Land und Leute | 07. Juni 2018

Oldtimer kamen locker bis zum Atlantik

Von Südbaden nach Machecoul an den Atlantik sind es über 1000 Kilometer. Die kann man auch mit dem Traktor zurücklegen, wie eine Delegation mit Oldtimer-Schleppern aus Ühlingen-Birkendorf unter Beweis gestellt hat.
Klaus Müller und Franz Thoma unterbreiteten  ihren Oldtimer-Freunden die  verwegene Idee,  die 45 Jahre währende Städtepartnerschaft mit der französischen Stadt Machecoul mit einer Traktorfahrt zu besiegeln. Dies wäre nicht unbedingt etwas Besonderes, läge das in der Nähe von Nantes gelegene Machecoul nicht über 1000 Kilometer von Ühlingen-Birkendorf entfernt an der Atlantikküste.
Bei der Ankunft nach über 1000 Kilometern wurde gefeiert.

Mindestens alle fünf Jahre findet ein Austausch zwischen den Partnergemeinden statt. So gaben die örtlichen Vereine schon zweimal ihren französischen Freunden Nachhilfe in Sachen alemannische Fasnet und ihre Bräuche. Vor fünf Jahren radelte eine Gruppe Radfahrer an den Atlantik. Gegenbesuche lassen meist nicht lange auf sich warten. „Wir überlegen immer wieder neue Ideen, wie wir die Freundschaft lebendig halten”, sagt der  Landwirt und Traktorfan Klaus Müller, der auch Ortsvorsteher von Ühlingen ist.
Von der Idee der Schlepperfahrt zeigten sich nicht nur die Oldtimer-Enthusiasten begeistert,  sondern auch der Freundeskreis und die Gemeinde. Eine einjährige Vorbereitungsphase folgte. Als „Späher” stellten sich Franz und Sabine Thoma zur Verfügung, die über Ostern 2017 mit ihrem Auto eine Route ausfindig machten. „Wir hatten schon riesigen Respekt vor der großen Strecke und überlegten, was wir machen, wenn jemand gesundheitliche Problem bekommt oder wenn ein Traktor liegen bleibt”, sagt Müller. Er selbst restaurierte im Hinblick auf die Fahrt mit fachlicher Unterstützung einen 55 Jahre alten  John Deere Lanz von Grund auf.
Auch ein Unimog dabei
Auch ein Unimog dabei Am  7. Mai starteten Klaus Müller (John Deere Lanz 300, Baujahr 1963, 28 PS), Franz und Sabine Thoma (Porsche Junior, Baujahr 1959, 14 PS), Markus und Christine Thürnagel (Bürer, Baujahr 1960, 30 PS), Werner Weber (Unimog, Baujahr 1983, 52 PS) und Jannik Schäuble. Letzterer wollte die Strecke mit seinem 50-Kubikzentimeter-Mofa (1,5 PS) zurücklegen. Bald musste er erkennen, dass dieser Plan doch zu kühn war. Also wurde das Zweirad des 21-Jährigen auf den mitgeführten Anhänger verladen, mit dem Werkzeug, Öl und auch eine Abschleppstange mitgeführt wurden.  
Ein Wohnmobil begleitete den Tross auf der  Strecke, die in zehn Etappen  eingeteilt war. „Anfangs haben wir noch auf jedes ungewöhnliche Traktorengeräusch gehört, doch die anfängliche Unsicherheit wechselte nach den ersten reibungslos verlaufenen Etappen in riesiges Vertrauen in unsere Oldies”, sagt Müller.  Alle zwei Stunden gönnte man Mensch und Maschine eine Pause. Die Sitzauspolsterung mit Kissen und das Tragen von Nierengurten wurden ihnen mit schmerzfreien Rücken gedankt.
„Bis auf eineinhalb Tage Regen hatten wir schönes Wetter bei manchmal auch etwas frischen Temperaturen”, sagt Müller, der wie seine Mitstreiter vom Schlepper aus Frankreich richtig kennenlernte.  „Wir rochen die blühenden Rapsfelder, das getrocknete Heu und das frisch gemähte Gras. Wir sahen Scharen von Weidetieren, meist weiße  Charolais-Rinder, aber auch Holsteins. Wir fuhren an riesigen Feldern entlang, die scheinbar keinen Anfang und kein Ende hatten, kein Vergleich zu unseren Flächen. Frankreich ist ein Agrarstaat, das bestätigte uns die Fahrt. Von der erhöhten Sitzposition aus konnte man bei gemächlicher Geschwindigkeit in die Gärten reinschauen und sehen, wie die Menschen leben”, zeigt sich der Traktor-Enthusiast immer noch beeindruckt von Land und Leuten.
Die Traktor-Gruppe sei überall aufgefallen. „Die Menschen haben gewunken, die Daumen hochgehalten oder auch applaudiert”, sagt Müller. Während der Fahrt kamen immer wieder Presseleute, die über das Projekt berichteten. Auch die Gruppe untereinander habe trotz des großen Altersunterschieds, der Jüngste war 21 und der Älteste über 70 Jahre, sehr gut harmoniert.  
Die letzte Etappe endete am  18. Mai in Machecoul, wo man mit Trikolore und deutscher Fahne begeistert empfangen wurde. „Die haben sich alle riesig gefreut, es war sehr emotional”, beschreibt Müller den Empfang, bei dem auch der Bürgermeister von Ühlingen-Birkendorf, Tobias Gantert, zugegen war.  Nach großem Fest und einer weiteren 20 Kilometer langen Traktorfahrt an den Atlantik durften die Zugpferde per  Sattelzug die Heimreise antreten.