Politik | 07. Dezember 2017

Mehr Spielräume für Mitgliedstaaten – Greening abschaffen – Umweltziele ausweiten

Von AgE
Die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) der Europäischen Union nach 2020 soll den Mitgliedstaaten mehr Gestaltungsspielraum bei der Umsetzung einräumen. Die EU-Kommission will sich mehr damit befassen, die Rahmenbedingungen zu erstellen und die Maßnahmen der Mitgliedstaaten zu überprüfen.
Neue europäische Agrarpolitik am Horizont: Die EU-Kommission hat am 29. November ihre Vorstellungen präsentiert, wie sie aussehen soll.
Die Europäische Kommission hat am 29. November  die Mitteilung „Ernährung und Landwirtschaft der Zukunft” vorgelegt. Darin steht, dass  den  EU-Ländern  mehr Freiheit bei der Art und Weise gelassen werden soll, wie sie die auf EU-Ebene gesetzten Ziele erreichen wollen. Auf diesem Weg soll der Subsidiarität – der Entscheidungsfindung auf der niedrigstmöglichen Ebene – stärker Rechnung getragen werden. EU-Agrarkommissar Phil Hogan begründet dies damit, dass viele regionalangepasste Maßnahmen dann deutlich zielgerichteter wirken könnten. Jeder Mitgliedstaat soll in einem Strategieplan darlegen, wie diese Ziele auf nationaler Ebene erreicht werden sollen. Die Kommission muss diesen Strategieplan genehmigen.  
Ihr Augenmerk will die Kommission  weniger auf die Einhaltung von Vorschriften als vielmehr auf die Überwachung der Fortschritte legen.
Kappung und Degression im Plan
Des Weiteren sieht die Mitteilung auch eine Kappung sowie Degression der Direktzahlungen vor, die aber an die Arbeitskräfte gebunden werden sollen. Von einer konkreten Kappungsgrenze ist nicht die Rede. Hogan erklärte zudem vor Journalisten in Brüssel, dass seine Behörde das Greening in der aktuellen Form abschaffen wolle. Zwar würden die Umwelt- und Klimaschutzziele noch ausgeweitet; die Architektur in der Umsetzung des Greening werde jedoch aufgegeben. „Wir wollen den Staaten nicht länger vorschreiben, wie sie etwa ihre Hecken anlegen sollen”, so der Ire.
Kommissionsvizepräsident Jyrki Katainen erläuterte, dass bei der Reform der GAP das „Kernstück” sei, den EU-Mitgliedstaaten mehr Entscheidungsspielraum zu geben, um gemeinsame Ziele besser zu erreichen. Dabei solle es jedoch keinen „unangemessenen” Wettbewerb zwischen den Agrarsektoren der Mitgliedstaaten geben, stellte der Finne klar. Auch eine Renationalisierung der GAP lehnte er  ab.
Nach Darstellung hoher Kommissionsbeamter zielt die GAP nach 2020 vor allem auf  Umwelt- und Klimaschutz sowie auf Sinnhaftigkeit und Abstimmung von Fördermaßnahmen, etwa mit dem Ziel der landwirtschaftlichen Einkommensstabilisierung. Zudem werde ein besonderes Augenmerk auf Innovation und Bildung sowie auf ein besseres Ineinandergreifen der verschiedenen institutionellen Ebenen bis hin zu den Landwirten  gelegt.
Schmidt sieht „wertvolle Impulse”
Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt bewertete die Überlegungen der Kommission als „wertvolle Impulse” für die Diskussion auf europäischer und nationaler Ebene.  Er begrüßte, dass die Kommission den Mehrwert der GAP – vor allem bei der Sicherung der Ernährung, beim Umwelt- und Naturschutz, bei der Einkommenssicherung und der ländlichen Entwicklung – in den Mittelpunkt stelle. Damit die Landwirtschaft und die ländlichen Räume die vielfältigen Aufgaben meistern könnten, „brauchen wir eine starke und finanziell gut ausgestattete GAP”, betonte Schmidt. Begrüßt wurde von ihm auch, dass die Kommission „den erfolgreichen Weg der Marktorientierung fortsetzen will”. Ebenso unterstütze er deren Haltung, die Zwei-Säulen-Struktur aus Direktzahlungen beizubehalten. Hierbei sei es ihm wichtig, dass ein stärkeres Augenmerk auf die kleinen und mittleren Betriebe gerichtet werde.
Gezielter fördern und honorieren
Die GAP müsse künftig die Leistungen der Landwirtschaft für Umwelt, Biodiversität, Klima und natürliche Ressourcen noch gezielter fördern und stärker honorieren, führte der CSU-Politiker aus. Positiv wertete er auch den Ansatz der Kommission, die ländlichen Räume stärker in den Fokus der Agrarpolitik zu rücken. „Die Bewältigung der Zukunftsaufgaben der GAP ist aber nur möglich, wenn sie durchgreifend und für alle Beteiligten, das heißt für die Landwirte und für die Verwaltungen, spürbar vereinfacht wird”, unterstrich Schmidt. Die neue Aufgabenteilung und größere Ziel- und Ergebnisorientierung, die die Kommission in ihrer Mitteilung vorschlage, müsse sich in einer deutlichen Entlastung für die Mitgliedstaaten niederschlagen.
Bei den deutschen Agrarpolitikern im Europaparlament stießen die Pläne der Kommission überwiegend auf Skepsis. Der Agrarsprecher der EVP, Albert Deß, unterstrich die Notwendigkeit, die Gemeinsamkeiten in der EU-Agrarpolitik zu erhalten. Deß lehnt die Ansätze „für mehr Renationalisierung” strikt ab. Die Folge wären unnötige Wettbewerbsverzerrungen zwischen den Mitgliedstaaten. Die SPD-Europaabgeordnete Maria Noichl bezeichnete die Ankündigungen der Kommission als „einen ersten Schritt in die richtige Richtung”. Sie zeigte sich positiv überrascht, dass Hogan kleine und mittlere Betriebe stärken, die Agrarpolitik modernisieren und vereinfachen wolle. Für den Agrarsprecher der Grünen im EU-Parlament, Martin Häusling, sind die Kommissionspläne indes „weder eine Reform noch eine Vision”. Die nächste GAP müsse   die Aufwendung von „über 40 Milliarden Euro Steuergeldern” zugunsten von mehr Klima-, Boden- und Wasserschutz sowie mehr Tierwohl und Artenvielfalt rechtfertigen.
COPA gegen Kappung
Der Präsident des Deutschen Bauernverbandes (DBV), Joachim Rukwied, warnte in seiner Funktion als Präsident des EU-Ausschusses der Bauernverbände (COPA) vor einer Renationalisierung der GAP. Rukwied verwies auf die Notwendigkeit zumindest „ähnlicher Bedingungen” für die Landwirte in allen Mitgliedstaaten. Ansonsten drohe ein Auseinanderdriften bei den Vorschriften auf Kosten der Bauern. Des Weiteren sprach sich der COPA-Präsident gegen jegliche Form der Kappung oder Degression der Direktzahlungen in der Ersten Säule aus. Rukwied betonte, dass ein großer Betrieb unter den gleichen Herausforderungen hinsichtlich Auflagen und Bürokratie wirtschaften müsse wie ein kleinerer Betrieb. Auch verwies er auf die unterschiedlichen Agrarstrukturen. So gebe es wesentlich mehr Großbetriebe in den östlichen Mitgliedsländern, die unter einer Kappung viel mehr leiden würden als die Betriebe in anderen Regionen Europas mit weniger Großstrukturen.