Politik | 06. Februar 2020

Merkel appelliert, mischt sich aber nicht ein

Von AgE
Bundeskanzlerin Angela Merkel hat den Lebensmitteleinzelhandel (LEH) an seine Verantwortung für faire Bedingungen in der Lebensmittelkette erinnert, will sich aber aus der Preisfindung heraushalten.
Beginn eines längeren Gesprächsprozesses: Bundeskanzlerin Angela Merkel (im Bild mit Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner) benannte als Ziel faire Beziehungen zwischen den Akteuren vom Erzeuger über Verarbeiter und Lebensmittelwirtschaft bis hin zum Einzelhandel.
Keinesfalls gehe es darum, Mindestpreise für Lebensmittel im Handel „aufzuoktroyieren”, betonte Merkel beim Gespräch am Montag mit Vertretern von Handel und Lebensmittelwirtschaft im Bundeskanzleramt. Ziel seien vielmehr faire Beziehungen zwischen den Akteuren vom Erzeuger über Verarbeiter und Lebensmittelwirtschaft bis hin zum Einzelhandel.
Nach Merkels Einschätzung gibt es unter den deutschen Verbrauchern eine „gewachsene Sensibilität” für Lebensmittelqualität und Umweltaspekte, denen die Politik mit entsprechenden Regelungen auch auf Erzeugerebene Rechnung trage. Es stelle sich aber die Frage, ob die Landwirte zu den aktuell erzielbaren Preisen die Last der Auflagen tragen könnten. Unbestritten sei auch die relativ hohe Konzentration im LEH, konstatierte die Kanzlerin. Sie sieht deshalb „hohe Erwartungen” auf den Schultern der „großen Repräsentanten” des Handels ruhen.
Auf Seiten der Politik verspricht sich Merkel insbesondere von der Europäischen Richtlinie über unlautere Handelspraktiken einen Beitrag für ein besseres Miteinander in der Lieferkette. Sie gehe davon aus, dass diese – auch im Interesse der Kunden – noch in diesem Jahr national umgesetzt werde, erklärte die CDU-Politikerin. Grundsätzlich gehe es darum, „gute Lebensmittel” zu verkaufen und den Landwirten gleichzeitig auskömmliche Preise zu ermöglichen, skizzierte Merkel ihre Erwartungen an das Gespräch mit den Branchenvertretern. Dabei sollten regionale Anbieter gestärkt werden.
Auf der anderen Seite wünsche sie sich faires Verhalten unter den Akteuren der Wertschöpfungskette, betonte die Bundeskanzlerin. Sie sieht die  Runde am Montag deshalb als Beginn eines längeren Gesprächsprozesses, der auch die Erzeuger und Verbraucher einschließen müsse.
Auch Klöckner fordert Fairness
Vor dem Spitzengespräch von Bundeskanzlerin  Angela Merkel und Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner mit Vertretern des Handels und der Lebensmittelindustrie hat die Ministerin ihre Forderung nach fairen Bedingungen für die Bauern bekräftigt. Nach ihrem Verständnis muss es künftig gewährleistet sein, dass erhöhte Lieferanforderungen für die Landwirtschaft ihren Niederschlag  in erhöhten
Erzeugerpreisen finden. Klöckner fordert zudem eine höhere Wertschätzung für Lebensmittel, auch um die Umsetzung einer tierwohlgerechteren und nachhaltigeren Lebensmittelproduktion zu unterstützen. Darüber hinaus macht sie sich für „ein faires Miteinander der Akteure in der Lebensmittelkette” stark. Dies sei nötig, da die Marktmacht der Akteure in der Kette sehr unterschiedlich verteilt sei. Um hier die Last für die Landwirte zu verringern, wirbt Klöckner für die Verständigung auf Verhaltensregeln bei der Werbung und die Verstärkung regionaler Vermarktungskonzepte.
Nach ihrer Auffassung setzt der Handel mit „dauerhaften Dumpingangeboten für Nahrungsmittel” ein „falsches, auch gefährliches Signal”.  Wertschätzung für die Produkte und deren Erzeuger könne beim Verbraucher nicht entstehen, wenn Fleisch, Obst und Gemüse teilweise zu Tiefstpreisen verramscht würden. „Der Leidtragende am Ende der Kette ist der Landwirt, dem immer weniger bleibt, selbst wenn er höhere Standards liefern muss”, so Klöckner.
DBV: Landwirte stärker beteiligen
Der Präsident des Deutschen Bauernverbandes (DBV), Joachim Rukwied, wünscht sich bei der Debatte um faire Lebensmittelpreise eine stärkere Beteiligung der Landwirte. Das  Spitzengespräch von Bundeskanzlerin Angela Merkel mit Vertretern des Lebensmitteleinzelhandels und der Lebensmittelwirtschaft war nach Rukwieds Einschätzung „ein erster wichtiger Schritt”, dem aber weitere folgen müssten. „Dabei müssen unbedingt die Landwirte mit an den Tisch”, verlangte der DBV-Präsident.
Rukwied zufolge dürfen sich die Maßnahmen auch nicht auf die Umsetzung der europäischen Richtlinie gegen unlauteren Wettbewerb in der Lebensmittelkette beschränken. Diese Regelung habe Lücken, die viele Probleme ungelöst lasse, stellte der Bauernpräsident fest. Zudem müssten Qualität, Regionalität und hohe Standards angemessen honoriert werden. Dazu brauche die Erzeugerseite eine Verhandlungsposition auf Augenhöhe, die auch kartellrechtlich abgesichert sei.
Als „politischen Meilenstein” bezeichnete hingegen der Präsident des Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverbandes (WLV), Johannes Röring, die bis Ende des Jahres zugesagte Umsetzung der EU-Richtlinie über unlautere Handelspraktiken in nationales Recht. Die Maßnahme ist für ihn zugleich ein Zeichen der Wertschätzung für die Arbeit der Bauern. Der erdrückenden Marktmacht des Lebensmitteleinzelhandels (LEH) müsse endlich Einhalt geboten werden, verlangte Röring.