Politik | 07. Juni 2018

Prämien kappen und mehr Spielraum bieten

Von AgE
In ihrem Entwurf zur Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) nach 2020 schlägt die Europäische Kommission eine obligatorische Kappung der Direktzahlungen ab 100000 Euro pro Betrieb vor. Bereits ab 60000 Euro ist zudem eine degressive Kürzung vorgesehen. Für Junglandwirte ist eine Extra-Förderung geplant.
Wer soll wieviel für was bekommen? Die EU-Kommission hat jetzt offiziell ihre Vorstellungen von der künftigen EU-Agrarpolitik präsentiert.
Die EU-Kommission präsentierte ihre Vorstellungem von der GAP nach 2020 offiziell am Freitag voriger Woche.
So sollen die Prämienansprüche zwischen 60000 Euro und 75000 Euro um 25 Prozent, ab 75000 Euro bis 90000 Euro um die Hälfte sowie ab 90000 Euro bis 100000 Euro um 75 Prozent gekürzt werden. Mehr als 100000 Euro soll kein landwirtschaftlicher Betrieb mehr als Flächenbeihilfe erhalten. Allerdings sollen noch jeweils die Arbeitskosten berücksichtigt werden, und zwar entsprechend den landesspezifischen Arbeitslöhnen.
Kleinere und mittlere Betriebe bevorzugen
Das bedeutet, dass die Kappung für die Betriebe in Ostdeutschland weniger stark als für betroffene Unternehmen in Bulgarien und Rumänien greifen würde.
EU-Agrarkommissar Phil Hogan räumte ein, dass eine Obergrenze durch formelle Betriebsteilungen umgangen werden könne. Die Kommission beabsichtige aber nicht, dem einen Riegel vorzuschieben. Der Ire zeigte sich zuversichtlich, dass die Mitgliedstaaten seinen Bemühungen, die EU-Agrargelder „gerechter” und schwerpunktmäßig auf kleinere und mittlere Betriebe zu verteilen, in den Verhandlungen zur GAP nach 2020 Rechnung tragen werden. Die Grundstruktur der gegenwärtigen GAP mit Erster und Zweiter Säule bleibe erhalten.
Darüber hinaus will die Kommission an ihren bereits im November vorgestellten Planungen zur GAP festhalten, wonach die Mitgliedstaaten mehr Spielraum bei der nationalen Umsetzung erhalten sollen. Von den EU-Ländern sollen dazu  „Strategiepläne” ausgearbeitet werden. Die Kommission betont jedoch, dass sie die Rahmenbedingungen vorgeben und streng überwachen werde. So sollten eine Renationalisierung sowie ungleiche Wettbewerbsbedingungen in den Mitgliedsländern verhindert werden.
Umwelt- und Klimaschutz
Die Mitgliedstaaten sollen zudem mehr Flexibilität bei den ihnen zugewiesenen Mitteln erhalten, damit sie „maßgeschneiderte” Programme ausarbeiten können. Zudem würden die EU-Staaten die Möglichkeit bekommen, bis zu 15 Prozent der zugewiesenen Mittel für Direktzahlungen auf Maßnahmen zur Entwicklung des ländlichen Raums und umgekehrt zu übertragen. Damit solle sichergestellt werden, dass spezifische Prioritäten und Maßnahmen auch finanziert werden können. Die Kommission bekräftigte zugleich den Willen, die Leistungen und die Fortschritte der einzelnen Länder im Zusammenhang mit den vereinbarten Zielen „aus nächster Nähe” zu verfolgen.
Des Weiteren sollen die Mitgliedsländer 15 Prozent des GAP-Budgets für Maßnahmen des Umwelt- und Klimaschutzes verwenden dürfen. Agrarkommissar Hogan erklärte zudem, dass sämtliche Zahlungen aus der Ersten Säule von der Bedingung einer guten fachlichen Praxis abhängen sollen. Bisher seien dies nur 30 Prozent durch das vergleichsweise „bürokratische” Greening gewesen. Dies sei ein „echter” Fortschritt für den Umweltschutz, so der Ire. Der Kommission zufolge sollten mindestens 30 Prozent der nationalen Mittel und 40 Prozent der Gesamtmittel in der Zweiten Säule dem Umwelt- und Klimaschutz gewidmet werden. Darüber hinaus sei geplant, mit Instrumenten zur Reduzierung des Marktrisikos den Landwirten unter die Arme zu greifen und diesen bei der Risikovermeidung beziehungsweise -reduzierung zu helfen.
