Tierhaltung | 07. Mai 2015

Neue Versorgungsempfehlungen

Von Gisela Ehret
Bisher hat man in der Rationsgestaltung von Pferden die Versorgungsempfehlungen aus dem Jahr 1994 als wissenschaftliche Basis herangezogen. Sie waren jedoch in vielerlei Hinsicht überholt. Nun hat die Gesellschaft für Ernährungsphysiologie (GfE) neue Versorgungsempfehlungen erarbeitet.
Fortschritte in der Forschung, insbesondere zur Gesundheit, Haltung und Physiologie von Pferden machten neue Versorgungsempfehlungen dringend notwendig. Auch in der Bewertung von Futtermitteln hat sich  viel entwickelt. In den im November 2014 veröffentlichten Empfehlungen haben sich vor allem folgende Aspekte geändert: Ein wichtiges Kapitel in den Versorgungsempfehlungen sind die Ausführungen zur artgerechten Pferdeernährung. Bei der Fütterung von Raufutter wurden Erkenntnisse aus der Verhaltensforschung mit einbezogen. Zum Beispiel wird empfohlen, Pferden mindestens 12 Stunden am Tag den Zugang zu Raufutter zu gewähren, da die Futtersuche und -aufnahme ein wichtiges Bedürfnis für sie ist, das einen Großteil des Tages einnimmt. Dabei sollte sich die Fresszeit auf den ganzen Tag und die Nacht verteilen. Um die Pferde dabei nicht überzuversorgen, sollte die Futteraufnahme gebremst werden, etwa durch Heunetze, Sparraufen, Futterautomaten oder die Beimischung von Stroh. Zumindest der Erhaltungsbedarf an Energie, so der der Ausschuss für Bedarfsnormen (AfBN), sollte von Futtermitteln wie Gras, Heu, Stroh und Silage gedeckt werden. Kraftfutter sollte nur eingesetzt werden, wenn es zur Deckung des Energiebedarfes darüber hinaus notwendig ist. Die  Faustzahl von 1 kg Heu pro 100 kg Lebendmasse beschreibt der Ausschuss als Minimum, nicht als Optimum.
Energie und Protein
Die Bewertung der Energie erfolgt nicht mehr auf Basis der verdaulichen Energie (DE), sondern auf Basis der umsetzbaren Energie (ME). Das hat den Vorteil, dass Energieverluste mit berücksichtigt werden, die dem Pferd über den Harn und als Methan über den Darm verloren gehen.
Bei der Bewertung von Protein wurde umgestiegen von Rohprotein (XP) auf praecaecal verdauliches Rohprotein (pcvXP), also dünndarmverdauliches Rohprotein. Gleiches gilt für die essenziellen Aminosäuren (AS), die übers Futter zugeführt werden müssen: Auch sie werden künftig in pcvAS bewertet. Das hat den Hintergrund, dass nur die Dünndarmschleimhaut effektiv Aminosäuren aufnehmen kann. Protein, das erst durch Mikroben im Dickdarm gespalten wird, kann also vom Pferd kaum verwertet werden.
Der Erhaltungsbedarf an Energie wurde detaillierter berechnet. Er orientiert sich jetzt nicht mehr nur an der metabolischen Körpergröße, es werden auch Unterschiede im Fett- und Proteingehalt im Körper berücksichtigt, ebenso wie Rasse, Trainings- und Ernährungszustand, Aufwände für die Thermoregulation oder Bewegung.  Auch der Energiebedarf für Arbeit kann jetzt genauer geschätzt werden. Hierfür wurde die Sauerstoffaufnahme von arbeitenden Pferden anhand der Herzschlagfrequenz geschätzt.  Der Energiebedarf von tragenden und laktierenden Stuten wurde ebenfalls neu bewertet. Bei laktierenden Stuten wurde insbesondere die individuelle Milchleistung berücksichtigt. Der Zeitpunkt der höchsten Milchleistung wurde erheblich vorverlegt und es wurde mit einbezogen, wie sich die Nährstoffgehalte in der Milch im Verlauf der Laktation verändern.
Mineralstoffe
Beim Bedarf an Mineralstoffen und Vitaminen wird jetzt auch die metabolische Körpergröße als Bezugsgröße verwendet. Das bedeutet, dass der Bedarf  nicht, wie bisher geschätzt, proportional zur Körpergröße steigt. Insgesamt geht man heute vor allem bei Kalzium und Phosphor von niedrigeren Bedarfswerten  aus.
Buch zum Thema
Wer sich tiefer und mehr von der wissenschaftlichen Seite in die Materie einlesen will, der kann das Buch „Empfehlungen zur Energie- und Nährstoffversorgung von Pferden”  bestellen. Darin beschreiben die Wissenschaftler detailliert alle  Erkenntnisse zur Futtermittelbewertung, die Errechnung des Bedarfs sowie die Versorgung in unterschiedlichen Bedarfssituationen. Besonders zu empfehlen ist der Teil zur artgerechten Ernährung, in dem unter anderem auf die ideale Rationsgestaltung, die Qualität von Wasser und Hygiene-Aspekte bei der Fütterung eingegangen wird. Im Anhang finden sich Tabellen zum Beispiel zum Schätzen der Schweißmenge, zum Errechnen des Body Condition Score oder zur Verdaulichkeit von Stärke in unterschiedlichen Futtermitteln.
Empfehlungen zur Energie- und Nährstoffversorgung von Pferden, DLG-Verlag, ISBN 978-3-7690-0805-0, 49,90 Euro.