Der von der Borchert-Kommission empfohlene Umbau der Nutztierhaltung funktioniert nicht allein über den Markt, sondern erfordert staatliches Handeln. Das bestätigt die vom Thünen-Institut erarbeitete Folgenabschätzung der Vorschläge.
Der Markt allein schafft nicht mehr Tierwohl: Jochen Borchert (von links), Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner und Professor Folkhard Isermeyer, Präsident des Thünen-Instituts, präsentierten die Folgenabschätzung der Umbauvorschläge für die Tierhaltung.
Deren wissenschaftliche Bewertung falle positiv aus, erklärte Thünen-Präsident Professor Folkhard Isermeyer am Montag dieser Woche bei der Vorstellung der Ergebnisse des Umbaukonzepts. Für dessen Umsetzung sind Isermeyer zufolge „Druck und Sog” erforderlich.
Tierwohlprämie und Kennzeichnung
Zum einen gehe es darum, über eine schrittweise
Verschärfung des Ordnungsrechts die Entwicklung auf ein höheres
Tierwohlniveau in Deutschland zu begleiten. Zum anderen sei der Staat
gefordert, diesen Anpassungsprozess finanziell zu unterstützen,
erläuterte Isermeyer. Neben einer Investitionsförderung müsse eine vom
Kompetenznetzwerk vorgeschlagene Tierwohlprämie die Landwirte in die
Lage versetzen, die erhöhten Kosten zu tragen. Zudem müssten Verbraucher
Tierwohlprodukte erkennen können. Dafür sei eine staatliche
Kennzeichnung unerlässlich.
„Die Studie bekräftigt unser Vorgehen”, erklärte
Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner. Ziele seien mehr
Tierwohl, eine hohe gesellschaftliche Akzeptanz sowie eine verlässliche
langfristige Finanzierung.
Vorschlag noch vor der Wahl
Die Ministerin kündigte an, noch in dieser
Legislaturperiode einen Vorschlag für eine Gestaltung der notwendigen
Verträge zwischen Staat und Landwirt vorzulegen, die über eine
Legislaturperiode hinausreichen sollen. Im Übrigen sei man mit der
EU-Kommission im Gespräch über eine mögliche Verlängerung der derzeit
geltenden Begrenzung des Förderzeittraums auf sieben Jahre.
Borchert: Machbar
Nach Angaben von Jochen Borchert bestätigt die
Folgenabschätzung, dass die Vorschläge des von ihm geleiteten
Kompetenznetzwerks „machbar und wirtschaftlich realistisch sind”.
Borchert betonte die Notwendigkeit, das vorgelegte Konzept „in Gänze”
umzusetzen.
Nun liege es an der Politik, eine Entscheidung zu treffen, ob die
Finanzierung über eine mengenmäßige Verbrauchssteuer auf der einen oder
eine Anhebung des ermäßigten Mehrwertsteuersatzes auf tierische
Erzeugnisse oder Lebensmittel auf der anderen Seite erfolgen solle.
Zweifel am Umsetzungswillen der Politik
Als Bestätigung für die Empfehlungen der Borchert-Kommission wertet der Deutsche Bauernverband (DBV) die Folgenabschätzung des Thünen-Instituts. „Der Umbau der Tierhaltung kann gelingen, wenn die Landwirte in die Lage versetzt werden, diesen zu bewältigen und dieser Weg durch ein verlässliches und langfristiges Förderkonzept flankiert wird”, erklärte DBV-Generalsekretär Bernhard Krüsken. Daneben nannte Krüsken eine verbindliche Haltungs- und Herkunftskennzeichnung als Voraussetzung. „Unsere Landwirte sind grundsätzlich bereit, diesen Weg mitzugehen”, betonte der DBV-Generalsekretär, meldete aber zugleich Zweifel am Willen von Bund und Ländern an, den Umbau der Tierhaltung tatsächlich in Angriff zu nehmen. Nachdem bereits mit der Novelle der Technischen Anleitung zur Reinhaltung der Luft (TA Luft) eine „Tierwohlbremse” beim Stallbau drohe, schaffe es die Koalition offenbar nicht, die für eine Erleichterung von Tierwohlinvestitionen erforderliche Änderung des Baugesetzbuchs zu beschließen.
Auch die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) sieht die Politik am Zug. „Jetzt muss es an die Umsetzung gehen”, erklärte der AbL-Bundesvorsitzende Martin Schulz zur Folgenabschätzung des Thünen-Instituts.