Politik | 18. Februar 2021

Reaktionen und weiterer Fahrplan

Von AgE/El/enz
Nach dem Beschluss des Insektenschutzpakets durch das Kabinett der Bundesregierung richtet sich die Aufmerksamkeit nunmehr auf das weitere parlamentarische Verfahren.
Das Insektenschutzpaket wandert jetzt zur Weiterbearbeitung in den Bundestag und den Bundesrat.
Das Insektenschutzpaket umfasst die Teile Insektenschutzgesetz und Pflanzenschutzmittel-Anwendungsverordnung. In den nächsten Wochen werden sich bei der Pflanzenschutzmittel-Anwendungsverordnung der Bundesrat und beim Insektenschutzgesetz der Bundestag und der Bundesrat mit den Rechtstexten befassen.
Gesetz und Verordnung werden aller Voraussicht nach parallel behandelt.
Abschluss am 28. Mai vorgesehen
Der Gesetzentwurf zur Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes („Insektenschutzgesetz”) wird nach dem vorliegenden Zeitplan am 15. April erstmals im Bundestag beraten. Die Zweite und Dritte Lesung sind für den 7. Mai vorgesehen, der abschließende Durchgang im Bundesrat für den 28. Mai. An diesem Tag wird aller Voraussicht nach auch die Novelle der Pflanzenschutzmittel-Anwendungsverordnung in der Länderkammer beschlossen.
Die CDU/CSU werde sich im parlamentarischen Verfahren für weitere Verbesserungen einsetzen, kündigte Gitta Connemann an, stellvertretende Fraktionsvorsitzende der CDU/CSU im Bundestag. Sie nannte die Festschreibung einer Kooperationspflicht in FFH- und Naturschutzgebieten sowie gesetzliche Absicherungen für einen Rechtsanspruch auf Entschädigung und für Länderöffnungsklauseln.
Der Vorsitzende des Bundestagsernährungsausschusses, Alois Gerig, räumte ein, dass es „in einem zähen Ringen” gelungen sei, dem Insektenschutzpaket die Schärfe zu nehmen. Im parlamentarischen Verfahren werde man strikt darauf achten, dass es nicht zu mehr Bürokratie und zu neuen Härten für die Bauern komme.
SPD-Fraktionsvize  Matthias Miersch machte „die völlig verfehlte Politik des Bundeslandwirtschaftsministeriums und der Bauernverbandsfunktionäre” für die aufgeladene Diskussion über den Insektenschutz verantwortlich. „Weil jahrelang wirksame Regeln in Tier-, Arten- und Naturschutz verweigert worden sind, kommen Landwirte aufgrund gestiegener Erwartungen der Öffentlichkeit unter Druck”.
„Alle aus den Schützengräben”
Dabei gebe es längst Möglichkeiten, Planungssicherheit, Existenzsicherung und Schutz natürlicher Güter zu gewährleisten, „indem man die Milliarden an Subventionen endlich anders gewichtet”. Es sei an der Zeit, „dass jetzt alle aus den Schützengräben kommen und gemeinsam die Chancen der  europäischen Agrarreform nutzen”, so Miersch.
Der landwirtschaftspolitische Sprecher der FDP-Fraktion,  Gero Hocker, warf der Bundesregierung vor, sie opfere die nachhaltige Landwirtschaft und den Vertragsnaturschutz „für einen zweifelhaften Burgfrieden” und nehme ohne einen echten Mehrwert für den Insektenschutz die Aufgabe Tausender Betriebe im Land billigend in Kauf.
Dem agrarpolitischen Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion, Stephan Protschka, zufolge torpediert das Gesetzesvorhaben die bisherige erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen Landwirtschaft und Naturschutz, „weil die Einhaltung gesetzlicher Mindeststandards nicht mehr gefördert werden darf”.
Die agrarpolitische Sprecherin der Linksfraktion,  Kirsten Tackmann, kündigte an, das Insektenschutzpaket kritisch zu prüfen. Es müsse naturschonendere Arbeit in der Landwirtschaft sichern und angemessen unterstützen.
Scharfe Kritik kam von den Grünen. Deren Abgeordnete Harald Ebner und Steffi Lemke hielten der Bundesregierung vor, sie blende die Dramatik des Insektensterbens nach wie vor aus. Das Gesetzespaket sei „nicht mehr als ein Sammelsurium aus kleinteiligen und wenig wirksamen Einzelmaßnahmen”.AgE/red
Einiges erreicht, aber noch viel zu tun
Der BLHV bewertet den berufsständischen Einsatz vor dem Beschluss zum Insektenschutzpaket im Bundeskabinett positiv.
BLHV-Präsident Werner Räpple diskutierte in einer Videokonferenz mit dem Vorstand des Verbandes über die  Ergebnisse des Kabinettsbeschlusses zum Insektenschutzpaket. Fazit: Durch berufsständischen Einsatz wurden Erfolge erzielt. Es gibt aber noch Nachbesserungsbedarf
„Wir können feststellen, dass wir einiges erreicht haben, zum Beispiel die Ausnahmen vom Insektizid- und Herbizidverbot für Sonderkulturbetriebe in FFH-Gebieten, aber zufriedenstellen kann der Kabinettsbeschluss noch nicht”, betonte Räpple. Die Fortschritte, lobte der Präsident, seien das Ergebnis der vielen Aktionen, die die Kreisvorsitzenden des BLHV in den vergangenen Monaten organisiert hätten. Aber auch die Landesregierung und Bundesministerin Julia Klöckner hätten sich gemeinsam für die Sache der Bäuerinnen und Bauern in Südbaden  und den baden-württembergischen Weg eingesetzt. Räpple erwähnte insbesondere das Antwortschreiben von Ministerpräsident  Winfried Kretschmann auf   den Brief des BLHV sowie die Einwendungen des CDU-geführten Landwirtschaftsministeriums. Dies alles habe  in Berlin für die Kehrtwende gesorgt, berichtete der Verbandspräsident.
BLHV-Umweltreferent Hubert God zeigte in seiner Analyse die Erfolge der berufsständischen Arbeit auf. Neben Ausnahmeregelungen seien dies vor allem die Länderöffnungsklauseln, die in Baden-Württemberg für Entschärfungen sorgen könnten. Zum Beispiel ermögliche eine Länderoption, dass bei den Gewässerrandstreifen keine zusätzliche Betroffenheit in Baden-Württemberg zu befürchten sei. Auch wurde God zufolge die Mindestgröße für den Biotopschutz von Streuobstwiesen weitestgehend aus dem Biodiversitätsstärkungsgesetz entnommen, was dem Land mit den meisten Streuobstbeständen zugute komme.
Jedoch gebe es noch einige juristische Fragen bei diesen Klauseln, die unbedingt noch geklärt werden müssten. Auch andere wichtige Punkte sind laut dem Umweltreferenten noch nicht geklärt, zum Beispiel wie künftig freiwillige Umweltmaßnahmen, die zum Beispiel die Pflanzenschutzmittel-Reduktion betreffen, in FFH-Gebieten greifen.
Ausblickend auf die weiteren Verhandlungen und Diskussionen hob God abschließend die Protokollerklärungen von Bundesministerin Julia Klöckner hervor. Dies  seien wichtige Leitplanken, an denen sich die berufsständischen Forderungen orientieren sollten. Die Erklärungen forderten zum Beispiel den finanziellen Ausgleich beziehungsweise die Förderfähigkeit für Land- und Forstwirte bei ordnungsrechtlichen Maßnahmen sowie eine Priorisierung von kooperativen Lösungen ein.
 
