Politik | 05. September 2024

Özdemirs politischer Erntebericht

Von AgE
Die amtliche Erntebilanz des Bundeslandwirtschaftsministeriums bestätigt eine unterdurchschnittliche Getreideernte in Deutschland. Mit insgesamt 39,4 Millionen Tonnen wird das Vorjahresergebnis deutlich unterschritten. Der Fachminister macht die Klimakrise dafür verantwortlich.
Getreideernten im Sinkflug: Branchenvertreter halten es für dringend geboten, dem stetigen Anbauflächenverlust Einhalt zu gebieten.
Auf 34,5 Millionen (Mio.) Tonnen (t) beläuft sich vorläufigen amtlichen Angaben zufolge die diesjährige Ernte von Halmgetreide in Deutschland. Die Erntemenge, in die Körnermais nicht einbezogen ist, liegt um 9,1 Prozent (%) unter dem Ergebnis des Vorjahres. Für Getreide insgesamt, also einschließlich Körnermais, beläuft sich die Ernteerwartung des Bundeslandwirtschaftsministeriums (BMEL) auf rund 39,4 Mio.t. Im Vergleich zum Vorjahr ist das ein Minus von 7,2 %, im mehrjährigen Vergleich von 6,8 %.
Der Rückgang der Getreideernte  ergibt sich insbesondere aus einer witterungsbedingten Reduzierung der Anbaufläche um knapp 6 % auf 5,27 Mio. Hektar (ha). Die Rapsanbaufläche wurde um 7,3 % auf 1.09 Mio. ha eingeschränkt. Mit 3,6 Mio. t Winterraps wird die Vorjahresmenge um 14,3 % unterschritten.
Gesamtes Wissen und Können gefragt
Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir wertete die am 28. August in Berlin veröffentlichten Daten aus dem Erntebericht 2024 als Beleg, „dass die Klimakrise die Landwirtschaft längst voll erreicht hat.” Für stabile Ernten sei das gesamte Wissen und Können der Landwirtinnen und Landwirte gefragt. Robuste Sorten, resiliente Kulturpflanzen, diversifizierte Fruchtfolgen und veränderte Anbaumethoden könnten dazu beitragen, die Ernte zu stabilisieren. Notwendig seien „Mut, Innovation und ein klarer Kompass Richtung Nachhaltigkeit”.
Der Deutsche Raiffeisenverband (DRV) sieht mit der vorgelegten Bilanz des BMEL seine Schätzungen bestätigt. Die amtliche Zahl von insgesamt 39,4 Mio. t Getreide und 3,6 Mio. t Raps decke sich nahezu mit DRV-Erhebungen von 39,1 Mio. t Getreide. Beim Raps sei man komplett deckungsgleich, sagte DRV-Getreidemarktexperte Guido Seedler. Er hält es angesichts der Erntebilanz  für dringend geboten, dem stetigen Anbauflächenverlust Einhalt zu bieten.
Ernährungssicherheit höher bewerten
Außerdem müsse die Ernährungssicherheit einen höheren politischen Stellenwert bekommen. „Statt auf eine weitere Extensivierung zu setzen, müssen wir nachhaltig mehr auf unseren Flächen produzieren”, betonte Seedler. Nur dann könne Deutschland seine Inlandsnachfrage auf Dauer decken und als Exporteur von Getreide einen Beitrag zur Sicherung der Welternährung leisten.
Für den Naturschutzbund Deutschland (NABU) zeigt der Erntebericht 2024, wie dringend sich die Landwirtschaft an die Folgen der Klimakrise anpassen müsse. „Die Landwirtinnen und Landwirte selbst können der Unberechenbarkeit des Wetters etwas entgegensetzen – durch konsequenten Bodenschutz, vielfältige Fruchtfolgen und robuste Sorten”, so NABU-Präsident Jörg-Andreas Krüger. Voraussetzung dafür sei ein Paradigmenwechsel „weg von kurzfristigen Maximalerträgen bei gleichzeitig hohem Risiko hin zu dauerhaft stabileren Ernten”. Hier habe der Sektor Nachholbedarf.
Die Politik müsse diejenigen fördern, „die auf Nachhaltigkeit und Klimawandelanpassung setzen, statt auf kurzfristige Maximalprofite”. Greenpeace warnte davor, klimabedingten Ernteausfällen „mit noch mehr Pestiziden und Überdüngung” begegnen zu wollen. Das diene lediglich „den Interessen der Agrarindustrie, die selbst aus der Klimakrise ein Geschäftsmodell machen will”.
