Der Landtag von Baden-Württemberg hat sich am Mittwoch voriger Woche zunächst über den berufsständischen Volksantrag ausgesprochen und unmittelbar darauf das Gesetz zur Stärkung der Biodiversität beschlossen. Die BBZ unterhielt sich mit BLHV-Präsident Werner Räpple darüber und über weitere Themen, die Bauern stark beschäftigen.
BLHV-Präsident Werner Räpple (Mitte) zu Gast in der BBZ-Redaktion. Walter Eberenz (links) und René Bossert befragten ihn zu agrarpolitischen Themen – aus aktuellem Anlass mit Schwerpunkt Landespolitik.
Über fast drei Stunden hat sich der Landtag vergangene Woche mit dem Volksantrag aus dem bäuerlichen Berufsstand „Gemeinsam unsere Umwelt schützen in Baden-Württemberg” befasst. Die meisten Redner, an der Spitze Ministerpräsident Winfried Kretschmann, nannten den Tag im Landtag „historisch”, weil die Abgeordneten erstmals in der Geschichte des Landes einen erfolgreichen Volksantrag auf ihrer Tagesordnung hatten. Der Volksantrag wurde überwiegend sehr gelobt; der Anzahl der Unterschriften Respekt gezollt. Wie kommt das bei Ihnen als Repräsentant des BLHV, einem der Hauptinitiatoren, an?
Das Lob für den Volksantrag hat mich natürlich gefreut. Der Volksantrag ist für den BLHV in der Tat ein großes Ereignis, ein einmaliges Ereignis in der Geschichte des Verbandes. Und ich möchte allen nochmals herzlich danken, die dazu beigetragen haben, dass die 90.000 Unterschriften zusammenkamen: den befreundeten Verbänden und Organisationen, den eigenen Mitarbeitern und jeder Bäuerin und jedem der Bauern, die sich für den Volksantrag eingesetzt und um Unterschriften geworben haben.
Hervorheben möchte ich, dass der Volksantrag mehr bewirkt als wir selber im ersten Moment wahrnehmen. Wir haben eine andere Tonlage, ein besseres Miteinander in der Diskussion bekommen und mehr Verständnis gewonnen. Und ich glaube, wir haben uns mit dem Volksantrag auch in der Politik ein Stück zusätzlichen Respekt verschafft.
Der Ministerpräsident betonte im Landtag, dass der Volksantrag jetzt noch nicht zu Ende gebracht sei. Er hat vom Anfang einer Entwicklung gesprochen mit dem Ziel eines Gesellschaftsvertrages zwischen Bauern, Verbrauchern und Handel. Was muss jetzt aus der Sicht der Landwirtschaft geschehen, damit sich dieser Gesellschaftsvertrag realisieren lässt?
Gesellschaftsvertrag anstreben: „Wir haben von Beginn an gesagt, dass der Volksantrag Basis für einen breiten Dialog sein soll. Es ist wichtig, dass gerade die Stärkung der Biodiversität als gesamtgesellschaftliche Aufgabe erkannt wird.”
Wir haben von Beginn an gesagt, dass der Volksantrag Basis für einen breiten Dialog sein soll. Das ist nicht eine Initiative, die mit einem Gesetz endet. Es ist wichtig, dass gerade die Stärkung der Biodiversität als gesamtgesellschaftliche Aufgabe erkannt wird. Es geht darum, Insekten zu schützen, aber auch die Landwirtschaft zu schützen und die Betriebe zu erhalten in ihrer Vielfalt, in ihrer Strukturvielfalt, ihrer Kulturvielfalt: Das ist die Basis für die Vielfalt und die Frische der Erzeugnisse aus der Region. Das zeichnet unsere Region aus.
Wichtig ist, die Natur zu schützen, aber auch die Einkommen der Bauern. Das muss man in Einklang bringen. Und das wurde auch im Landtag so betont. Jeder kann einen Beitrag leisten für Biodiversität, zunächst einmal im eigenen Hausgarten, in der eigenen Blumenrabatte vor dem Haus. Aber auch an der Einkaufstheke, indem man die Produkte unserer Betriebe kauft und auch bereit ist, dafür einen etwas besseren Preis zu bezahlen.
Strukturvielfalt schafft Vielfalt – ich glaube, das ist ein ganz zentraler Punkt in dieser Debatte. Wenn wir vielfältige Betriebe und unterschiedliche Kulturen haben, nützt das auch der Artenvielfalt. Ich habe das kürzlich der Landesspitze des NABU am Kaiserstuhl verdeutlicht ...
... haben Sie die eingeladen?
