Politik | 01. August 2019

Notfallplan lässt auf sich warten

Von Wolfgang Scheu
Der baden-württembergische Forstminister Peter Hauk hat sich am Montag in Ühlingen-Birkendorf ein Bild vor Ort gemacht. Präzises zum angekündigten Notfallplan teilte er nicht mit.
Forstleute, Politiker und Waldbesitzer diskutierten neben einem Waldlager in der Nähe von Ühlingen-Birkendorf die Situation.
„Immer gern, wenn’s brennt”, so die Entgegnung von Peter Hauk am Dienstagnachmittag beim Dank für den Besuch bei der Begrüßung durch Bürgermeister Tobias Gantert vor dem Rathaus in Ühlingen-Birkendorf. Vom Ortstermin in Bonndorf ist er gekommen, wo vergangene Woche ein Sturm im Steinatal einen Schaden von geschätzt 2000 Festmetern im Stadtwald und etwa 2000 bis 3000 Festmetern Sturmholz im angrenzenden Staatswald hinterlassen hat.
„Es ist fünf vor zwölf, es muss jetzt gehandelt werden”,  sagte Hauk. Im Landkreis Waldshut seien 2019 bislang rund 140.000 Kubikmeter Käfer- und rund 6000 Kubikmeter Dürreholz verbucht worden. 2018 seien es dort im Gesamtjahr rund 130.000 Kubikmeter Käfer- und rund 5000 Kubikmeter Dürreholz gewesen. Landesweit seien über alle Baumarten und Waldbesitzer hinweg bislang rund 930.000 Kubikmeter Käfer- und rund 380.000 Kubikmeter Dürreholz aufgearbeitet worden. Zum Vergleich: Im gesamten Jahr 2018 waren es landesweit rund 1,6 Millionen Kubikmeter.
Forstminister treffen sich
Das Land sei im Gespräch mit den Verbänden. Ein Notfallplan für die Wälder Baden-Württembergs sei in Vorbereitung, sagte Hauk. Er will auf den Bund zugehen und eine schnelle finanzielle Beteiligung einfordern. Am Donnerstag – nach Redaktionsschluss der BBZ 31 – haben sich die CDU/CSU-Forstminister der Länder in Moritzburg bei Dresden mit Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner getroffen.
In Ühlingen-Birkendorf war der bestellte 20-Sitzer für die geplante Exkursion mit Bürgermeistern, Abgeordneten und Forstleuten in den Wald am Ende viel zu klein. Die lokale Presse hatte irrtümlicherweise alle privaten Waldbesitzer geladen und aus der kleinen Reisegruppe wurde eine Karawane  – mehr als 50 Teilnehmer waren es letztendlich.
Lebhaft
Nach Halt mit Blick auf die Situation an der Berghausstraße im Bereich Eggingen/Degernau ging es zu einem Waldlager. Schnell ergab sich eine lebhafte Diskussion. Norbert Schwarz, Geschäftsführer der Waldgenossenschaft Südschwarzwald, forderte eine Aufarbeitungsbeihilfe in Höhe von 15 Euro/Fm nach bayerischem Vorbild, die unbürokratisch abgewickelt werden müsse. Außerdem regte er an, dass der Landesbetrieb ForstBW Vertragsmengen für die Belieferung von Sägewerken an Kommunal- und Privatwald abgeben solle. Letzterem erteilte Hauk eine Absage, so etwas sei allein schon aus Kartellgründen nicht möglich.
Die Waldbesitzer äußerten Zweifel am Sinn der Veranstaltung, sie wollten Details zum angekündigten Notfallplan des Ministers hören. Hauk verstand die besorgten bis verzweifelten Wortmeldungen, betonte aber den informativen Zweck der Veranstaltung.  Der Zweck war erfüllt, der Blick von Hauk wurde geschärft.
Forstkammer fordert ein Sofortprogramm
Die Forstkammer Baden-Württemberg fordert angesichts der Krise  – jetzt schon seien die Schäden des Orkans Lothar 1999 und die Trockenschäden 2003 übertroffen – ein „Sofortprogramm Waldschutz”.  „Wenn wir jetzt nicht handeln, haben wir in ein paar Wochen einen regelrechten Flächenbrand”, wird Forstkammer-Vizepräsident Martin Tritschler aus Titisee-Neustadt in einer Pressemitteilung zitiert.
Die wichtigsten Maßnahmen seien:
  • Förderung des Schadmonitorings  im Privat- und Körperschaftswald gemäß Gemeinschaftsaufgabe Agrarstruktur und Küstenschutz (GAK) nach dem Bespiel der „Waldläufer” in Niedersachsen;
  • Einstellung von zusätzlichem Personal in den unteren Forstbehörden zur Unterstützung des Borkenkäfermanagements im Kleinprivatwald;
  • Kurzfristige personelle und finanzielle Verstärkung der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt beim Thema Waldschutz;
  • Unbürokratische Aufarbeitungshilfe für Schadhölzer von bis zu 15 Euro/Fm nach dem Beispiel Bayerns;
  • Beschleunigte und vereinfachte Genehmigung von Nass- und Trockenlagern;
  • Ausnahmeregelung für Kalamitätsholztransporte (Erhöhung des  Transportgewichts auf mindestens 44 Tonnen, Wiederherstellung der 27-Meter-Regelung und Aufhebung des Sonn- und Feiertagsverbots);
  • Erhöhung der Wiederaufbauförderung für standortgerechte Mischwälder auf mindestens 80 % (gemäß  GAK);
  • Förderung der Beimischung klimastabiler Baumarten und Einzelschutz bei Einbringung neuer Baumarten;
  • Wiederaufbauzuschuss für existenzbedrohte Forstbetriebe wie nach dem Orkan Lothar;
  • Ausschöpfung der Fördermöglichkeiten der GAK, Teil F (Förderung des Entrindens, der Bekämpfung von Schadorganismen und der Flächenräumung);
  • Unterstützung der Forstbetriebsgemeinschaft durch die Unteren Forstbehörden bei Sammelanträgen;
  • Aufstockung von Fördermitteln und Beschleunigung von Bewilligungsverfahren, um die Vorfinanzierungsbelastung der Waldeigentümer zu begrenzen;
  • Senkung der Steuerlast der Forstbetriebe (¼ Steuersatz ab dem ersten Festmeter);
  • Einrichtung eines „Runden Tisches Waldschutz” beim Ministerium für Ländlichen Raum, um die weiteren Maßnahmen abzustimmen.