Land und Leute | 04. März 2015

Ein Austausch, der dringend nötig ist

Von Gisela Ehret
Eine Diskussionsrunde, bei der Bauern, Verbraucher und Tierschützer an einem Tisch sitzen – kann das funktionieren? Ja, es kann. Das zeigte sich kürzlich beim Nachtcafé „Das große Fressen” im Bildungshaus Kloster St. Ulrich. Zwei Landwirte, ein Berufsstandsvertreter, eine Tierschutzbeauftragte, ein landwirtschaftlicher Berater und ein SWR-Moderator:Das waren die Teilnehmer der Talkrunde im ersten Teil des Abends. Der BBL, das BLHV-Bildungswerk, das Bildungshaus Kloster St. Ulrich und das Katholische Landvolk hatten eingeladen.
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SWR-Moderator Johannes Kehm moderierte die Runde, zu der auch Landestierschutzbeauftragte Cornelie Jäger gehörte.
ans-Martin Schwarz, Bauberater beim Landwirtschaftsamt Donaueschingen, betonte, dass Landwirte in der Regel gewillt seien, mehr für das Wohl ihrer Tiere zu tun. Der größte Anreiz hierfür sei die betriebswirtschaftliche Seite: Tiere, denen es gut geht, bringen mehr biologische Leistung. Cornelie Jäger, die Tierschutzbeauftragte des Landes Baden-Württemberg, betonte dabei, dass generell die Umsetzung von Tierwohl im Rinderbereich einfacher sei. Denn hier liefen die Interessen von Halter und Tier eher in eine Richtung, während bei der Schweine- und Hühnerhaltung eine Interessenkollision entstehen könne.
Nach der Erfahrung von Schwarz werden neue Ställe sehr tiergerecht gebaut: „Da bewegt sich was”, sagte der Bauberater. „Der staatliche Zuschuss ist da ein Anreiz und ein He-
bel, den wir ganz bewusst nutzen.” Es gebe mittlerweile auch im strukturell benachteiligten Schwarzwald ein tolles Kontingent an Boxenlaufställen, berichtete Schwarz. Dennoch betonte er auch, dass nicht alle Betriebe investieren können.  Milchviehhalter Andreas Deyer  ergänzte, dass es nicht immer ein neuer Stall sein muss, um die Zustände für die Tiere zu verbessern: „Man kann mit kleinen Dingen viel bewirken.”
Wieso aber kommt das Bemühen der Tierhalter, ihren Tieren ein angenehmes Leben zu ermöglichen, nicht bei der Bevölkerung an? Dazu erklärte Roger Fechler vom Deutschen Bauernverband (DBV): „Wir haben bisher zu wenig informiert, wie wir Tiere halten. Die Verbraucher sind heute geschockt, wenn sie das Wort ‚Vollspaltenboden‘ hören.”  In der Gesellschaft finde ein Wertewandel statt, mit dem Bauern mitgehen müssten. Die Tierschutzbeauftragte Jäger betonte: „Wir brauchen dringend vertrauensbildende Maßnahmen, und dafür braucht es Transparenz.” Die beiden Landwirte in der Runde leben das vor: „Es kann jeder auf meinen Hof kommen, ich habe nichts zu verbergen”, sagt Deyer. Auch Legehennenhalter Martin Zapf hat regelmäßig Besuchergruppen auf dem Hof. „Ich kann es nicht jedem recht machen, aber die Verbraucher, die den Hof anschauen und alles erklärt bekommen, gehen mit einem positiven Gefühl”, so seine Erfahrung.
Zur Transparenz gehört nach Einschätzung von Zapf, Schwarz und Jäger auch die eindeutige Kennzeichnung von Lebensmitteln. „An der Ladentheke muss der Verbraucher  differenzieren können”, findet Zapf. Jäger ist überzeugt: „Die Legehennenhalter machen mit der Eier-Kennzeichnung vor, wie es überall laufen sollte mit der Kennzeichnung.” Studien zeigten, dass gerade die jüngere Bevölkerung nach und nach bewusster und konsequenter einkaufe. „Diesen Konsumenten muss die Entscheidungsfreiheit gegeben werden und auch etwas zwischen konventionell und bio angeboten werden”, bekräftigte
die Tierschutzbeauftragte. Ihr schwebt ein mehrstufiges Modell wie bei der Eierkennzeichnung vor.
Nach der Ansicht von Roger Fechler hingegen haben alle bisherigen Markenfleischprogramme nicht funktioniert. Er stellte das gegensätzliche Konzept der „Initiative Tierwohl” vor: Der Verbraucher sieht an der Ladentheke nicht, ob das Fleisch aus dieser Initiative kommt. Der Landwirt aber bekommt für verschiedene Maßnahmen zur Tierwohl-Verbesserung Prämien. Er kann dabei selbst entscheiden, welche der Maßnahmen aus dem Katalog er umsetzen will oder kann. „Das Programm geht in die Breite”, erklärte Fechler. „Wir wollten alle Landwirte mitnehmen. Entscheidend ist, dass ein neuer Weg gegangen wird.”
 
