Die in Politik, Wirtschaft und Verbänden unterschiedlich gelagerten Meinungen zu den Möglichkeiten einer Steigerung der heimischen Bioproduktion und dem Handlungsbedarf sind auf der Messe Biofach in Nürnberg deutlich geworden.
Bei einem Politik-Forum auf der Messe Biofach wurde auch die Förderpolitik in Baden-Württemberg thematisiert.
Dort stand dieses Thema unter dem Motto „Mehr Bio aus Deutschland - mit einer kohärenten Politik für die ökologische Landwirtschaft” am Mittwoch voriger Woche bei einem Politik-Forum zur Diskussion. Um mehr heimisches Bio zu erreichen, liegt aus Sicht von Staatssekretär Robert Kloos vom Bundeslandwirtschaftsministerium eine Herausforderung darin, die Forschungsförderung zu finanzieren. Bereits seit 2002 gebe es die Unterstützung über das Bundesprogramm Ökologischer Landbau und andere Formen nachhaltiger Landwirtschaft (BÖLN). Ferner trage der Bund mit der Gemeinschaftsaufgabe „Förderung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes” (GAK) zur Unterstützung des Biolandbaus bei; der Bund gebe hier den Rahmen vor und die Länder gestalten diesen über ihre Programme aus. Der Bund habe in der GAK die möglichen Zuschüsse für die Hektarprämien erhöht, doch diese Möglichkeit sei nicht von jedem Bundesland voll ausgeschöpft worden, so Kloos. Nach Ansicht des Staatssekretärs ist die Wirtschaft gefragt, den heimischen Ökolandbau voranzubringen; hier sei die Bundesregierung zu einem Zusammenwirken bereit.
Höhere Standards bezahlen
Eine klare Absage erteilte Kloos hingegen der Forderung des
Anbauverbandes Demeter nach einer Stickstoffsteuer. Vielmehr müsse man
auf den Verbraucher zugehen und diesem klarmachen, dass höhere
Lebensmittelstandards auch mit mehr Geld bezahlt werden müssten. Kloos
verwies in dem Zusammenhang auch auf das gemeinsam mit dem Deutschen
Tierschutzbund initiierte Label für mehr Tierschutz. Zum Thema
„Hoftorbilanz” erklärte der Staatssekretär, dass eine solche erst einmal
entwickelt werden müsste. Bislang gebe es nur Hofschlagbilanzen.
Beispielhaft gab er zu bedenken, dass erst einmal geklärt werden müsse,
wie viel Stickstoff über die Milch vom Hof transportiert werde. Daran
werde gearbeitet.
Reimer: Berufsbildung verbessern
Ministerialdirektor
Wolfgang Reimer vom baden-württembergischen Landwirtschaftsministerium
erläuterte, dass sein Haus bewusst nicht die höchste Umstellungs- und
Beibehaltungsquote bei der Ausgestaltung des neuen Förderprogramms für
Agrarumwelt, Klimaschutz und Tierwohl (FAKT) gewählt habe. Als Grund
führte er an, dass in Bundesländern, in denen dies gemacht worden sei,
nach einem Hype wieder ein starker Anteil an Rückumstellungen
verzeichnet worden sei. Zudem sei in Baden-Württemberg eine Kombination
mit anderen Agrarumweltprogrammen möglich. Dringenden Nachholbedarf sieht Reimer im Bereich Ausbildung und
Berufsbildung bei der Vermittlung des Wissens um den Ökolandbau. Zum
Thema Forschungsförderung sprach er sich dafür aus, wieder eine stärkere
Ausrichtung auf den Ökobereich vorzunehmen. Im Hinblick auf die jüngste
Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) plädierte Reimer für eine
Halbzeitbewertung 2017, bei der eine Mittelumschichtung von der Ersten
in die Zweite Säule erfolgen sollte. Das müsse ernsthaft überlegt
werden, so der Amtschef. Einen „radikalen Bruch” solle es aber nicht
geben.
Nach Auffassung von Professor Ulrich Hamm von der Universität Kassel
ist der Ökolandbau in Deutschland nicht ausreichend wettbewerbsfähig
gegenüber der konventionellen Landwirtschaft, aber auch im Vergleich zu
Biobetrieben in anderen Ländern. Seine Schlussfolgerung daraus ist, dass
die Politik die Rahmenbedingungen falsch gesetzt habe.
Der Wissenschaftler verwies mit Blick auf den steigenden Anteil von
Vegetariern und Veganern auf Studien, denen zufolge die Verbraucher
zunehmend auch die Tierhaltung im Ökolandbau kritisch sähen.
Tierhaltung gehört dazu
Hamm stellte hierzu fest, dass der Ökolandbau nicht
funktionieren könne, wenn im Biolandbau die Tierhaltung wegbreche. Er
forderte in dem Zusammenhang eine konzertierte Kampagne, die
verdeutliche, dass hochwertiger Genuss nicht zum Nulltarif zu haben sei.
Der Vorstandsvorsitzende des Bundes Ökologische Lebensmittelwirtschaft
(BÖLW), Felix Prinz zu Löwenstein, hob hervor, dass es nicht die eine
Maßnahme gebe, um den Ökolandbau voranzubringen; notwendig sei vielmehr
ein vielfältiges System. Er verwies hierzu auf die Auswirkungen der
Pachtpreise und nannte als Beispiel die Region Papenburg, wo aufgrund
der hohen Pachtpreise kein Biolandbau möglich sei. Somit sei die Frage
der Förderprogramme ein zentraler Aspekt. „Wir müssen die Gelder nehmen
und die Bauern für ihre Leistungen bezahlen, die sie über ihre Preise
nicht erhalten”, unterstrich Prinz Löwenstein.
DBV: Interesse der Landwirte am Ökolandbau lässt nach
Auf ein rückläufiges Interesse der hiesigen Landwirte am Ökolandbau hat der Präsident des Deutschen Bauernverbandes (DBV), Joachim Rukwied, hingewiesen. Seinen Angaben zufolge erwägen derzeit nur noch rund zehn Prozent der Landwirte eine Umstellung. „Offenbar sind die Rahmenbedingungen und die Wirtschaftlichkeit weniger attraktiv”, erklärte Rukwied anlässlich seines Besuchs der Biofach in Nürnberg. Der DBV-Präsident bezeichnete langfristig stabile und steigende Preise für Biorohstoffe als wichtigsten Anreiz für Wachstum in diesem Segment. In den letzten Jahren seien die Preise auf Erzeugerebene jedoch zu niedrig und eine Umstellung für die meisten Landwirte unattraktiv gewesen. Rukwied forderte Verarbeiter und Vermarkter dazu auf, die besondere Qualität der deutschen Biorohstoffe besser zu honorieren.
Impulse für den Ökoanbau erwartet der Bauernpräsident von einer verlässlichen und kontinuierlichen öffentlich getragenen Agrarforschung. Forschungsbedarf bestehe insbesondere bei der Züchtung ertragreicherer und ertragsstabilerer Körnerleguminosen sowie bei der nachhaltigen Ertragssteigerung im Ackerbau. Weiteres Potenzial könnten Verarbeiter und Händler im Ökomarkt durch transparente Herkunftsangaben sowie durch eine Bevorzugung heimischer Rohstoffe mobilisieren.