Flächenprämien weiter angleichen
Die Mitgliedstaaten könnten auch dazu Mittel aus der Zweiten Säule nutzen. Im Einzelnen seien Zuschüsse zu Prämien für Versicherungssysteme sowie Finanzhilfen zu Investmentfonds einschließlich der Erstattung von Verwaltungskosten für dessen Gründung vorstellbar. Ferner soll gemäß den Vorstellungen der EU-Kommission die Höhe der Flächenprämien in den Mitgliedsländern weiter angeglichen werden. Alle EU-Staaten sollen gleichermaßen dazu beitragen. Dies würde vorwiegend die Betriebe in den älteren Mitgliedsländern treffen, unter anderem die Landwirte in Deutschland, Frankreich und Italien, da sie aktuell noch höhere Hektarbeihilfen als die Landwirte in den mittel- und osteuropäischen Staaten erhalten.
Zwei Prozent für Junglandwirte
Die EU-Kommission schlägt vor, zwei Prozent der Direktzahlungen je Mitgliedstaat für Junglandwirteförderung zu verwenden.
Allerdings müssten auch einzelne jüngere EU-Länder mit Kürzungen rechnen, so etwa Ungarn. Von der Angleichung profitieren würden vor allem die drei baltischen Staaten sowie Rumänien und Portugal. Die Kommission verwies im Zusammenhang mit ihrem GAP-Vorschlag erneut auf ihre Pläne zum Mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) von 2021 bis 2027. Dieser umfasse bei aktueller Preislage insgesamt 365 Milliarden (Mrd.) Euro für die GAP, was einem durchschnittlichen Anteil von 28,5 Prozent am EU-Gesamthaushalt für diesen Zeitraum entspreche. Von den GAP-Mitteln sind der Kommission zufolge 265,2 Mrd. Euro für die Direktzahlungen vorgesehen, 20 Mrd. Euro für Marktstützungsmaßnahmen und 78,8 Mrd. Euro für den Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des Ländlichen Raums (ELER). Weitere 10 Mrd. Euro würden im Rahmen des EU-Forschungsprogramms Horizon Europe den Mitgliedstaaten zur Verfügung gestellt. Mit diesem Geld solle  in Forschungsvorhaben und Innovationen in den Bereichen Ernährung, Landwirtschaft, ländliche Entwicklung und Bioökonomie investiert werden. Ferner sollen nach ihrem Vorschlag zwei Prozent der Direktzahlungen je Mitgliedstaat für Förderprogramme speziell für Junglandwirte Verwendung finden.
Auch sollen die Mitgliedsländer über verschiedene Maßnahmen Land- und Flächenübertragungen erleichtern. Dadurch erhofft sich die Brüsseler Behörde, dem demografischen Wandel auf dem Land entgegenwirken zu können. Darüber hinaus soll es den Mitgliedstaaten gestattet sein, Hektarbeihilfen von den größeren auf die kleineren und mittleren Betriebe umzuverteilen.
EU-Parlament rechnet mit 15 Prozent weniger fürs Agrarbudget
Das Europäische Parlament rechnet mit höherer Kürzung des EU-Agrarbudgets ab 2021 (Mehrjähriger Finanzrahmen –  MFR,  bis 2027), als die EU-Kommission bislang vorgerechnet hat. Auf der Grundlage eigener Berechnungen kam das Parlament  zu dem Schluss, dass die Etatkürzung bei etwa 15 Prozent liegen würde.
Haushaltskommissar Günther Oettinger hatte bei der Vorstellung des MFR Anfang Mai dagegen von Einsparungen bei der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) von fünf Prozent gesprochen. Auf den EU-Kohäsionsfonds kämen dem EU-Parlament zufolge Einschnitte in Höhe von zehn Prozent zu, und nicht von sieben Prozent, wie von der Kommission behauptet. Die aus Sicht der Abgeordneten von der Kommission nicht richtig dargestellten relativen Kürzungen ergeben sich ihnen zufolge aus „unzulässigen” Vergleichen der nominalen Zahlen des gegenwärtigen und des kommenden MFR. So sei die Inflation nicht eingerechnet worden. Mitberichterstatterin Isabelle Thomas bezeichnete die Kommissionszahlen als Teil eines „politischen Märchens”. Gebraucht werde aber ein fairer und transparenter Haushaltsvorschlag.
Kritik und Zustimmung – BLHV sieht auch positive Ansätze
In Deutschland sind die Brüsseler Legislativvorschläge zur Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) nach 2020 in Politik und Verbänden überwiegend kritisch aufgenommen worden. Zu den wenigen Ausnahmen gehört die Reaktion aus dem Stuttgarter Landwirtschaftsministerium:  „Der Vorschlag der Kommission zu den Eckpunkten und der Ausgestaltung der GAP nach 2020 enthält eine Reihe von guten Ansätzen, die auch auf Baden-Württemberg passen”, sagte der Minister für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz, Peter Hauk, am 1. Juni in einer ersten Stellungnahme.  Die mit einem individuellen Lohnkostenfaktor gewichtete Kappung der Direktzahlungen pro Betrieb sei eine angemessene Reaktion auf die im Mehrjährigen Finanzrahmen vorgesehene Kürzung der GAP-Mittel im EU-Haushalt. Hauk kündigte eine intensive Prüfung des Entwurfs unter enger Einbeziehung der Partner des ländlichen Raums an.
