Politik | 20. August 2020

Mehrgefahrenversicherung finanziell anschieben

Von AgE
Die Landwirtschaft allein kann den Aufbau einer Mehrgefahrenversicherung zur Reduzierung witterungsbedingter Ertragsrisiken nach Einschätzung des Deutschen Bauernverbandes (DBV) wirtschaftlich nicht stemmen.
DBV-Präsident Joachim Rukwied (rechts) und Vizepräsident Wolfgang Vogel bei der Pressekonferenz zur Ernte in Berlin
Das hat DBV-Präsident Joachim Rukwied klargestellt und deshalb am Dienstag  anlässlich der Pressekonferenz zur Ernte in Berlin Bund und Länder aufgefordert, eine Anschubfinanzierung für eine solche Versicherung auf den Weg zu bringen. Den Finanzbedarf dafür bezifferte Rukwied auf 400  bis 500 Millionen Euro jährlich, gestreckt über einen Zeitraum von drei Jahren.
Ziel müsse es sein, eine breite Mehrheit der Landwirte für eine Teilnahme an Mehrgefahrenversicherungen zu gewinnen, um staatliche Ad-hoc-Hilfen so grundsätzlich entbehrlich zu machen, erklärte der DBV-Präsident. Zur Finanzierung regte er eine inhaltliche und finanzielle Erweiterung der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes” (GAK) an. Über zusätzliche GAK-Mittel sollten mindestens 50 Prozent der Versicherungsprämie bei den Gefahren Spätfrost, Trockenheit und Sturm als Zuschuss gewährt werden, forderte Rukwied.
„Zur Landwirtschaft bekennen”
DBV-Vizepräsident Wolfgang Vogel kann es sich indes nicht vorstellen, dass die Etablierung einer Mehrgefahrenversicherung in Deutschland am Ende am Geld scheitert. „Die Politik muss sich bei der Abwehr von Klimarisiken klar zur heimischen Landwirtschaft bekennen”, betonte Vogel. Er macht sich angesichts der anhaltenden Trockenheit große Sorgen um die Futterversorgung der Tiere. Der Mais als wichtigstes Winterfutter stehe in vielen Gegenden so schlecht, dass die Bestände schon jetzt weggehäckselt werden müssten, berichtete Vogel. Zwar seien die Tierhalter bei der Versorgung der Herden untereinander grundsätzlich solidarisch; jedoch treffe dieses Jahr der Futterbedarf auf ein knappes Angebot, was zwangsläufig die Preise für Futter nach oben treibe.
DBV: Sonderkulturbetriebe stärker unterstützen
Wegen wetter- und coronabedingt stark steigender Kosten hat der Deutsche Bauernverband (DBV) stärkere politische Unterstützung für die Produzenten von Sonderkulturen eingefordert. Der Verband wies am Dienstag anlässlich der Erntepressekonferenz  in Berlin darauf hin, dass die zusätzlich entstandenen Aufwendungen für die Unterbringung der Saisonarbeiter, Hygienekonzepte und Flüge die Betriebe vor große Herausforderungen stellten.
Die in dieser Woche in Kraft tretende SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregel verschärfe die Situation für die Unternehmen nochmals. In Kombination mit steigenden Mindestlöhnen, Diskussionen um die Wassernutzung und dem Insektenschutzgesetz sei die Wettbewerbsfähigkeit in Frage gestellt, warnte der DBV. Der Verband wies zudem darauf hin, dass die Trockenheit im Obst- und Gemüsebau auch 2020 zu höheren Kosten durch die Bewässerung der Kulturen führe. Durchschnittlich sei in diesem Jahr allein von Bewässerungskosten in Höhe von 10  bis 15 Prozent des Umsatzes auszugehen. Vor diesem Hintergrund hält der Bauernverband die Unterstützung der Branche für gerechtfertigt.
Beim diesjährigen Aufkommen an Obst und Gemüse zieht der DBV unterdessen eine gemischte Bilanz: Ihm zufolge ist beispielsweise mit einer „guten Apfelernte” von rund 951000 t auszugehen, die gleichwohl rund vier Prozent kleiner ausfallen dürfte als 2019. Die Erntemenge an Süßkirschen hat laut Bauernverband frostbedingt mit etwa 40000 t nicht ganz das Niveau der Vorjahre erreicht, und auch bei den Sauerkirschen mussten Einbußen von rund 25 Prozent einer Normalernte in Kauf genommen werden. Die Erdbeersaison sei witterungsbedingt auch in diesem Jahr schwierig gewesen, berichtete der DBV. Hinzu komme die mit 18800 ha kleinste Erdbeeranbaufläche seit 2003. Gegenüber 2019 werde daher eine etwas geringere Erntemenge von rund 99000 t erwartet.  Beim Spargel werde  mit 106400 t von einem Aufkommen ausgegangen, das um 14 Prozent unter dem sechsjährigen Durchschnitt liege.