Bisher hat man in der Rationsgestaltung von Pferden die Versorgungsempfehlungen aus dem Jahr 1994 als wissenschaftliche Basis herangezogen. Sie waren jedoch in vielerlei Hinsicht überholt. Nun hat die Gesellschaft für Ernährungsphysiologie (GfE) neue Versorgungsempfehlungen erarbeitet.
Fortschritte in der Forschung, insbesondere zur Gesundheit, Haltung und Physiologie von Pferden machten neue Versorgungsempfehlungen dringend notwendig. Auch in der Bewertung von Futtermitteln hat sich viel entwickelt. In den im November 2014 veröffentlichten Empfehlungen haben sich vor allem folgende Aspekte geändert: Ein wichtiges Kapitel in den Versorgungsempfehlungen sind die Ausführungen zur artgerechten Pferdeernährung. Bei der Fütterung von Raufutter wurden Erkenntnisse aus der Verhaltensforschung mit einbezogen. Zum Beispiel wird empfohlen, Pferden mindestens 12 Stunden am Tag den Zugang zu Raufutter zu gewähren, da die Futtersuche und -aufnahme ein wichtiges Bedürfnis für sie ist, das einen Großteil des Tages einnimmt. Dabei sollte sich die Fresszeit auf den ganzen Tag und die Nacht verteilen. Um die Pferde dabei nicht überzuversorgen, sollte die Futteraufnahme gebremst werden, etwa durch Heunetze, Sparraufen, Futterautomaten oder die Beimischung von Stroh. Zumindest der Erhaltungsbedarf an Energie, so der der Ausschuss für Bedarfsnormen (AfBN), sollte von Futtermitteln wie Gras, Heu, Stroh und Silage gedeckt werden. Kraftfutter sollte nur eingesetzt werden, wenn es zur Deckung des Energiebedarfes darüber hinaus notwendig ist. Die Faustzahl von 1 kg Heu pro 100 kg Lebendmasse beschreibt der Ausschuss als Minimum, nicht als Optimum.
Energie und Protein
Die Bewertung der Energie erfolgt nicht mehr auf
Basis der verdaulichen Energie (DE), sondern auf Basis der umsetzbaren
Energie (ME). Das hat den Vorteil, dass Energieverluste mit
berücksichtigt werden, die dem Pferd über den Harn und als Methan über
den Darm verloren gehen.
Bei der Bewertung von Protein wurde umgestiegen
von Rohprotein (XP) auf praecaecal verdauliches Rohprotein (pcvXP),
also dünndarmverdauliches Rohprotein. Gleiches gilt für die essenziellen
Aminosäuren (AS), die übers Futter zugeführt werden müssen: Auch sie
werden künftig in pcvAS bewertet. Das hat den Hintergrund, dass nur die
Dünndarmschleimhaut effektiv Aminosäuren aufnehmen kann. Protein, das
erst durch Mikroben im Dickdarm gespalten wird, kann also vom Pferd kaum
verwertet werden.
Der Erhaltungsbedarf an Energie wurde detaillierter berechnet. Er
orientiert sich jetzt nicht mehr nur an der metabolischen Körpergröße,
es werden auch Unterschiede im Fett- und Proteingehalt im Körper
berücksichtigt, ebenso wie Rasse, Trainings- und Ernährungszustand,
Aufwände für die Thermoregulation oder Bewegung. Auch der Energiebedarf
für Arbeit kann jetzt genauer geschätzt werden. Hierfür wurde die
Sauerstoffaufnahme von arbeitenden Pferden anhand der Herzschlagfrequenz
geschätzt.
Der Energiebedarf von tragenden und laktierenden Stuten wurde ebenfalls
neu bewertet. Bei laktierenden Stuten wurde insbesondere die
individuelle Milchleistung berücksichtigt. Der Zeitpunkt der höchsten
Milchleistung wurde erheblich vorverlegt und es wurde mit einbezogen,
wie sich die Nährstoffgehalte in der Milch im Verlauf der Laktation
verändern.
Mineralstoffe
Beim Bedarf an Mineralstoffen und Vitaminen wird
jetzt auch die metabolische Körpergröße als Bezugsgröße verwendet. Das
bedeutet, dass der Bedarf nicht, wie bisher geschätzt, proportional zur
Körpergröße steigt. Insgesamt geht man heute vor allem bei Kalzium und
Phosphor von niedrigeren Bedarfswerten aus.
Buch zum Thema
Wer sich tiefer und mehr von der wissenschaftlichen Seite in die Materie einlesen will, der kann das Buch „Empfehlungen zur Energie- und Nährstoffversorgung von Pferden” bestellen. Darin beschreiben die Wissenschaftler detailliert alle Erkenntnisse zur Futtermittelbewertung, die Errechnung des Bedarfs sowie die Versorgung in unterschiedlichen Bedarfssituationen. Besonders zu empfehlen ist der Teil zur artgerechten Ernährung, in dem unter anderem auf die ideale Rationsgestaltung, die Qualität von Wasser und Hygiene-Aspekte bei der Fütterung eingegangen wird. Im Anhang finden sich Tabellen zum Beispiel zum Schätzen der Schweißmenge, zum Errechnen des Body Condition Score oder zur Verdaulichkeit von Stärke in unterschiedlichen Futtermitteln.
Empfehlungen zur Energie- und Nährstoffversorgung von Pferden, DLG-Verlag, ISBN 978-3-7690-0805-0, 49,90 Euro.