Der vor gut einem Jahr eingeführte tarifliche Mindestlohn in der Landwirtschaft wird von Arbeitgebern und Arbeitnehmern erwartungsgemäß unterschiedlich beurteilt.
Mit dem Abschluss des Mindestentgelttarifvertrags habe man erreicht, dass die Betriebe für eine Übergangszeit bis Ende 2017 den gesetzlichen Mindestlohn „etwas unterschreiten können”, erklärte der Geschäftsführer vom Gesamtverband der Deutschen Land- und Forstwirtschaftlichen Arbeitgeberverbände (GLFA), Burkhard Möller, vergangene Woche. Dieser Zeitraum sei für viele Betriebe „überaus wichtig”, weil sie dadurch in Ruhe entscheiden könnten, „ihre Produktion anzupassen oder gänzlich einzustellen”.
Möller geht davon aus, dass die Anpassungsreaktionen an den alle zwei Jahre „unaufhörlich steigenden” gesetzlichen Mindestlohn in den nächsten zwei bis drei Jahren messbar sein werden. Von entscheidender Bedeutung werde dabei sein, „inwieweit beim Lebensmitteleinzelhandel ein Umdenken stattfindet und eine nachhaltige kostendeckende Einkaufspreisgestaltung erfolgt”.
„Einführung war richtig”
„Die Einführung der Lohnuntergrenze im Agrarsektor war
richtig”, erklärte der Stellvertretende Bundesvorsitzende der
Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU), Harald Schaum.
Der GLFA und die Arbeitsgemeinschaft der gärtnerischen
Arbeitgeberverbände (AgA) hatten sich angesichts der damals anstehenden
gesetzlichen Mindestlohnregelung mit der IG BAU auf einen
Mindestentgelttarifvertrag geeinigt. Dieser war wenig später für
allgemeinverbindlich erklärt worden und sorgt dafür, dass die
Landwirtschaft und der Gartenbau zunächst von dem ab 1. Januar 2015
geltenden gesetzlichen Mindeststundenlohn in Höhe von derzeit 8,50 Euro
ausgenommen werden.
Gemäß dem Tarifvertrag ist der Bruttostundenlohn in der untersten
Lohngruppe zum 1. Januar 2016 in den alten Ländern von 7,40 Euro auf 8
Euro und in Ostdeutschland von 7,20 Euro auf 7,90 Euro gestiegen. Ab dem
1. Januar 2017 wird der Lohn in West und Ost dann einheitlich 8,60 Euro
betragen und zum 1. November 2017 auf 9,10 Euro steigen. Das
Mindestlohngesetz schreibt vor, dass ab 2017 flächendeckend mindestens
8,50 Euro gezahlt werden müssen.
Schwieriger Abwägungsprozess
GLFA-Geschäftsführer Möller machte auf den schwierigen
Abwägungsprozess der Betriebe mit Sonderkulturen aufmerksam. Sie müssten
bei ihrer Entscheidung, wie sie auf steigende Lohnkosten reagieren,
Abschreibungen, technische Weiterentwicklungen und
betriebswirtschaftliche Kalkulationen ebenso berücksichtigen wie die
Tatsache, dass die praktische Umsetzung des Mindestlohns weiterhin
erheblichen Aufwand beschere und Probleme bereite.
Der Anstieg des Mindestentgelts auf 8 Euro pro Stunde im Westen und 7,90
Euro im Osten zu Jahresbeginn helfe den Beschäftigten, stellte IG
BAU-Vorstandsmitglied Schaum fest. Im kommenden Jahr folge die
Lohnangleichung Ost-West auf zunächst einheitlich 8,60 Euro und später
auf 9,10 Euro pro Stunde. Schaum: „Unsere – zum jetzigen Zeitpunkt –
noch vorläufige Einschätzung ist, dass das Mindestentgelt bei den
Beschäftigten ankommt.” Der stellvertretende Gewerkschaftsvorsitzende
wies aber gleichzeitig darauf hin, dass es nach seiner Einschätzung auch
„schwarze Schafe” unter den Betrieben gebe. „Dort, wo die
Vereinbarungen missachtet werden, gucken wir gemeinsam mit dem Institut
für nachhaltige Regionalentwicklung in Europa (PECO-Institut) auch in
diesem Jahr genau hin”, kündigte Schaum an.