Politik | 27. Februar 2020

Ohne Ergebnis nach Hause gefahren

Von AgE
Erwartungsgemäß schwierig gestalten sich die Verhandlungen der Mitgliedstaaten über den Mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) 2021 bis 2027 und damit auch über den künftigen EU-Agrarhaushalt.
Andere Prioritäten: Deutschland sprach sich gegen Beitragserhöhungen aus, fordert aber mehr Geld für Forschung und Entwicklung. Einschnitte beim Agrarbudget würde man eher hinnehmen.
Die Gespräche zwischen den Staats- und Regierungschefs endeten am vergangenen Freitagabend  in Brüssel ohne Ergebnis. Ein neuer Termin für ein weiteres Treffen konnte noch nicht genannt werden.
Der von EU-Ratspräsident Charles Michel in der vorletzten Woche vorgelegte Verhandlungsvorschlag (siehe auch Kasten unten) war bereits im Laufe des  Donnerstags weitgehend verworfen worden. Derweil sah das zuletzt in Brüssel zirkulierende Kompromisspapier für die gesamten sieben Haushaltsjahre eine Anhebung der Gelder für die landwirtschaftlichen Direktzahlungen und Marktstützungsmaßnahmen von zwei Milliarden (Mrd.) Euro gegenüber dem Kommissionsvorschlag vor. Die Zweite Säule sollte demnach mit 2,4 Mrd. Euro sogar noch etwas mehr an zusätzlichen Mitteln erhalten. Insofern würde die Kürzung am gesamten EU-Agrarhaushalt etwas unter der liegen, die die Kommission vorgesehen hatte.
„Sparsame Vier” gegen „Kohäsionsfreunde”
Der Beitrag der Mitgliedstaaten sollte sich dem Vorschlag zufolge auf 1,069 Prozent des Bruttonationaleinkommens (BNE) belaufen. Während die Gruppe der „Sparsamen Vier” – Österreich, Dänemark, Schweden und die Niederlande – eine Beitragserhöhung weiter ablehnte, forderten die „Kohäsionsfreunde”, zu denen Spanien, Portugal sowie Polen und Ungarn zählen, höhere Beiträge und mehr Geld sowohl für die Kohäsion als auch für die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP). Der letzten Forderung schloss sich auch Frankreich an.
Deutschland sprach sich indes gegen Beitragserhöhungen aus und forderte gleichzeitig unter anderem mehr Geld für Forschung und Entwicklung zur Bewältigung neuer Herausforderungen. Dafür würde Berlin eher Einschnitte bei der GAP hinnehmen.
Druck vom Parlament
Bereits im Vorfeld des Treffens der Staats- und Regierungschefs hatten führende Vertreter des Europaparlaments die Vorschläge von EU-Ratspräsident Michel zum MFR zurückgewiesen. Parlamentspräsident David Sassoli erklärte, dass die Vorlage aus seiner Sicht von einem akzeptablen Vorschlag noch weit entfernt sei. Seitens des Parlaments stießen unter anderem die im Michel-Papier vorgesehenen Kürzungen der GAP-Mittel auf deutliche Kritik; die Europaabgeordneten fordern bekanntlich einen zumindest stabilen EU-Agraretat. Moniert wurden auch die „Verwässerungen” zu dem von der Kommission vorgeschlagenen Sanktionsmechanismus bei Verstößen gegen die Rechtsstaatlichkeit.
Derweil wächst bei den EU-Agrarpolitikern die Sorge, dass im Rahmen des Kapitels für das Forschungsrahmenprogramm „Horizon Europe” die von der Kommission eingeplanten 10 Mrd. Euro für die Agrarforschung gekürzt werden könnten.
Leistungen anerkennen
Mit Nachdruck hatten auch nochmals die Präsidenten der EU-Ausschüsse der Bauernverbände (COPA) und der ländlichen Genossenschaften (COGECA), Joachim Rukwied und Ramon Armengol, die Forderung nach einem stabilen Agrarbudget bekräftigt. Nur so könnten die ehrgeizigen Ziele zum Klimaschutz, zur Artenvielfalt und zu Wachstum und Arbeitsplätzen erreicht werden, hieß es in einem Schreiben beider Verbandspräsidenten unter anderem an EU-Ratspräsident Michel, Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron.  Zudem stelle der Haushalt der GAP eine „sehr geringe Investition” dar, die jedoch im Gegenzug bedeutende und weitreichende positive Effekte für die europäischen Bürger erbringe.
In dem Schreiben forderten Rukwied und Armengol außerdem, dass größere Leistungen der Landwirte für die Umwelt und den Klimaschutz finanziell anerkannt werden müssten. Zugleich erinnerten beide daran, dass die Landwirte und ihre Genossenschaften ein entscheidender Faktor bei der Umsetzung des Green Deal sein dürften.
Kopfschütteln wegen Kürzungsplänen
Mit seinen Kürzungsvorschlägen zum Budget der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) nach 2020 hat sich EU-Ratspräsident Charles Michel harsche Kritik von EU-Agrarpolitikern sowie von Vertretern der Landwirtschaft und des ländlichen Raums eingehandelt. Einhellig kritisierten die Teilnehmer der Konferenz „Lokale Stimmen stärken: Gestaltung der ländlichen Entwicklung in der GAP 2020” am 18. Februar in Brüssel vor allem die von Michel im Hinblick auf den Mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) 2021 bis 2027 angepeilten Einschnitte in der Zweiten Säule der GAP.
Zwar soll es dem Vorschlag des Belgiers  zufolge mit zusätzlich rund 2,5 Milliarden (Mrd.)  Euro etwas mehr Geld für die Erste Säule geben. Die von der finnischen Ratspräsidentschaft im Dezember vorgeschlagenen zusätzlichen 10 Mrd. Euro für die Zweite Säule sollten laut Michel allerdings zugunsten des neu zu schaffenden „Fonds für einen gerechten Übergang” (JTF) auf 2,5 Mrd. Euro abschmelzen. Der JTF soll mit 7,5 Mrd. Euro ausgestattet werden und als Teil des Green Deal vor allem dazu dienen, Gebiete und Regionen zu unterstützen, die durch den Übergang zur Klimaneutralität vor besonders große Herausforderungen gestellt werden.
Strikt abgelehnt wurden die Pläne Michels, die die Grundlage für die Beratungen des Europäischen Rates ab Donnerstag vergangener Woche (siehe oben) in Brüssel bildeten, vonseiten des Agrarsprechers der Fraktion der Progressiven Allianz der Sozialdemokraten (S&D) im Europaparlament, Professor Paolo De Castro. Der frühere italienische Landwirtschaftsminister bezeichnete den Vorschlag als „inakzeptabel”.
De Castro wies darauf hin, dass sich im Europaparlament nicht nur seine Fraktion, sondern auch die der Europäischen Volkspartei (EVP), der liberalen „Renew Europe” (RE) sowie der Grünen/EFA einhellig für einen stabilen EU-Agrarhaushalt in realen Preisen ausgesprochen hätten.