Mehr Offenheit gegenüber ihren Kritikern erwartet Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner von der Landwirtschaft. Die Branche müsse „raus aus der Verteidigungshaltung” und sich einbringen in die Diskussion um eine zukunftsgerichtete Agrarpolitik.
Für ihre Agrarpolitik zieht die Ministerin den Schluss, dass sie die Anliegen der Konsumenten ebenso ernst nimmt wie die der Landwirte.
„Es ist nicht alles falsch, sachfremd oder überzogen, was an die Landwirtschaft heute herangetragen wird”, sagte Klöckner in einer Grundsatzrede beim Politischen Erntedank am 10. Oktober in Berlin. Landwirtschaft dürfe nicht nur unter sich stattfinden, mahnte die CDU-Politikerin. Stattdessen müsse sie „erklären, sich öffnen, diskutieren und akzeptieren, dass manche gängige Praxis gerade in der Tierhaltung nicht mehr den gesellschaftlichen Erwartungen entspricht”.
Insbesondere in diesem Bereich hält die Ministerin der Landwirtschaft gravierende Versäumnisse vor. Man müsse erkennen, dass Praktiken, „die vielleicht zwar den Vorschriften und Ausnahmegenehmigungen genügen”, in Frage gestellt würden. Als Beispiele nannte sie das Töten männlicher Küken, das Schwänzekupieren und das Schnäbelkürzen.
„Demonstrative Verteidigungshaltung bringt hier keinen weiter”, warnte Klöckner. Nicht zuletzt in der Auseinandersetzung um die Tierhaltung sei Differenzierung angesagt: „Klein ist nicht immer gleich besser, groß auch nicht.”
Landwirtschaft ist Hightech
Für die zunehmende Entfremdung in Teilen der Gesellschaft von der
Landwirtschaft macht Klöckner die Branche selbst verantwortlich. Sie
habe es über viele Jahre nicht geschafft, „selbst mutig, mit
Leidenschaft, mit Überzeugung ein modernes Bild der Landwirtschaft zu
zeichnen”.
Umso mehr gelte es jetzt zu vermitteln, dass Technik auch in der
Landwirtschaft für Sicherheit und Innovationen stehe. „Landwirtschaft
ist heute Hightech”, so die Ministerin. Stichworte dafür seien GPS,
Drohne, Traktor mit präziser digitaler Technik und Roboter im Stall.
Einen Schlüssel für die weitere Entwicklung der Agrarwirtschaft sieht
Klöckner insbesondere in der Digitalisierung. Sie biete Instrumente für
mehr Tierwohl, mehr Nachhaltigkeit und mehr Transparenz.
Als ihr Leitbild für eine zukunftsfähige Agrarpolitik skizzierte
Klöckner eine Landwirtschaft, die wirtschaftlich ist und technische
Entwicklungen nutzt. Diese müsse zugleich ein hohes Maß an Verantwortung
gegenüber nachfolgenden Generationen zeigen sowie tiergerecht und
nachhaltig sein. Schließlich müsse die Landwirtschaft zur Attraktivität
ländlicher Regionen beitragen.
Zudem müsse den Akteuren klar sein, dass
Wertschätzung keine Einbahnstraße sei: „Landwirtschaft muss auch
Wertschätzung entgegenbringen, den Verbrauchern, den Kunden.” Daher
müsse Landwirtschaft auch wertschätzend sein.
Nicht weiter so, aber auch nicht Agrarwende
Für ihre Agrarpolitik zieht die Ministerin daraus den Schluss, dass
sie die Anliegen der Konsumenten ebenso ernst nimmt wie die der
Landwirte. Wichtig sei, dass Landwirtschaft Zielkonflikte adressiere,
etwa zwischen Wettbewerbsfähigkeit und Tierwohl, Erntesicherung und
Pflanzenschutzmittelreduktion, Umweltschutz und Tierwohl oder auch der
Entwicklung neuer, klimastressresistenterer Pflanzen und den Folgen der
gesellschaftlichen Ablehnung dieser Techniken.
Für die Zukunft erteilte
Klöckner sowohl einem „schlichten Weiter so” als auch einer „eruptiven
Agrarwende” eine Absage. Gefragt sei vielmehr eine stetige Entwicklung
„mit all der Komplexität,
die unsere Landwirtschaft ausmacht”.