Nicht nur Wandel, sondern Bruch
Von AgE
Als „Strukturbruch” hat der Präsident des Deutschen Bauernverbandes (DBV), Joachim Rukwied, die vielen aktuellen und geplanten Betriebsaufgaben in der heimischen Tierhaltung und insbesondere in der Schweinebranche bezeichnet.
„Wir werden weniger Schweine haben; wir brauchen Veränderungen in der Tierhaltung”, betonte ein Vertreter des Bundeslandwirtschaftsministeriums beim Veredlungstag des DBV.
Angesichts dieser dramatischen Lage sei die Politik aufgefordert, alles dafür zu tun, um die Schweinehalter zu unterstützen: „Nahezu täglich steigen Betriebe aus der Schweinehaltung aus. Kaum einer investiert noch in neue Ställe. Deshalb brauchen unsere Schweinehalter jetzt dringend Zukunftsperspektiven”, betonte Rukwied am 25. Oktober auf dem DBV-Veredlungstag im bayerischen Essenbach.
Rukwied: Özdemir muss liefern
Der Umbau der Tierhaltung müsse zwingend durch langfristige
Verträge gesichert werden, und auf die Haltungskennzeichnung müsse
zwingend auch eine Herkunftskennzeichnung folgen. „Sonst kommen wir beim
Tierwohl nicht voran, und die Schweinehaltung wird noch weiter ins
Ausland verlagert”, warnte der DBV-Präsident. Er hob hervor, dass die
Landwirte ein klares Bekenntnis zur Weiterentwicklung der Tierhaltung
abgegeben hätten: „Wir haben unseren Teil gemacht; jetzt muss
Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir liefern.” Dies tue er aber nur
in Teilen. Es gelte nun, insbesondere bei der Haltungskennzeichnung
qualitativ nachzubessern und frisches Geld zu Verfügung zu stellen.
Zudem müsse sich die Politik auf allen Ebenen für den Kauf von
heimischen Produkten und Fleisch einsetzen, forderte Rukwied. Aber auch
der Handel und die Verbraucher seien aufgerufen, mit dem Griff zur
Inlandsware die Landwirte zu unterstützen.
DBV-Veredlungspräsident Hubertus Beringmeier kritisierte den aktuellen
Gesetzentwurf zur Haltungskennzeichnung scharf. Dieser weise
handwerklich erhebliche Schwächen auf, mit denen die angestrebte Wirkung
nicht nur verfehlt, sondern in Teilen sogar konterkariert werde.
Beispielsweise sei die Sauenhaltung gar nicht berücksichtigt. So könnten
Schweine und Schweinefleisch mit anderen Standards aus dem Ausland in
den heimischen Markt importiert werden und würden das Tierwohllabel
erhalten. „Das ist eine Einladung zur Verbrauchertäuschung”, brachte es
Beringmeier auf den Punkt. Daher müsse der Entwurf jetzt im
parlamentarischen Verfahren deutlich nachgebessert werden.
Darüber hinaus entstehe mit der Neuregelung eine erhebliche
bürokratische Mehrbelastung, weil weder ein Anschluss an vorhandene
amtliche Meldesysteme noch an private Qualitätssicherungssysteme
hergestellt werden solle. Dringend müssten auch der Bereich der
Verarbeitungsware und neben dem Lebensmitteleinzelhandel auch
Verarbeiter, Großverbraucher sowie die Gastronomie mit einbezogen
werden.
Gesamtkonzept erarbeiten
Der neue Präsident des Bayerischen Bauernverbandes (BBV),
Günther Felßner, stellte fest, dass der Strukturbruch in der
Schweinehaltung keine Sorge, sondern schon heute bittere Realität sei:
„In den letzten zwölf Jahren haben wir 53 Prozent unserer Schweinehalter
verloren, und die Zahl bayerischer Schweine reduzierte sich um knapp 30
Prozent.” Für Felßner ist es in der Schweinehaltung daher bereits „fünf
nach zwölf”. Er wolle nicht, so der BBV-Präsident, „dass wir auf dem
Papier die höchsten Vorgaben dieses Planeten für die Schweinehaltung
haben, aber keine Betriebe mehr, die unter diesen Vorgaben wirtschaften
können, und somit das Fleisch aus Drittländern importiert werden muss”.
Felßner appellierte an die Politik, endlich zu handeln und Perspektiven
für die bäuerlichen Familienbetriebe zu schaffen. Es brauche ein
politisches Gesamtkonzept mit einer Erhöhung des Tierwohls bei
gleichzeitiger Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit der Betriebe, so wie
es die Borchert-Kommission vorgelegt habe.
Viel Gegenwind blies auf dem Podium des Veredlungstages dem einzigen
Vertreter aus der Politik entgegen. Der Leiter der Abteilung
„Lebensmittelsicherheit, Tiergesundheit” im
Bundeslandwirtschaftsministerium, Professor Markus Schick, versuchte,
die Wogen zu glätten. Er bekräftigte das klare Bekenntnis von
Bundeslandwirtschaftsminister Özdemir für die Tierhaltung in Deutschland
und verteidigte die jüngsten politischen Entscheidungen zur
Tierhaltung, insbesondere den Entwurf zur Haltungskennzeichnung.
Zugleich ließ er keinen Zweifel daran, dass der Umbau in der Veredlung
politisch gewollt ist: „Wir werden weniger Schweine haben; wir brauchen
Veränderungen in der Tierhaltung.”