untersuchung ist damit zu rechnen, dass die Kosten insbesondere für Futtermittel „wahrscheinlich” steigen werden. Allerdings sei dies schwer zu quantifizieren, da es Unsicherheiten wegen der Reaktionen des Weltmarktes gebe. Klar ist aus Sicht der Wissenschaftler, dass die Maßnahmen zu einer Abnahme des EU-eigenen Futterangebots beitragen werden. Dies habe negative Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit der Tierhalter in der EU.
Das Ziel, die Anbaufläche des ökologischen Landbaus bis 2030 auf 25 Prozent zu erhöhen, wird der Untersuchung zufolge ebenfalls die Tierproduktion beeinträchtigen. Es sei davon auszugehen, dass sich dies negativ auf das Angebot an Futtermitteln in der EU auswirken werde.
Als nicht einheitlich bezeichnen die Forscher die kurzfristigen Auswirkungen auf das Nettoeinkommen der Betriebe. Viele Faktoren wie Entwicklung der Produktpreise, regionalspezifische Auswirkungen von Umweltauflagen, Änderungen der Direktzahlungen in der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) beziehungsweise Kostenentwicklungen seien mit Unsicherheiten behaftet. Bei Rindern und Schweinen, so die Studienautoren, könnten die projizierten Preiserhöhungen zu deutlich positiven Einkommenseffekten der Landwirte führen. Negativ seien die Produktpreis-auswirkungen dagegen aller Voraussicht nach bei Milchviehhaltern. Hier könne es zu einer Einkommensreduzierung von bis zu einem Drittel kommen.