Politik | 08. April 2021

Mehr Tage einsetzbar

Von AgE
Der zeitliche Rahmen für die kurzfristige Beschäftigung soll auch in diesem Jahr befristet ausgeweitet werden. Nach einem Beschluss des Bundeskabinetts vom 31. März soll die Begrenzung auf 70 Tage bis Ende Oktober ausgesetzt und auf 102 Tage erhöht werden.
Landwirtschaftsverbände begrüßten den Kabinettsbeschluss, Gewerkschafter und Grüne übten heftige Kritik.
Landwirtschaftliche Betriebe können ihre Saisonarbeitskräfte für 102 Arbeitstage oder vier Monate sozialversicherungsfrei beschäftigen. Unbefristet eingeführt werden soll laut Kabinettsbeschluss eine Meldepflicht für Arbeitgeber über das Vorliegen eines Krankenversicherungsschutzes ihrer Beschäftigten in einer gesetzlichen oder privaten Kasse. Zudem sollen die Arbeitgeber künftig bei Anmeldung einer kurzfristigen Beschäftigung automatisch eine Rückmeldung der Minijobzentrale erhalten, ob für den bereffenden Arbeitnehmer weitere kurzfristige Beschäftigungen im Kalenderjahr vorliegen.
Bundeslandwirtschaftministerin Julia Klöckner, die sich mit Arbeitsminister Hubertus Heil auf den Kompromiss verständigt hatte, begrüßte die vorgesehene Neuregelung. Die Maßnahme sei einerseits ein Beitrag zur Sicherung der Versorgung der Bevölkerung mit heimischen Lebensmitteln, weil insbesondere im Bereich des Obst- und Gemüseanbaus die Landwirte auf Arbeitskräfte angewiesen seien, erklärte Klöckner. Andererseits werde durch die mit der längeren Aufenthaltsdauer einhergehende geringere Personalfluktuation das Infektionsrisiko verringert. 
BLHV erleichtert
Mit Erleichterung reagierten die berufsständischen Organisationen, darunter der BLHV und der Deutsche Bauernverband (DBV). Sie begrüßten den Kabinettsbeschluss als „wichtiges Signal für unsere Betriebe zur Planungssicherheit und um auch in Corona-Zeiten die Versorgung der Bevölkerung mit frischen und hochwertigen Lebensmitteln gewährleisten zu können”. Beide Verbände hatten sich in der Vergangenheit stark für die Regelung eingesetzt. Scharfe Kritik kam indes von der Gewerkschaftsseite. Das Vorstandsmitglied im Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) Anja Piel warnte  vor „unverantwortbaren Zuständen bei der Ernte”. Sie kritisierte, dass die Rechte der „vielfach prekär beschäftigten Erntehelferinnen und -helfer” weiter ausgehöhlt würden.
 Unionsagrarsprecher Albert Stegemann kündigte an, man werde die Neuregelung unmittelbar nach Ostern im Bundestag in Gesetzesform gießen. Dies sei dringend notwendig, weil ohne die Unterstützung durch ausländische Saisonarbeitskräfte zahlreiche landwirtschaftliche Betriebe in Deutschland in Existenznot geraten würden.  „Grundsätzlich ist eine kurzzeitige Beschäftigung auch eine kurzzeitige Angelegenheit”, erklärte der sozialpolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, Peter Weiß. Die Pandemie zeige jedoch, „dass wir im Interesse der Menschen und der Betriebe hier neu denken müssen”. Es gehe vor allem darum, unnötigen Reiseverkehr für ausländische Saisonarbeitskräfte in Risikogebiete zu vermeiden. Gleichzeitig werde der soziale Schutz der Betroffenen gestärkt, indem künftig ein Krankenversicherungsschutz nachgewiesen werden müsse.
Harsche Kritik kam von den Grünen. Die Ausweitung der sozialversicherungsfreien Beschäftigung sei „ein Schlag ins Gesicht aller Saisonarbeitskräfte”, so die Sprecher für Agrar- und Sozialpolitik, Friedrich Ostendorff und Beate Müller-Gemmeke. Sie warfen Bundeslandwirtschaftsministerin Klöckner vor, sie betreibe „wieder einmal Klientelpolitik für profitgierige Betriebe”.  Demgegenüber begrüßte der agrarpolitische Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion, Stephan Protschka, die Entscheidung, mahnte aber  weitere Anreize für inländische Saisonarbeitskräfte an.
Zustimmung zum Kabinettsbeschuss kam auch aus den Ländern. Baden-Württembergs Landwirtschaftsminister Peter Hauk bezeichnete die Ausweitung der sozialabgabenfreien Beschäftigung als wichtige Voraussetzung, den regionalen Sonderkulturanbau unter Corona-Bedingungen sicherzustellen. Für Baden-Württemberg als Land der Sonderkulturen seien Saisonarbeitskräfte essenziell.