Pflanzenbau | 08. Dezember 2016

PFC-Modellregion wider Willen

Von Gernot Raiser
Am 1. Dezember hat das Landratsamt Rastatt die Öffentlichkeit über den aktuellen Stand der PFC-Belastung von Böden und Wasser informiert. Dreierlei wurde klar: Es besteht keine aktute Gesundheitsgefahr, die Behörden arbeiten intensiv an Gegenmaßnahmen und diese werden sehr, sehr teuer.
Gut besucht, aber keineswegs überfüllt war die PFC-Informationsveranstaltung im Landratsamt Rastatt am 1. Dezember.
Mit 400 ha PFC-belasteten Ackerflächen hat Mittelbaden derzeit wohl das größte Umweltproblem Baden-Württembergs”, stellte Rastatts Landrat Jürgen Bäuerle zu Beginn der Veranstaltung fest. Er gab angesichts der Versuche von Umweltverbänden und Medien, die Situation zu skandalisieren, zu bedenken: „Diese Chemikalien machen weltweit Probleme, und nirgendwo gibt es Lösungen dafür.”  Bäuerle betonte, dass die Sicherheit der Bevölkerung gewährleistet sei.
Nicht ganz klar ist momentan, wer die Beseitigung des Umweltschadens letztlich bezahlt. Schon die bisherigen Maßnahmen zur Schadensfeststellung und -begrenzung waren Hunderttausende Euro teuer. Die kommenden immensen Kosten für Detailuntersuchungen zum Umfang und zur Ausbreitung des Schadens sowie für eine Sanierung will die öffentliche Hand nicht tragen.
Wer bekommt den Schwarzen Peter?
Aus ihrer Sicht sind grundsätzlich die im Amtsdeutsch „Störer” genannten Verursacher und/oder Pächter und/oder Grundstückeigentümer finanziell haftbar – so die offizielle Lesart der Behörden. Diese „fahnden” im Augenblick vor allem nach sogenannten verantwortlichen „Handlungsstörern”.
Eine juristische Unklarheit innerhalb der Haftungsfrage ist, dass sich der Tatbestand einer Störung, wie sie  im Bodenschutzgesetz des Bundes formuliert ist, auf Einzelfälle bezieht. Eine flächenhafte Kontamination mit vielen hundert Hektar und vielen hundert Eigentümern – wie im Fall PFC um Rastatt und Baden-Baden – das gab es bisher nicht und ist im Gesetzestext auch nicht vorgesehen.
Insbesondere die  Haftung der Grundstückseigentümer – auch ohne eigenes Verschulden – stellt juristisches Neuland dar und ist nicht einfach durchzuführen, gibt Dr. Christian Stoll zu bedenken, der Leiter des Amtes für Baurecht, Naturschutz, Recht und Ordnung beim Landratsamt Rastatt.
Auch müsse der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit berücksichtigt werden, ergänzt Jürgen Bäuerle. Die gute Nachricht lautet: Grundstückseigentümer können seiner Ansicht nach nicht mit ihrem gesamten persönlichen Vermögen in Haftung genommen werden. Die schlechte besteht darin, dass mindestens der Verkehrswert des Grundstückes in Anschlag gebracht wird – wobei ein Zuhörer einwarf, dass ja bei belasteten Flächen der aktuelle Verkehrswert gegen null tendiere. Bäuerle machte in seiner Antwort den Verkehrswert vor Feststellung der Kontamination geltend. Auch private und gewerbliche Bauherren können direkt von der PFC-Verschmutzung betroffen sein. Wenn das betreffende Baugrundstück belastet ist, kann sich ein Neubau zum finanziellen Kraftakt auswachsen. Denn der kontaminierte Erdaushub muss sicher aufbereitet oder deponiert werden. Beides ist immens teuer. Im Augenblick ist nicht eimal klar, ob und auf welchen Deponien PFC-Erde überhaupt entsorgt werden darf. Auch die Frage, ob der Verkäufer oder Käufer der Grundstücks zahlen muss, befindet sich noch in der Schwebe.
Ursachenforschung
Aus welcher Quelle die PFC-Kontamination stammt, muss erst noch abschließend in einem gerichtlichen Hauptsacheverfahren geklärt werden. Im Augenblick sind verschiedene Eintragspfade denkbar. Gleichwohl deuten mehrere Indizien darauf hin, dass es mit Papierschlamm vermischter Kompost war.
Dr. Gabriel Striegel vom Regierungspräsidium Karlsruhe erläuterte hierzu die Sicht der Behörden.  Aus der Fahnenlänge, also aus der Länge des Verfrachtungsweges der Schadstoffe im Grundwasser – kombiniert mit der Fließgeschwindigkeit des Grundwassers – könne man, so Striegel, schließen, dass der Eintrag in die Böden in den vergangenen zehn Jahren stattgefunden haben müsse.
 Klärschlämme, die ja wegen ihrer Schadstofffrachten in Verruf geraten sind, wurden in den fraglichen zehn bis zwölf Jahren nur in Einzelfällen ausgebracht, sie kommen als Ursache also nicht infrage. Gleiches gilt für Dünge- und Pflanzenschutzmittel, die ja bundesweit in identischer chemischer Zusammensetzung zum Einsatz kommen und demnach auch bundesweit zu Kontaminationen geführt haben müssten – worüber bisher nichts bekannt ist.
Die Bodenproben rund um Rastatt und Baden-Baden haben ergeben, dass keine breitflächige Belastung mit PFC vorliegt, sondern sich das Vorkommen flächenscharf nachweisen lässt. Oft ist es so, dass eine Parzelle mit PFC belastet ist, eine andere direkt daneben jedoch nicht. Das bedeutet: Es liegt ein ursächlicher Zusammenhang mit der landwirtschaftlichen Bewirtschaftung nahe. Einzelereignisse wie Unfälle, Schadensfälle, der Einsatz von Löschschaum oder der Eintrag über den Luftpfad – Deposition, Flugbenzin, Verwehung von Löschmitteln – kommen aller Wahrscheinlichkeit nicht infrage, ist das Regierungspräsidium Karlsruhe überzeugt.
Was mit Papierschlamm vermischte Komposte als vermutete Ursache der PFC-Emission betrifft, kann bisher zwar nicht in allen, aber doch in vielen Fällen nachgewiesen werden, dass die fraglichen Komposte im fraglichen Zeitraum auf die heute kontaminierten Äcker ausgebracht worden sind.
Dr. Ulrich Roßwag vom Regierungspräsidium Karlsruhe beklagte, dass ausgerechnet Winterweizen als ökonomisch wertvollste Getreideart auf PFC-belasteten Ackerböden besonders viel von den Schadstoffen aufnimmt. Und wo bewässert werde, müsse das Wasser PFC-frei sein.
Roßwag betonte hinsichtlich der behördlichen ackerbaulichen Maßnahmen gegen PFC das „sehr gute Miteinander” mit den betroffenen Landwirten. Diese würden auf rein freiwilliger Basis Anbaueinschränkungen und massive finanzielle Einbußen tragen, weil ihnen die Qualitätssicherung der von ihnen erzeugten Lebensmittel wichtig sei.