Winterweizenernte deutlich unter Vorjahr
Die Erntemenge an Winterweizen erreicht in diesem Jahr voraussichtlich 18,0 Mio. t.  Das sind  14,8 % weniger als im Vorjahr. Hinter dem mehrjährigen Durchschnitt bleibt das Ergebnis um 15,7 % zurück. Der vorläufige Hektarertrag liegt bei 72,4 Dezitonnen (dt) und damit um 3,4 % unter dem Vorjahr. Die Anbaufläche verringerte sich gegenüber dem Vorjahr um 11,8 % auf 2,49 Mio. ha.
Demgegenüber ist die Anbaufläche von Wintergerste leicht auf 1,31 Mio. ha gestiegen. Der Ertrag von 67,3 dt/ha bedeutet ein Minus von 9,3 % im Vergleich zum Vorjahr. Mit 8,80 Mio. t fällt die Erntemenge um 8,2 % niedriger aus als 2023. Sogar um 16,7% zurückgegangen ist die Erntemenge beim Roggen. Das Ergebnis von rund 2,6 Mio. t resultiert aus einem im Vergleich zu 2023 um 3,7 % gesunkenen Hektarertrag von 48,1 dt sowie einer Einschränkung der Anbaufläche um 13,4 % auf 541400 ha. Bei Triticale setzte sich der  Anbaurückgang weiter fort. Mit 269300 ha verzeichnete Triticale ein Minus von 13,6 % gegenüber dem Vorjahr.
Die nässebedingten Aussaatprobleme bei Winterweizen  haben dazu geführt, dass die Anbaufläche von Sommerweizen auf rund 85100 ha ausgeweitet wurde. Die Hektarerträge liegen mit 55,7 dt um 30 % über denen des Vorjahres. Die Erntemenge bei Sommerweizen beläuft sich mit 473600 Tonnen auf fast das Vierfache der Vorjahresmenge.
Die Anbaufläche von Hartweizen wurde mit einem Plus von 17,3% das elfte Jahr in Folge ausgeweitet und beträgt nun knapp 48600 ha. Mit 58,9 dt/ha liegt auch der Flächenertrag höher als im Vorjahr. Daraus ergibt sich eine Erntemenge von rund 286100 t. Das sind  20,2 % mehr als  2023. Sommergerste wurde in diesem Jahr auf 362400 Hektar angebaut. Die Fläche wuchs im Vergleich zu 2023 um 12,7 %. Der durchschnittliche Hektarertrag fällt mit 54,4 dt um 23,6 % größer aus als 2023. Daraus ergibt sich mit rund 1,97 Mio. t eine über ein Drittel größere Erntemenge als im Vorjahr. Nach zwei rückläufigen Jahren wurde die Anbaufläche von Hafer wieder ausgeweitet, um 12,4 % auf 156800 ha. Mit knapp 45dt/ha wurden 38,8 % mehr als im Vorjahr geerntet. Die Erntemenge überschreitet mit rund 705000 Tonnen das schwache Vorjahresergebnis um 56,0 Prozent.
Körnermais wächst 2024 auf 503800 ha. Das sind 8 % mehr als 2023. Mit Stand August 2024 zeichnet sich ein durchschnittlicher Hektarertrag von rund 97,2 dt ab. Damit würde das gute Vorjahresergebnis von 96,5 dt um knapp 1 %, der sechsjährige Mittelwert  um 6 % übertroffen. Dank der vergrößerten Anbaufläche ist eine Körnermaisernte von rund 4,90 Mio. t zu erwarten. Dies wären 8,8% mehr als im Vorjahr.
Erste vorsichtige Einschätzungen der Qualität der Getreideernte 2024 lassen auf regional schwankende Ergebnisse schließen. Beim Weizen weisen die bis Mitte August analysierten Proben einen Rohproteingehalt von 11,5 % auf. Bei der letztjährigen Ernte wurden im Schnitt 11,9 % erreicht.
Auch der Sedimentationswert als indirektes Maß zur Bestimmung der Proteinqualität liegt mit 37 Milliliter etwas unter dem Niveau des Vorjahreswertes von 38 Milliliter.  Beim Kriterium Fallzahl sind die bisher eingegangenen Proben der Weizenernte erheblich besser als im Vorjahr. Das Hektolitergewicht zeigt sich in diesem Jahr bislang mit 75,6 Kilogramm je Hektoliter unterdurchschnittlich.