Der BLHV wird die Vorstandssitzung am 8. Juni nutzen, um sich mit den Vorschlägen der EU-Kommission zu befassen, kündigte Präsident Werner Räpple an. Grundsätzlich kritisch sieht Räpple die angekündigte Kürzung des EU-Agrarbudgets. „Die Aufgaben werden mehr und die Fördermittel sind eine wichtige Einkommensstütze”, begründete er seine Sichtweise. Positiv bewertet er, dass die EU-Kommission einen Förderschwerpunkt auf kleinere und mittlere Betriebe legen wolle. Dass die Regionen mehr Verantwortung und eigenen Spielraum bekommen sollen, begrüßt Räpple ebenso. Wichtig sei, dass angekündigte Vereinfachungen auch bei den Landwirten ankommen, so der Präsident.
Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner sprach von „Licht und Schatten”. Während die CDU-Politikerin ein Festhalten an den Direktzahlungen im Grundsatz begrüßte, sprach sie sich gegen eine verpflichtende Kappung der Direktzahlungen bei 100000 Euro je Betrieb aus. Enttäuscht zeigte sich Bundesumweltministerin Svenja Schulze. Die Vorschläge der EU-Kommission hielten nicht, „was in den bisherigen Verlautbarungen aus Brüssel zu mehr Umwelt in der Landwirtschaft versprochen wurde”, bedauerte die SPD-Politikerin. Unterschiedliche Signale sendeten die Bundestagsfraktionen. Die Union räumte ein, dass wichtige Anliegen wie die Beibehaltung der Zwei-Säulen-Struktur berücksichtigt worden seien, machte aber erheblichen Nachbesserungsbedarf geltend. Die SPD zeigte sich weitgehend zufrieden. Harsche Kritik kam  aus den Reihen der Opposition.
Kritisch äußerte sich auch der Präsident des Deutschen Bauernverbandes (DBV), Joachim Rukwied. Nach seiner Auffassung gehen die Vorschläge der Kommission „in wichtigen Punkten in eine falsche Richtung”. Die Umweltverbände hielten der Brüsseler Administration eine vertane Chance und eine rückwärtsgewandte Politik vor.
Sein Unverständnis äußerte Rukwied zu den Plänen, die Umweltauflagen für die Direktzahlungen deutlich zu erhöhen und zugleich das Agrarbudget spürbar zu kürzen. „Insgesamt sollen die Direktzahlungen ihre bisherige Funktion der Unterstützung landwirtschaftlicher Einkommen weitgehend verlieren”, monierte der Bauernpräsident. Durch die vorgesehenen größeren Freiräume für die Mitgliedstaaten bei der Gestaltung ihrer Agrarförderung drohten neue Verzerrungen innerhalb der EU. Einen „falschen Weg” nannte Rukwied die vorgesehene verpflichtende betriebliche Kappung von Direktzahlungen. Schließlich sei kein durchgreifender Bürokratieabbau erkennbar. Hohe Erwartungen hat der DBV-Präsident in den weiteren politischen Verhandlungen. Ziel müsse es sein, noch wichtige Veränderungen zu erreichen. Die Direktzahlungen müssten weiter einkommensstützend wirken.
Die Erste Säule dürfe nicht umweltpolitisch überfrachtet werden. „Wir erwarten zumindest ein stabiles Agrarbudget, eine behutsame Weiterentwicklung der Fördermaßnahmen und eine wirkliche Vereinfachung”, betonte Rukwied. Statt Kappung und Degression sei aus DBV-Sicht einzig der Zuschlag für die ersten Hektare bis zur durchschnittlichen Betriebsgröße geeignet, die unterschiedlichen Strukturen der Betriebe zu berücksichtigen.
Die EU-Ausschüsse der Bauernverbände (COPA) und ländlichen Genossenschaften (COGECA) gaben sich kritisch zu dem GAP-Entwurf der Kommission. Sie fordern deutliche Verbesserungen am Entwurf der Kommission. Andernfalls drohe eine Verschlechterung der landwirtschaftlichen Einkommen, warnten die beiden Dachverbände. Zudem vermissen sie in dem Entwurf „echte” Vereinfachungen der GAP-Regelungen. Von zentraler Bedeutung sei es, dass jegliche Renationalisierung der GAP verhindert werde und diese auch nach 2020 auf einem stärkeren Haushalt fuße.