Die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) der Europäischen Union nach 2020 soll den Mitgliedstaaten mehr Gestaltungsspielraum bei der Umsetzung einräumen. Die EU-Kommission will sich mehr damit befassen, die Rahmenbedingungen zu erstellen und die Maßnahmen der Mitgliedstaaten zu überprüfen.
Neue europäische Agrarpolitik am Horizont: Die EU-Kommission hat am 29. November ihre Vorstellungen präsentiert, wie sie aussehen soll.
Die Europäische Kommission hat am 29. November die Mitteilung „Ernährung und Landwirtschaft der Zukunft” vorgelegt. Darin steht, dass den EU-Ländern mehr Freiheit bei der Art und Weise gelassen werden soll, wie sie die auf EU-Ebene gesetzten Ziele erreichen wollen. Auf diesem Weg soll der Subsidiarität – der Entscheidungsfindung auf der niedrigstmöglichen Ebene – stärker Rechnung getragen werden.
EU-Agrarkommissar Phil Hogan begründet dies damit, dass viele regionalangepasste Maßnahmen dann deutlich zielgerichteter wirken könnten. Jeder Mitgliedstaat soll in einem Strategieplan darlegen, wie diese Ziele auf nationaler Ebene erreicht werden sollen. Die Kommission muss diesen Strategieplan genehmigen.
Ihr Augenmerk will die Kommission weniger auf die Einhaltung von Vorschriften als vielmehr auf die Überwachung der Fortschritte legen.
Kappung und Degression im Plan
Des Weiteren sieht die Mitteilung auch eine Kappung
sowie Degression der Direktzahlungen vor, die aber an die Arbeitskräfte
gebunden werden sollen. Von einer konkreten Kappungsgrenze ist nicht die
Rede.
Hogan erklärte zudem vor Journalisten in Brüssel, dass seine Behörde das
Greening in der aktuellen Form abschaffen wolle. Zwar würden die
Umwelt- und Klimaschutzziele noch ausgeweitet; die Architektur in der
Umsetzung des Greening werde jedoch aufgegeben. „Wir wollen den Staaten
nicht länger vorschreiben, wie sie etwa ihre Hecken anlegen sollen”, so
der Ire.
Kommissionsvizepräsident Jyrki Katainen erläuterte, dass bei der Reform
der GAP das „Kernstück” sei, den EU-Mitgliedstaaten mehr
Entscheidungsspielraum zu geben, um gemeinsame Ziele besser zu
erreichen. Dabei solle es jedoch keinen „unangemessenen” Wettbewerb
zwischen den Agrarsektoren der Mitgliedstaaten geben, stellte der Finne
klar. Auch eine Renationalisierung der GAP lehnte er ab.
Nach Darstellung hoher Kommissionsbeamter zielt die GAP nach 2020 vor
allem auf Umwelt- und Klimaschutz sowie auf Sinnhaftigkeit und
Abstimmung von Fördermaßnahmen, etwa mit dem Ziel der
landwirtschaftlichen Einkommensstabilisierung. Zudem werde ein
besonderes Augenmerk auf Innovation und Bildung sowie auf ein besseres
Ineinandergreifen der verschiedenen institutionellen Ebenen bis hin zu
den Landwirten gelegt.
Schmidt sieht „wertvolle Impulse”
Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt
bewertete die Überlegungen der Kommission als „wertvolle Impulse” für
die Diskussion auf europäischer und nationaler Ebene. Er begrüßte, dass
die Kommission den Mehrwert der GAP – vor allem bei der Sicherung der
Ernährung, beim Umwelt- und Naturschutz, bei der Einkommenssicherung und
der ländlichen Entwicklung – in den Mittelpunkt stelle. Damit die
Landwirtschaft und die ländlichen Räume die vielfältigen Aufgaben
meistern könnten, „brauchen wir eine starke und finanziell gut
ausgestattete GAP”, betonte Schmidt. Begrüßt wurde von ihm auch, dass
die Kommission „den erfolgreichen Weg der Marktorientierung fortsetzen
will”. Ebenso unterstütze er deren Haltung, die Zwei-Säulen-Struktur aus
Direktzahlungen beizubehalten. Hierbei sei es ihm wichtig, dass ein
stärkeres Augenmerk auf die kleinen und mittleren Betriebe gerichtet
werde.
Gezielter fördern und honorieren
Die GAP müsse künftig die Leistungen der Landwirtschaft
für Umwelt, Biodiversität, Klima und natürliche Ressourcen noch
gezielter fördern und stärker honorieren, führte der CSU-Politiker aus.
Positiv wertete er auch den Ansatz der Kommission, die ländlichen Räume
stärker in den Fokus der Agrarpolitik zu rücken. „Die Bewältigung der
Zukunftsaufgaben der GAP ist aber nur möglich, wenn sie durchgreifend
und für alle Beteiligten, das heißt für die Landwirte und für die
Verwaltungen, spürbar vereinfacht wird”, unterstrich Schmidt. Die neue
Aufgabenteilung und größere Ziel- und Ergebnisorientierung, die die
Kommission in ihrer Mitteilung vorschlage, müsse sich in einer
deutlichen Entlastung für die Mitgliedstaaten niederschlagen.
Bei den deutschen Agrarpolitikern im Europaparlament stießen die Pläne
der Kommission überwiegend auf Skepsis. Der Agrarsprecher der EVP,
Albert Deß, unterstrich die Notwendigkeit, die Gemeinsamkeiten in der
EU-Agrarpolitik zu erhalten. Deß lehnt die Ansätze „für mehr
Renationalisierung” strikt ab. Die Folge wären unnötige
Wettbewerbsverzerrungen zwischen den Mitgliedstaaten. Die
SPD-Europaabgeordnete Maria Noichl bezeichnete die Ankündigungen der
Kommission als „einen ersten Schritt in die richtige Richtung”. Sie
zeigte sich positiv überrascht, dass Hogan kleine und mittlere Betriebe
stärken, die Agrarpolitik modernisieren und vereinfachen wolle. Für den
Agrarsprecher der Grünen im EU-Parlament, Martin Häusling, sind die
Kommissionspläne indes „weder eine Reform noch eine Vision”. Die nächste
GAP müsse die Aufwendung von „über 40 Milliarden Euro Steuergeldern”
zugunsten von mehr Klima-, Boden- und Wasserschutz sowie mehr Tierwohl
und Artenvielfalt rechtfertigen.
COPA gegen Kappung
Der Präsident des
Deutschen Bauernverbandes (DBV), Joachim Rukwied, warnte in seiner
Funktion als Präsident des EU-Ausschusses der Bauernverbände (COPA) vor
einer Renationalisierung der GAP. Rukwied verwies auf die Notwendigkeit
zumindest „ähnlicher Bedingungen” für die Landwirte in allen
Mitgliedstaaten. Ansonsten drohe ein Auseinanderdriften bei den
Vorschriften auf Kosten der Bauern. Des Weiteren sprach sich der
COPA-Präsident gegen jegliche Form der Kappung oder Degression der
Direktzahlungen in der Ersten Säule aus. Rukwied betonte, dass ein
großer Betrieb unter den gleichen Herausforderungen hinsichtlich
Auflagen und Bürokratie wirtschaften müsse wie ein kleinerer Betrieb.
Auch verwies er auf die unterschiedlichen Agrarstrukturen. So gebe es
wesentlich mehr Großbetriebe in den östlichen Mitgliedsländern, die
unter einer Kappung viel mehr leiden würden als die Betriebe in anderen
Regionen Europas mit weniger Großstrukturen.