Die waren bei mir auf dem Betrieb und haben gesehen, wie differenziert das alles läuft und dass da trotz intensiver Weinbaukultur und trotz Pflanzenschutz herausragende beispielhafte Biodiversität zu sehen ist. Mit Reben, Böschungen, Obstbäumen, Talgängen und Trockenrasen zeigt der Kaiserstuhl eine ganz breite Vielfalt, und ich glaube, das ist letztendlich die Basis für die Artenvielfalt, die man am Kaiserstuhl finden kann.
Stichwort Artenvielfalt: Unmittelbar nach der Aussprache über
den Volksantrag hat der Landtag das Biodiversitäts-Stärkungsgesetz
beschlossen. Wie zufrieden ist der BLHV damit? Wie viel Volksantrag
steckt Ihrem Befinden nach da drin? Wo sind die Pluspunkte? Wo sind Defizite?
Die Pro-Biene-Initiative, der Volksantrag und dann der
Eckpunkteprozess, das geht ja ein Stück weit ineinander über. Da sind ja
tatsächlich die Initiativen und Debatten parallel gelaufen. Pro Biene
ist ja sehr einseitig angetreten mit Schuldzuweisungen an die
Landwirtschaft und dem Thema Pflanzenschutz und Bio. In der Diskussion
und natürlich mit Unterstützung des Volksantrags ist es gelungen, das
Thema Biodiversität zum gesellschaftlichen Thema zu machen. Im
Biodiversitäts-Stärkungsgesetz sind das Verbot der Schottergärten, das
Thema öffentliches Grün und das Thema Lichtverschmutzung drin. Was
uns zu wenig Berücksichtigung gefunden hat, ist das Thema
Flächenverbrauch. Es ist angesprochen, aber sehr unverbindlich. Das ist
sicherlich zu wenig.
Unser großes Anliegen im Volksantrag ist der Dialogprozess. Es
gibt schon die Einladung zur nächsten Dialogrunde mit dem Naturschutz
im November. Der Lebensmitteleinzelhandel soll einen halben Tag mit an
den Tisch zu bekommen. Auch das ist ein Anliegen unsererseits, weil der
Lebensmittelhandel eine zentrale Rolle im Punkt Erhalt der
Landwirtschaft und Stärkung der Landwirtschaft spielt. Das Preisdumping
für Lebensmittel, das wir auch zur Zeit wieder ganz extrem erleben, macht unsere Betriebe und unsere Strukturen kaputt.
Mich bewegt die Frage, wie wir es schaffen, unsere Landwirtschaft
trotz offener Märkte mit starkem internationalen Wettbewerb
lebensfähig zu halten. Die Politik tut sich mit Lösungsansätzen schwer.
Da geht es auch um Bildung und Bewusstsein in den Köpfen: Was heißt es,
wenn ich als Verbraucher südamerikanisches statt regionales Fleisch
kaufe? Wir müssen auch mit dem Lebensmitteleinzelhandel in die Debatte
gehen, damit die Händler sehen, dass sie ihre Angebote überdenken
müssen. Es gibt da durchaus positive Beispiele, wenn man nach
Österreich rüber schaut. Und selbst in Frankreich höre ich, dass das
Zusammenspiel von Lebensmitteleinzelhandel und landwirtschaftlicher
Erzeugung besser funktioniert.
Hat sich die Kommunikation zwischen BLHV, Landesregierung und
Naturschutzverbänden verändert im Zuge von Pro Biene, Volksantrag und
Eckpunktepapier?
Wir haben im Moment eine Basis, sodass wir tatsächlich einen Dialog
führen können. Der BLHV hat beschlossen, in einen verstärkten
Dialogprozess mit den Naturschutzverbänden einzutreten. Von den Naturschutzverbänden kam die Aussage: Wir brauchen die Landwirte und
wollen sie mitnehmen. Ich meine, wir müssen die Zusammenhänge
darstellen. Wenn ich eine Naturschutzfläche anlege, habe ich eben kein
Markteinkommen. Es ist Konsens, dass die Landwirte dafür honoriert
werden. Aber woher kommt das Geld?
Die Naturschutzverbände sagen, man müsse die Zweite Säule stärken.
Naturschutzleistungen brauchen Entlohnung: „Wenn wir Geld aus der Ersten Säule in die Zweite Säule stecken, nehmen wir erst Einkommen weg und geben es dann mit Auflagen wieder zurück. Damit kommen wir nicht weiter in der Stabilisierung der Betriebe.”
