Pflanzenbau | 13. April 2022

Massive Belastung der Obstbranche befürchtet

Von Brigitte Werner-Gnann
Angesichts massiv steigender Betriebsmittel- und Energiepreise sowie der im Oktober anstehenden Erhöhung des Mindestlohns fürchten die Obstbauern, wirtschaftlich weiter unter Druck zu geraten.
Bei der Obsternte werden besonders viele Hilfskräfte benötigt.
Das machte die kürzlich online abgehaltene Versammlung des Landesverbandes Erwerbsobstbau (LVEO) deutlich.
„In einer Welt im Umbruch ist die Selbstversorgung wichtiger denn je”, warnte LVEO-Präsident Franz Josef Müller. Bei den Sonderkulturen  nehmen jedoch die Anbauflächen hierzulande stetig ab. Die Folge ist eine sinkende Selbstversorgung bei Obst, die aktuell bei 22 Prozent liegt, wobei es bei Äpfeln 60 und bei Erdbeeren 55 Prozent sind. 
Dringende Warnung
Müller befürchtet, dass der für Oktober angekündigte Anstieg des Mindestlohns diese Entwicklung noch verstärkt, zumal Deutschland mit zwölf Euro dann an zweiter Stelle des EU-Rankings steht.  Der Wettbewerb mit Erdbeerproduzenten aus Spanien mit einem Mindestlohn von 5,76 Euro oder mit Apfelproduzenten in Polen mit 4,61 Euro werde sich massiv verschärfen. Zudem werde dort unter anderen Standards produziert. „Keine Einfuhr von Produkten, die nicht nach deutschem Pflanzenschutzrecht erzeugt wurden – diese Diskussion müssen wir neu führen”, erklärte der LVEO-Präsident. Er sieht aber auch den Handel in der Pflicht, heimische Erzeugnisse zu fairen Preisen abzunehmen.
Obstkonsum rückläufig
Mit dem Krieg in der Ukraine haben sich die Agrarmärkte stark verändert und Nahrungsmittel erfahren eine neue Wertschätzung. Dennoch befürchtet Jörg Hilbers, dass sich der Obstbau wohl eher auf der Verliererseite wiederfindet. Einen Grund sieht der Geschäftsführer der Bundesfachgruppe Obstbau in der hohen Inflationsrate von über sieben Prozent bei gleichzeitig schwindender Kaufkraft, die eine schwächere Nachfrage nach Produkten wie Obst erwarten lasse. Dazu kommen die Überversorgung der Märkte bei allen Obstarten und die fehlende Möglichkeit, kurzfristig auf eine geänderte Nachfrage zu reagieren. Die Situation ähnle dem Russlandembargo im Jahr 2014 mit all seinen Folgen und veränderten Warenströmen für den Obstmarkt.
Erschwert werde die Lage durch die Kostenexplosion in der Produktion. Überschlägigen Kalkulationen zufolge belasteten allein die höheren Lohnkosten die Erzeugung von einem Kilo Äpfel mit zusätzlich fünf Cent. Rechnet man die Preiserhöhungen bei Betriebsmitteln mit ein, verteuert sich die Produktion um zehn Cent, eine Steigerung um 16 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. „Wir müssen uns darauf einstellen, dass die Situation schwierig wird”, warnte er die Obstbauern schon mal vor, zumal die Kostenerhöhung bei anderen Obstkulturen noch drastischer ausfalle. So rechnet Hilbers mit einer Steigerung der Produktionskosten bei Zwetschgen von 1,08 auf 1,20 Euro/kg und bei Kirschen unter Dach von 3,00 auf 3,35 Euro/kg. Der Erdbeeranbau verteuert sich um rund einen Euro pro Kilo, bei Himbeeren sind es zwei Euro pro Kilo.
Anpassung schwierig
Eine Anpassung über die Kostensenkung ist laut Hilbers kaum noch möglich. Einzig der Biobereich biete noch ein gewisses Potenzial, allerdings verbunden mit dem Risiko, dass eine verringerte Kaufkraft voll durchschlagen könnte. „Wer den Obstbau in Deutschland erhalten will, muss ihn für seine Leistungen auch bezahlen. Wir werden das einfordern”, kündigte er an und verwies auf Pluspunkte bei Artenviel-
falt, Landschaftsbild und Klimaschutz.
Keine allzu großen Hoffnungen sollten sich die Obstbauern bei der Wiederzulassung von Glyphosat ab 2024 durch die EU machen angesichts der dazu notwendigen Mehrheiten. Auch der Widerspruch zum Anwendungsverbot in Wasserschutzgebieten habe nicht die besten Erfolgsaussichten. Die Fachgruppe werde sich aber für den bislang fehlenden Erschwernisausgleich einsetzen. Weiter werde überlegt, eine Petition gegen das Glyphosatverbot auf den Weg zu bringen, was von der Mitgliederversammlung befürwortet wurde.
Hilbers informierte, dass die Apfelverteilaktion vom vergangenen September wiederholt und in Zusammenarbeit mit der Bundesvereinigung der Erzeugerorganisationen Obst und Gemüse noch ausgebaut werden soll. Dabei wird versucht, den Handel für eine Apfelaktionswoche zu gewinnen, die unter dem Motto steht „Zeit für deutsche Äpfel”.