Hauk und BLHV setzen auf das weitere Verfahren
Baden-Württembergs Landwirtschaftsminister Peter Hauk setzt beim Insektenschutzpaket auf das folgende parlamentarische Verfahren im Bundestag und Bundesrat, um noch Verbesserungen für das Land zu erreichen. Bei einer gemeinsamen Online-Wahlkampfveranstaltung von Patrick Rapp, CDU-Landtagsabgeordneter im Wahlkreis Breisgau, und der Landtagskandidatin der CDU im Kreis Emmendingen, Jutta Zeisset, kündigte  Hauk an,  bei Gesetzesteilen, die im Bundesrat zustimmungspflichtig seien, Verbesserungen aushandeln zu wollen.
Gegenüber dem BLHV sprach Hauk in einer Videokonferenz am 13. Februar davon, dass beim Insektenschutzpaket in den nächsten Wochen noch „Feinschliff” erforderlich sei. Beispielhaft nannte Hauk folgende Punkte, die im weiteren Verfahren noch zu konkretisieren seien:
  • Im Insektenschutzgesetz sollen FFH-Mähwiesen als „gesetzlich geschützte Biotope” ausgewiesen werden. Schon bislang gelte zwar über das Naturschutzrecht ein rechtlicher Grundschutz, dieser werde durch den Biotopschutz allerdings erweitert. Hier sei zum Beispiel  noch zu klären, dass ausreichend Ausnahmemöglichkeiten, zum Beispiel für den Herbizideinsatz bei Problemverunkrautung und zur Verkehrssicherungspflicht, möglich seien.
  • Auch in Biosphärenreservaten und Wasserschutzgebieten müssen laut Stuttgarter Landwirtschaftsministerium (MLR) praxisnahe Ausnahmeregelungen in den Blick genommen werden.
  • Insgesamt sollten laut MLR die Ausnahmeregelungen zur Anwendung von Pflanzenschutzmaßnahmen, die in der Pflanzenschutz-Anwendungsverordnung stehen,  differenzierter formuliert werden.
Für Egon Busam, Vizepräsident des BLHV und Teilnehmer an der Online-Konferenz am 13. Februar mit Minister Hauk, steht außer Zweifel, dass „die Dinge, die im Eckpunktepapier vereinbart wurden, im Biodiversitätsstärkungsgesetz des Landes Gültigkeit haben müssen”. „Alles andere wäre nicht zielführend und Wortbruch”, so der Vizepräsident des BLHV. Bereitschaft des Berufsstandes, Naturschutzbelange zu berücksichtigen, sei vorhanden. „Um den Pflanzenschutz in Naturschutzgebieten weiter zu ermöglichen, wäre ich dafür, die Anwendung der Richtlinien der Integrierten Produktion (IP) im Ackerbau fortzuführen und zu verbessern”, betont Busam beispielsweise.