Wenn wir Geld aus der Ersten Säule in die Zweite Säule stecken, nehmen wir erst Einkommen weg und geben es dann mit Auflagen wieder
zurück. Damit kommen wir nicht weiter in der Stabilisierung der
Betriebe. Wenn der Ministerpräsident unser Wort vom Gesllschaftsvertrag
aufgreift, dann geht es genau darum, solche Zielkonflikte auszutarieren: Wie können wir trotz mehr Aufwand für Biodiversität die
Einkommen sichern und Perspektiven für die Hofnachfolge aufzeigen?
Was wird nun beim Pflanzenschutz geschehen?
Interessant und bedenklich ist, wie Themen so durchlaufen: Da wird
irgendwo gesagt, wir reduzieren den Pflanzenschutzmittelaufwand um 50
Prozent. Politiker in Baden-Württemberg sagten, wir können nicht
hinter Bayern zurückbleiben. So gestaltet sich dann Politik. Plötzlich
steht so ein Ziel. Das wollen nun die Bundesregierung und die
EU-Kommission auch. Nun stehen die 40 bis 50 Prozent
Pflanzenschutzreduktion in unserem baden-württembergischen Gesetz. Davor haben wir gewarnt und dem haben wir auch nicht zugestimmt. Was
wir erreicht haben ist, dass das Land sagt, das schlägt nicht durch auf
die einzelnen Betriebe. Wir haben zudem die Zusage des Landes erhalten,
dass investiert wird in Forschung, Entwicklung und Beratung. Zugesagt
ist auch, dass ein Betriebsnetz entwickelt wird, wo man dann schaut,
was wird jetzt gemacht, wie kann man reduzieren und wie funktioniert es.
Die Landesregierung muss Anreize setzen, Mehrkosten müssen
ausgeglichen werden. Dann kann der Landwirt sich entscheiden: Mache ich
es oder mache ich es nicht. Ich glaube, das ist der richtige Weg.
Beim Thema Artenschutz hat der Wolf in der vergangenen Woche
Schlagzeilen gemacht, weil das Umweltministerium des Landes den ganzen
Schwarzwald als Fördergebiet Wolfsprävention erklärt hat. Was sagt die
Landwirtschaft dazu?
Ob wir den Wolf aus Artenschutzgründen brauchen, bezweifle ich.
Der Wolf ist nicht verschwunden, weil er ein liebes und angenehmes Tier
war. Natürlich hat er einen starken Schutz, aber es wird schnell
nötig werden, dass man trotzdem reglementierend eingreift. Das sagen uns
die Kollegen in Norddeutschland und in Ostdeutschland.
Die Ausweisung hat den Vorteil, dass Wolfschutzmaßnahmen
finanziert und Schäden ausgeglichen werden. Aber die Praxis wird zeigen, ob die Prävention funktioniert. Zweifel sind angebracht. Der Zaunbau wird ein Aufwand ohne Ende sein, und es wird Streit geben, ob
korrekt gezäunt wurde. Von daher sage ich nur: Was brauchen wir noch
alles, wir schaffen uns da gewaltige Probleme, gewaltige Kosten. Wenn
wir sehen, was für Mittel inzwischen in den Biber investiert werden, um
den Biber zu managen, genauso wird es kommen oder noch schlimmer mit dem
Wolf.
Ich sage immer: Die letzte Freiheit des Landwirts ist, dass er
noch sagen kann, ob er das mitmacht oder ob er das nicht mitmacht. Und
leider machen das dann irgendwann doch viele nicht mehr mit. Die hören einfach auf mit der Tierhaltung und haben dann für sich das Problem
gelöst. Dann aber kommt das gesellschaftliche Problem der Offenhaltung
der Landschaft und noch einiges mehr.
Wie nehmen Sie denn gerade die Stimmung bei den Bäuerinnen und Bauern wahr?
Blicken wir auf Gesamtdeutschland, so hat das jüngste Konjunkturbarometer Agrar des Deutschen Bauernverbandes eine nur leicht
verbesserte Stimmungslage in der Landwirtschaft ergeben, ausgehend von
einem niedrigen Niveau. Die Investitionsbereitschaft ist verhalten. Wir
haben also schon wesentlich bessere Zeiten gehabt.
Wenn ich so unser Verbandsgebiet anschaue, hat so jeder Sektor
seine Probleme. Zusammengenommen sind das Themen wie unbefriedigende
Erlöse, Saisonarbeitskräfte, Lohnkosten, Arbeitszeitvorschriften, Sozialversicherungspflicht, Wetterkapriolen, Klimawandel, Debatte um
Pflanzenschutz und Tierwohl im Nutztierbereich und noch mehr. In der
Summe macht das natürlich keine gute Stimmung. Was uns momentan fehlt,
ist eine richtige Aufbruchsstimmung.
Mit Werner Räpple sprachen Walter Eberenz und René Bossert