Politik | 19. Februar 2015

Meinungsstreit um Bioperspektiven

Von AgE
Die in Politik, Wirtschaft und Verbänden unterschiedlich gelagerten Meinungen zu den Möglichkeiten einer Steigerung der heimischen Bioproduktion und dem Handlungsbedarf sind auf der Messe Biofach in Nürnberg deutlich geworden.
Bei einem Politik-Forum auf der Messe Biofach wurde auch die Förderpolitik in Baden-Württemberg thematisiert.
Dort stand dieses Thema unter dem Motto „Mehr Bio aus Deutschland - mit einer kohärenten Politik für die ökologische Landwirtschaft” am Mittwoch voriger Woche bei einem Politik-Forum zur Diskussion. Um mehr heimisches Bio zu erreichen, liegt aus Sicht von Staatssekretär Robert Kloos vom Bundeslandwirtschaftsministerium eine Herausforderung darin, die Forschungsförderung zu finanzieren. Bereits seit 2002 gebe es die Unterstützung über das Bundesprogramm Ökologischer Landbau und andere Formen nachhaltiger Landwirtschaft (BÖLN). Ferner trage der Bund mit der Gemeinschaftsaufgabe „Förderung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes” (GAK) zur Unterstützung des Biolandbaus bei; der Bund gebe hier den Rahmen vor und die Länder gestalten diesen über ihre Programme aus. Der Bund habe in der GAK die möglichen Zuschüsse für die Hektarprämien erhöht, doch diese Möglichkeit sei nicht von jedem Bundesland voll ausgeschöpft worden, so Kloos. Nach Ansicht des Staatssekretärs ist die Wirtschaft gefragt, den heimischen Ökolandbau voranzubringen; hier sei die Bundesregierung zu einem Zusammenwirken bereit.
Höhere Standards bezahlen
Eine klare Absage erteilte Kloos hingegen der Forderung des Anbauverbandes Demeter nach einer Stickstoffsteuer. Vielmehr müsse man auf den Verbraucher zugehen und diesem klarmachen, dass höhere Lebensmittelstandards auch mit mehr Geld bezahlt werden müssten. Kloos verwies in dem Zusammenhang auch auf das gemeinsam mit dem Deutschen Tierschutzbund initiierte Label für mehr Tierschutz. Zum Thema „Hoftorbilanz” erklärte der Staatssekretär, dass eine solche erst einmal entwickelt werden müsste. Bislang gebe es nur Hofschlagbilanzen. Beispielhaft gab er zu bedenken, dass erst einmal geklärt werden müsse, wie viel Stickstoff über die Milch vom Hof transportiert werde. Daran werde gearbeitet.
Reimer: Berufsbildung verbessern
Ministerialdirektor Wolfgang Reimer vom baden-württembergischen Landwirtschaftsministerium erläuterte, dass sein Haus bewusst nicht die höchste Umstellungs- und Beibehaltungsquote bei der Ausgestaltung des neuen Förderprogramms für Agrarumwelt, Klimaschutz und Tierwohl (FAKT) gewählt habe. Als Grund führte er an, dass in Bundesländern, in denen dies gemacht worden sei, nach einem Hype wieder ein starker Anteil an Rückumstellungen verzeichnet worden sei. Zudem sei in Baden-Württemberg eine Kombination mit anderen Agrarumweltprogrammen möglich. Dringenden Nachholbedarf sieht Reimer im Bereich Ausbildung und Berufsbildung bei der Vermittlung des Wissens um den Ökolandbau. Zum Thema Forschungsförderung sprach er sich dafür aus, wieder eine stärkere Ausrichtung auf den Ökobereich vorzunehmen. Im Hinblick auf die jüngste Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) plädierte Reimer für eine Halbzeitbewertung 2017, bei der eine Mittelumschichtung von der Ersten in die Zweite Säule erfolgen sollte. Das müsse ernsthaft überlegt werden, so der Amtschef. Einen „radikalen Bruch” solle es aber nicht geben. Nach Auffassung von Professor Ulrich Hamm von der Universität Kassel ist der Ökolandbau in Deutschland nicht ausreichend wettbewerbsfähig gegenüber der konventionellen Landwirtschaft, aber auch im Vergleich zu Biobetrieben in anderen Ländern. Seine Schlussfolgerung daraus ist, dass die Politik die Rahmenbedingungen falsch gesetzt habe. Der Wissenschaftler verwies mit Blick auf den steigenden Anteil von Vegetariern und Veganern auf Studien, denen zufolge die Verbraucher zunehmend auch die Tierhaltung im Ökolandbau kritisch sähen.
Tierhaltung gehört dazu
Hamm stellte hierzu fest, dass der Ökolandbau nicht funktionieren könne, wenn im Biolandbau die Tierhaltung wegbreche. Er forderte in dem Zusammenhang eine konzertierte Kampagne, die verdeutliche, dass hochwertiger Genuss nicht zum Nulltarif zu haben sei. Der Vorstandsvorsitzende des Bundes Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW), Felix Prinz  zu Löwenstein, hob hervor, dass es nicht die eine Maßnahme gebe, um den Ökolandbau voranzubringen; notwendig sei vielmehr ein vielfältiges System. Er verwies hierzu auf die Auswirkungen der Pachtpreise und nannte als Beispiel die Region Papenburg, wo aufgrund der hohen Pachtpreise kein Biolandbau möglich sei. Somit sei die Frage der Förderprogramme ein zentraler Aspekt. „Wir müssen die Gelder nehmen und die Bauern für ihre Leistungen bezahlen, die sie über ihre Preise nicht erhalten”, unterstrich Prinz Löwenstein.
DBV: Interesse der Landwirte am Ökolandbau lässt nach
Auf ein rückläufiges Interesse der hiesigen Landwirte am Ökolandbau hat der Präsident des Deutschen Bauernverbandes (DBV), Joachim Rukwied, hingewiesen. Seinen Angaben zufolge erwägen derzeit nur noch rund zehn Prozent der Landwirte eine Umstellung. „Offenbar sind die Rahmenbedingungen und die Wirtschaftlichkeit weniger attraktiv”, erklärte Rukwied anlässlich   seines Besuchs der Biofach in Nürnberg. Der DBV-Präsident bezeichnete langfristig stabile und steigende Preise für Biorohstoffe als wichtigsten Anreiz für Wachstum in diesem Segment. In den letzten Jahren seien die Preise auf Erzeugerebene jedoch zu niedrig und eine Umstellung für die meisten Landwirte unattraktiv gewesen. Rukwied forderte Verarbeiter und Vermarkter dazu auf, die besondere Qualität der deutschen Biorohstoffe besser zu honorieren.
Impulse für den Ökoanbau erwartet der Bauernpräsident von einer verlässlichen und kontinuierlichen öffentlich getragenen Agrarforschung. Forschungsbedarf bestehe insbesondere bei der Züchtung ertragreicherer und ertragsstabilerer Körnerleguminosen sowie bei der nachhaltigen Ertragssteigerung im Ackerbau. Weiteres Potenzial könnten Verarbeiter und Händler im Ökomarkt durch transparente Herkunftsangaben sowie durch eine Bevorzugung heimischer Rohstoffe mobilisieren.