Politik | 10. November 2016

Noch Bauchschmerzen in den Ländern

Von AgE
Die Bundesregierung hat das neuerliche Unterstützungspaket für die Landwirtschaft auf den Weg gebracht. Am Donnerstag, nach Redaktionsschluss dieser Ausgabe, hat der Bundesrat über das Gesetz beraten. Einige Länderfinanzminister haben offenbar noch Bauchschmerzen mit dem Vorschlag.
Marktschwankungen sollen künftig innerhalb der Wertschöpfungskette aufgefangen werden, fordert Agrarminister Christian Schmidt.
Das vergangene Woche  vom Bundeskabinett beschlossene sogenannte „Milchmarktsondermaßnahmen-Gesetz” soll zum einen die rechtlichen Voraussetzungen schaffen, um die zur Verfügung stehenden Liquiditätshilfen von insgesamt 116 Millionen  (Mio.) Euro an die Betriebe auszuzahlen. Zum anderen soll die Möglichkeit zur steuerlichen Gewinnglättung von zwei auf drei Jahre ausgedehnt werden. Dazu sollen durch eine Änderung von § 34 Einkommensteuergesetz natur- oder marktbedingte Gewinnschwankungen nachträglich für die drei zurückliegenden Jahre geglättet werden können. Die Glättungsregelung soll auf neun Jahre befristet werden.
Bundesrat soll im Dezember zustimmen
Das Gesetz wurde bereits im  Bundestag in erster Lesung beraten.  Die Zustimmung des Bundesrats wird für den 16. Dezember angestrebt. Details für die an Mengendisziplin geknüpften Liquiditätshilfen sollen in der „Milchsteigerungsbeihilfenvermeidungsverordnung” geregelt werden. Sie kann allerdings erst nach Inkrafttreten des Gesetzes erlassen werden. Das zweite Liquiditätshilfeprogramm soll im Januar 2017 anlaufen.
Die Beihilfe im Rahmen des zweiten Liquiditätshilfeprogramms beträgt mindestens 0,36 Cent/kg der Jahresmilchlieferung zwischen Dezember 2015 und November 2016. Der Betrag von 0,36 Cent/kg ergibt sich aus der Gesamtsumme von 116 Mio. Euro, die für die Maßnahme zur Verfügung steht, und einer Gesamtanlieferung in Deutschland von rund 32 Mio. t Milch im Jahr.
Dieser „Milchpreiszuschuss” wird sich erhöhen, wenn sich nicht alle Milcherzeuger an dem Programm beteiligen. Die Milchbauern sollen einen Vorschuss in Höhe von 0,18 Cent/kg beantragen können. Um die Beihilfe in Anspruch zu nehmen, soll die Milchanlieferung in einem sogenannten „Beibehaltungszeitraum” – wahrscheinlich die Monate Februar bis April 2017 – nicht höher liegen dürfen als im gleichen Zeitraum dieses Jahres. Antragsberechtigt sollen aktive Milcherzeuger sein, die im letzten Monat des Beibehaltungszeitraums noch Milch anliefern.
Mit den 116 Mio.  Euro, davon die Hälfte EU-Mittel, stelle man den Milchbetrieben noch einmal einen beträchtlichen Liquiditätszuschuss zur Verfügung, sagte Bundesagrarminister Christian Schmidt nach der Kabinettssitzung. Die Bedingung sei allerdings, dass die einzelbetriebliche Milchmenge konstant bleiben und nicht weiter wachsen dürfe. Mit der  Ausweitung der Gewinn- und Tarifglättung schaffe die Bundesregierung eine bessere Besteuerung und Planungssicherheit. Er  habe großen Wert darauf gelegt, dass der dann zu berücksichtigende Glättungszeitraum bereits 2014 beginne – ein Jahr, in dem die Gewinne hoch waren.
Schmidt  forderte erneut die Milchbranche auf, Maßnahmen zur Strukturanpassung vorzunehmen. Ziel müsse es sein, Marktschwankungen künftig innerhalb der Wertschöpfungskette aufzufangen.  Der Minister warnte die Molkereien, auf Zeit zu spielen, und sagte:  „Eines geht nicht: vom Staat zu verlangen, er solle in Krisen helfen, und nicht auf sich selbst zu blicken in der Wertschöpfungskette und dann auch nicht die notwendigen Konsequenzen zu ziehen, wenn man nicht optimal aufgestellt ist.”  Schmidt  hält  an seinem Ziel der Schaffung einer Branchenorganisation Milch fest. Für deren Aufbau bot er seine Unterstützung an.
Unterdessen hat der agrarpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Dr. Wilhelm Priesmeier, vor einem Scheitern des Hilfspakets im Bundesrat gewarnt. Vor allem über die geplanten steuerlichen Änderungen gebe es in den Ländern einen wachsenden Unmut.
Für Priesmeier rächt sich damit, dass die Gelder für das Hilfsprogramm aus Brüssel an die Änderungen im Einkommensteuergesetz gekoppelt werden sollen. Der SPD-Politiker sprach von „etlichen Länderfinanzministern”, die mit eben diesen einkommensteuerlichen Änderungen Bauchschmerzen hätten. Die Bundesregierung habe es versäumt, ihre Pläne vorab mit den Länderfinanzministerien zu bereden.
Sonderstatus
Zudem hätten  Bedenken zum  Sonderstatus der Landwirtschaft gegenüber anderen Wirtschaftszweigen  nicht ausgeräumt werden können. Ein Verweis auf den Klimawandel reiche nicht. „Wie soll man  Touristikern oder Handwerkern mit ihren ebenfalls  witterungsabhängigen Berufen erklären, warum sie nicht ihre Gewinne und Verluste über die Jahre miteinander verrechnen dürfen”, so Priesmeier. Laut  Priesmeier sehen vor allem die neuen Länder keinen Mehrwert in der Gewinnglättung, da diese nur für natürliche Personen gelten solle. Demgegenüber unterlägen die ostdeutschen Landwirtschaftsbetriebe vor allem der Körperschaftssteuer, weil sie als GmbH oder Genossenschaft geführt würden.
Laut Priesmeier erwägen einige Länder, im Bundesrat den Vermittlungsausschuss anzurufen. Dies hätte  zur Folge, dass das Gesetz nicht mehr 2016 verabschiedet werden könne. Damit würde  das wirtschaftlich  erfolgreiche Jahr 2014 aus der Gewinnglättung herausfallen.
Gesamtpaket
Die staatlichen Hilfen, die den Betrieben im Rahmen der Milchpreiskrise in den letzten beiden Jahren bereitgestellt wurden, bezifferte Schmidt insgesamt auf 581 Mio. Euro. Die Summe setzt sich zusammen aus Liquiditätshilfen von 69 Mio. Euro im ersten und 116 Mio. Euro im zweiten Hilfsprogramm sowie zusätzlichen Bundesmitteln für die Landwirtschaftliche Unfallversicherung  2016 und 2017 in Höhe von jeweils 78 Mio. Euro. Der deutsche Anteil am EU-Mengenreduzierungsprogramm beträgt  40 Mio. Euro. Hinzu kommen 150 Mio. Euro für das ab Januar nächsten Jahres geplante Bürgschaftsprogramm sowie 50 Mio. Euro für die Gewinn- und Tarifglättung.