Moralapostel und Welternährer
Im zweiten Teil des Abends bekamen die Zuhörer die Gelegenheit, sich selbst in zwei Arbeitskreisen an der Diskussion zu beteiligen. Die erste Gruppe, „Moralapostel versus Welternährer”, beschäftigte sich vor allem mit folgenden Fragen: Ist Fleischverzicht eine Lösung? Wie  sollten sich Verbraucher und Landwirt verhalten? Verbraucher beklagten das Fehlen von Orientierungswerten und Transparenz beim Einkauf. Landwirte beklagten das schlechte Bild von Landwirtschaft, das die Medien verbreiten. SWR-Moderator Johannes Kehm konnte das bestätigen. Klar wurde dabei: Jeder muss sich selbst an die eigene Nase fassen. Landwirte müssen von alleine einen Schritt nach vorne machen, um Standards zu verbessern. Und Verbraucher müssen verantwortungsbewusst einkaufen. Dabei war eine angenehme Wertschätzung zwischen Verbrauchern und Bauern zu spüren. „Ich bin froh, zu sehen, dass hier Menschen sind, die sich Gedanken über das einzelne Tier machen”, so eine Verbraucherin  zu den anwesenden Bauern. In manchen Punkten waren sich beide Parteien einig: Die regionale Landwirtschaft sollte gefördert und erhalten werden, kleine Betriebe bestehen bleiben. Konsens war auch: Grundsätzlich sollten alle weniger Fleisch essen, damit die Weltbevölkerung weiterhin ernährt werden kann.
In der anderen Gruppe beschäftigten sich die Diskussionspartner mit umstrittenen  Maßnahmen im Nutztierbereich: Dem Anbringen von Ohrmarken, dem Kupieren von Ringelschwänzen, dem Enthornen  von Rindern und dem betäubungslosen Kastrieren von Ferkeln. In dieser Runde erfuhren die Verbraucher, warum die Landwirte welche Maßnahmen ausführen. So manchem wird der Kopf geraucht haben, als Begriffe wie Improvac,  Inhalationsnarkose und genetisch hornlos fielen. Dabei wurde klar, dass die Verbraucher, auch solche, die sich als Tierschützer bezeichnen, oft schlecht oder falsch informiert sind. Einig waren sich die Teilnehmer der Runde, dass jeder Eingriff eine Anpassung des Tiers an die Situation im Stall bleibt, aber dass die für Tier und Mensch  schonendste Methode gewählt werden sollte.
Fazit des Abends: Tierschützer und Landwirte müssen mehr miteinander reden. „Ich finde es schön, dass diese Diskussion stattfindet”, brachte es ein Bauer auf den Punkt.