Politik | 04. Juli 2019

Mercosur-Abkommen erzürnt Bauern

Von AgE
Nach zwei Jahrzehnten Verhandlungen mit Unterbrechungen haben sich die Europäische Kommission und der südamerikanische Mercosur-Block jetzt auf ein umfassendes Handelsabkommen geeinigt.
Bauernverbände in Europa befürchten jetzt eine deutliche Zunahme von Agrarimporten aus Südamerika, die nicht europäischen Standards genügen.
EU-Agrarkommissar Phil Hogan räumte  am 28. Juni in Brüssel ein, dass die europäischen Landwirte durch das Abkommen verschiedenen Herausforderungen ausgesetzt sein würden. Allerdings bekräftigte der Ire auch, dass das Abkommen für Europas Bauern ebenso eine Reihe möglicher Vorteile mit sich bringen werde. Zu den zugegebenermaßen sensiblen Agrarprodukten gehörten unter anderem Rinder- und Hühnerfleisch sowie Zucker.
Dem Agrarkommissar zufolge wird dem Mercosur-Block für Rindfleisch ein präferiertes Zollhandelskontingent von 99000 Tonnen im Jahr eingeräumt. Für Hähnchenfleisch und Zucker sind Freihandelsmengen von jeweils 180000 Tonnen vorgesehen. Für alle drei Produkte sollen diese Quoten schrittweise über einen Zeitraum von jeweils fünf Jahren eingeführt werden. Des Weiteren ist offenbar auch ein großzügiges Einfuhrkontingent für Ethanol geplant.
Der europäische Agrar- und Ernährungssektor wird laut der Brüsseler Behörde unter anderem von einem Abbau der momentan hohen Mercosur-Zölle auf EU-Exportprodukte wie Pralinen und Süßwaren profitieren, für die der Zollsatz bislang 20 Prozent betragen haben soll. Ebenfalls wegfallen sollen die Zölle für Wein in Höhe von gegenwärtig 27 Prozent sowie für Spirituosen und Softdrinks mit bisherigen Sätzen von 20  bis 35 Prozent.
Starker Gegenwind
Der EU-Kommission zufolge sieht das Abkommen darüber hinaus einen zollfreien Zugang für EU-Milcherzeugnisse vor, die derzeit mit einem Zollsatz von 28 Prozent belegt sein sollen. Vorteile werde es dabei vor allem für die europäischen Käseausfuhren geben, erklärte die Behörde. Darüber hinaus sollen auch 357 geschützte geografische Angaben (g.g.A.) für Erzeugnisse aus den EU-Mitgliedstaaten von den Südamerikanern anerkannt werden. Ob eine EU-Handelsvereinbarung mit Mercosur letztlich ratifiziert wird, also tatsächlich zur Anwendung kommt, scheint zumindest fraglich. Gegenwind kam im Vorfeld der Einigung vor allem aus dem Europaparlament, aber insbesondere von einzelnen Mitgliedstaaten und hier vor allem von Frankreich und Polen. Die Bundesregierung und Spanien befürworten dagegen ein Abkommen mit den Südamerikanern. Einen Brief mit der Forderung nach einem schnellen Abschluss hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel an EU-Kommissionspräsident Jean-Claude-Juncker geschickt.
Nichtsdestoweniger hatte sich Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner auf dem Deutschen Bauerntag kritisch zu den vorliegenden Plänen für eine Handelsvereinbarung mit dem Mercosur-Block geäußert. Nicht zu machen sei mit ihr ein Abkommen, das der Automobilindustrie Geschäfte ermögliche und die Landwirtschaft dafür den Preis zahle, so die Berliner Agrarressortchefin.
