Tierhaltung | 29. Januar 2015

Mehr Tierwohl – rechnet sich das für mich?

Von Dr. Volker Segger, LEL Schwäbisch Gmünd
Im April soll die „Initiative Tierwohl” starten. Für die Schweinehalter gilt es zu kalkulieren, ob eine Teilnahme ökonomisch sinnvoll ist. Als Hilfsmittel hat die Landesanstalt für Entwicklung der Landwirtschaft in Schwäbisch Gmünd (LEL) sogenannte „Tierwohlrechner” entwickelt.
Die „Initiative Tierwohl” bietet den Betrieben bestimmte Vergütungen je erzeugtes Mastschwein oder Ferkel, wenn der Betrieb konkrete Anforderungen in seiner Schweinehaltung erfüllt. Das Programm ist zunächst auf eine Laufzeit von drei Jahren konzipiert und wird vom Lebensmitteleinzelhandel finanziert. 65 Millionen Euro jährlich will dieser zur Verfügung stellen, die Finanzierung soll aus einer Abgabe aller teilnehmenden Handelsunternehmen (Aldi, Lidl und Co.) in Höhe von 4 ct/kg verkaufter Fleisch- und Wurstwaren erfolgen. Voraussetzung für die Teilnahme an dem Programm ist für jeden Betriebszweig der Schweinehaltung zunächst die Erfüllung sogenannter Grundanforderungen. Als größte Klippe wird eine lichtdurchlässige Fensterfläche von 1,5 % der Abteilgrundfläche verlangt. Ferner muss der Betrieb einen Tränkewasser- und Stallklimacheck durchführen. Bei Erfüllung dieser und weiterer Anforderungen gibt es einen Ausgleich von 500 € je Betrieb und Jahr.
Die „Initiative Tierwohl” ist zunächst auf eine Laufzeit von drei Jahren konzipiert.

Die Schweinehalter können sodann aus verschiedenen Kriterien die für ihren Betrieb am ehesten zu erfüllenden Maßnahmen auswählen. Von den zwei Wahlpflichtkriterien „10 % mehr Platz” und „Ständiger Zugang zu Raufutter” muss mindestens eins gewählt werden.
Die insgesamt etwa zehn bis 15 verschiedenen Wahlpflichtkriterien haben überwiegend die Ziele, den Tieren mehr Platz, eine komfortable Liegefläche, ein besseres Stallklima sowie verschiedene Beschäftigungsmöglichkeiten zu gewähren. Beim höheren Platzangebot gibt es bei den Wahlpflichtkriterien jeweils die Stufen 20 % und 40 % mehr Platz gegenüber den  Anforderungen aus der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung.
Was können die Tierwohlrechner?
Die drei Tierwohlrechner der LEL geben eine konkrete Entscheidungshilfe, ob sich das Anbieten von mehr Platz in den Stufen 10, 20 oder 40 % finanziell lohnt. Bei der Sauenhaltung kann neben der üblichen Erzeugung von 30-kg-Ferkeln auch der Betriebszweig Babyferkelerzeugung kalkuliert werden. In der Ferkelaufzucht wird neben einer Abstockung des Tierbestandes auch ein Neubau berechnet. In der Schweinemast kann – wie bei den anderen  Verfahren auch – zwischen Pauschalierung der Mehrwertsteuer und Regelbesteuerung (gewerbliche und optierende Betriebe) gewählt werden.
Voraussetzung für  die Berechnungen sind vor allem konkrete Angaben über die verfügbaren Stallkapazitäten und Buchtengrößen sowie die erwarteten Deckungsbeiträge. Das Programm ermittelt dann zunächst die erforderliche Abstockung der Tierzahl, um  zusätzliche Platzangebote von 10, 20 und 40 % zu erreichen. Anschließend werden die möglichen Vergütungen aus der „Initiative Tierwohl” ermittelt und dem aufgrund der Abstockung geringeren Deckungsbeitrag gegenübergestellt.
Beispiel Schweinemast
Die Grafik zeigt am Beispiel der Schweinemast, unter welchen Bedingungen sich die Bereitstellung von mehr Platz im Rahmen der „Initiative Tierwohl” lohnt. Es wird von einer gewerblich betriebenen Mast mit 2,7 Umtrieben und einem durchschnittlichen Deckungsbeitrag von 18 € je Mastschwein ausgegangen.
Die Berechnung zeigt, dass mit zunehmender Buchtengröße die Vorteilhaftigkeit eines höheren Platzangebotes steigt, während sich bei  kleineren Buchten oft nur einzelne Varianten rechnen. Dies liegt daran, dass nur „ganze” Schweine eingestallt werden können. Bei einer 9 m2-Bucht mit zwölf Masttieren können zum Beispiel bei einer Erhöhung des Platzangebotes um 10 % theoretisch noch 10,9 Schweine eingestallt werden, in der Praxis also nur zehn Tiere, ebensoviel wie bei einer  Erhöhung des Platzangebotes um  20 %. Wegen der höheren Tierwohlvergütung ist in diesem Fall die +20 %-Variante am günstigsten.
Bei den dargestellten Kalkulationen sind noch nicht die eingesparte Arbeitszeit sowie mögliche Leistungsverbesserungen aufgrund der geringeren Besatzdichte berücksichtigt. Besonders empfehlenswert wäre eine Abstockung, wenn eine bisher gewerblich betriebene Mast aufgrund der geringeren Vieheinheiten umsatzsteuerlich wieder als landwirtschaftlicher Betrieb geführt werden könnte.
Fazit
Die „Initiative Tierwohl” kann neben einer tiergerechteren Haltung auch zu einer verbesserten Wirtschaftlichkeit führen. Die zahlreichen Einflussgrößen erfordern eine genaue Bestandsaufnahme der Ist-Situation und einen Vergleich mit den verschiedenen Tierwohlvarianten. Wer sich zu einer Teilnahme entscheidet, muss sich darüber klar sein, dass er die Anforderungen an jedem Tag in dem dreijährigen Verpflichtungszeitraum einhalten muss, wenn er eine Rückzahlung der gewährten Boni vermeiden will. 

Die drei LEL-Tierwohlrechner Sauenhaltung, Ferkelaufzucht und Mast sind hier abrufbar.