Der Druck auf Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir wächst, Brachflächen generell für den Anbau von Feldfrüchten freizugeben. Derartige Forderungen wurden vergangene Woche auch in den eigenen Reihen laut. „In Krisenzeiten darf es Ausnahmeregelungen geben”, erklärte die Sprecherin für Landwirtschaft und Ernährung der Grünen im bayerischen Landtag, Gisela Sengl. Sie hält es deshalb für vertretbar, Ökologische Vorrangflächen (ÖVF) in diesem Jahr für den Anbau zu nutzen. Brandenburgs Landwirtschaftsminister Axel Vogel (Grüne) zeigte sich offen für den Anbau von Eiweißpflanzen auf Vorrangflächen.
„Ich erwarte, dass der europäische Rahmen zur vollständigen Freigabe von Brachflächen auch in Deutschland eins zu eins umgesetzt wird”, so der landwirtschaftspolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Gero Hocker. Angesichts der Produktionsausfälle im Rahmen des Ukraine-Krieges und der dramatischen Folgen für weite Teile der Welt müsse man alles dafür tun, die Produktion hierzulande zu steigern.
Der agrarpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Albert Stegemann, warf Özdemir vor, mit seiner restriktiven Haltung der „ethisch-moralischen Verantwortung” nicht gerecht zu werden, die Deutschland als begünstigter Agrarstandort habe. Özdemir müsse sich von alten Ideologien lösen und pragmatisch handeln.
Für den Präsidenten des Deutschen Bauernverbandes (DBV), Joachim Rukwied, ist die Möglichkeit zur Nutzung des Aufwuchses zu Futterzwecken lediglich „ein erster richtiger Schritt”, dem weitere folgen müssten. Rukwied bezeichnete am vergangenen Freitag gegenüber Journalisten eine Öffnung der Vorrangflächen für den Anbau von Eiweißpflanzen als dringend notwendig.
Die Staatssekretärin im Bundeslandwirtschaftsministerium, Silvia Bender, stellte indes eine weitergehende Freigabe der Ökologischen Vorrangflächen in Aussicht. „Wir sind an schnellen, pragmatischen Lösungen interessiert”, betonte Bender mit Blick auf das Maßnahmenpaket der Europäischen Kommission. Dabei dürfe man aber nicht das Ziel einer natur- und klimagerechten Landwirtschaft aus den Augen verlieren. Stattdessen müsse es gelingen, globale Ernährungssicherung, Klimaschutz und Biodiversität in Einklang zu bringen. „Die von der Kommission geplante Freigabe zum Anbau von Futtermitteln inklusive des Einsatzes von Pestiziden steht unseren Biodiversitäts- und Nachhaltigkeitszielen entgegen”, gab die Staatssekretärin zu bedenken.