Der Präsident des Deutschen Bauernverbandes (DBV) sowie des EU-Ausschusses der Bauernverbände (COPA), Joachim Rukwied, bekräftigte sein klares Missfallen. „Dieses Handelsabkommen ist Doppelmoral pur. Es gefährdet die Zukunft vieler bäuerlicher Familienbetriebe, die unter den hohen europäischen Standards wirtschaften”, so der DBV-Präsident. Unmittelbar nach der Einigung warfen COPA und der EU-Ausschuss der ländlichen Genossenschaften (COGECA) der EU-Kommission vor, mit dem geplanten Abkommen die „Büchse der Pandora” zu öffnen.
„Inkonsistente Politik”
In Frankreich erklärten der Bauernverband (FNSEA) und die Junglandwirteorganisation (JA), Importe aus den Mercosur-Staaten seien entschieden abzulehnen, da die dortigen Agrarmodelle nicht mit dem europäischen vergleichbar seien. Die heimische Landwirtschaft werde die ständig steigenden Produktionsstandards und die gleichzeitige Einfuhr von Produkten, die diese unterliefen, nicht überleben können. Die Handelspolitik der EU sei „völlig inkonsistent” mit ihrer Agrar-, Gesundheits- und Umweltpolitik, kritisierten FNSEA und JA.
Der kleinere Landwirtschaftsverband Coordination Rurale (CR) warnte davor, die europäische Viehhaltung zu „opfern”, und verwies ebenfalls auf die niedrigeren Standards der südamerikanischen Agrarproduktion, mit denen die hiesigen Landwirte nicht konkurrieren könnten. Es sei „schockierend”, dass die Landwirtschaft als Verhandlungsmasse betrachtet werde, obwohl Europa vor zahlreichen Herausforderungen im Agrar- und Ernährungsbereich stehe.
Derweil hatten auch Österreichs Bauernvertreter in einem offenen Brief an Handelskommissarin Cecilia Malmström und Agrarkommissar Hogan vor den negativen Folgen eines Abkommens mit den Mercosur-Staaten gewarnt. Österreich habe 2016 für rund 40 Millionen Euro Agrarrohstoffe und Lebensmittel in die Mercosur-Länder exportiert. Dagegen stünden Agrarimporte von dort für rund 160 Millionen Euro, so die Präsidenten des Bauernbundes und der Landwirtschaftskammer, Georg Strasser und Josef Moosbrugger, sowie der Vizepräsident des EU-Ausschusses der Bauernverbände (COPA), Franz Reisecker, in dem Schreiben an die Kommissare.
Ebenfalls mit scharfer Kritik hatten Vertreter des irischen Bauernverbandes (IFA) auf die  erwartete Einigung reagiert. Verbandspräsident Joe Healy und weitere IFA-Spitzenvertreter protestierten in der Vertretung der EU-Kommission in Dublin gegen die „Doppelmoral” der Brüsseler Behörde bei ihrem „rücksichtslosen Streben” nach diesem Handelsabkommen. Healy betonte, die EU-Kommission betreibe einen Ausverkauf der irischen Landwirtschaft in einem Abkommen mit dem „Teufel Brasilien und seinem neuen Präsidenten Bolsonaro”. „Die Landwirte haben die Doppelzüngigkeit der EU-Kommission satt, die uns Vorträge zum Klimawandel hält, aber bereit ist, ein Abkommen mit einem Land zu schließen, das eine Agenda für Klimazerstörung hat”, so Healy.
Peter Weiß freut sich
Als „den Anfang von etwas Großartigem” bezeichnet Peter Weiß, Vorsitzender des Arbeitskreises Lateinamerika der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, in einer Pressemitteilung vom Montag das Freihandelsabkommen zwischen EU und Mercosur.  „Die EU exportiert vor allem Maschinen, Transportausrüstung und Chemikalien nach Südamerika. Von den Mercosur-Staaten werden Nahrungsmittel, Getränke und Tabak in die EU eingeführt”, wird in der Pressemitteilung von Weiß informiert.
Peter Weiß ist CDU-Bundestagsabgeordneter des Wahlkreises Emmendingen-Lahr.