Land und Leute | 30. November 2017

„Mehr als nur gegen Pestizide wettern”

Von Sylvia Pabst
„Wir diskutieren das Falsche”, sagt Klaus Wallner über den öffentlichen Diskurs zum Bienensterben. Der Bienenexperte der Uni Hohenheim sprach beim Bäuerinnenausschuss der südbadischen Landfrauen in Freiburg. Allein Pestizide als Ursache verantwortlich zu machen, sei zu kurz gesprungen.
Zu Beginn seines Vortrags räumt Klaus Wallner ein Missverständnis aus: Das Thema Bienensterben, über das derzeit häufig gesprochen werde, ziele in erster Linie auf Wildbienen und Hummeln, nicht auf die bekannte Honigbiene. So gibt es laut Wildbienen-Kataster derzeit 585 Arten von Bienen. Sie alle nehmen im Ökosystem eine wichtige Rolle als Bestäuberinnen, aber auch als Futterquelle und nach ihrem Tod als organische Substanz, aus der Humus entsteht, ein.
Landwirt Thomas Metzler hat auf seinen Donau-Silphie-Feldern bei Hahnennest Hochsitze aufgestellt. Er lädt dazu ein, sich von dort ein Bild von der Blütenpracht und der großen Vielfalt bestäubender Insekten zu machen.
Bei Wildbienen beträgt der Bewegungsradius bis zu 500 Metern, bei den Solitärbienen unter ihnen nur bis zu 150 Metern. Fehlen in ihrem Aktionsradius Futterquellen, sprich die passenden blühenden Pflanzen, haben diese Insekten keine Überlebenschance. Zumal viele Arten auf nur eine Pflanze spezialisiert sind. Im Gegensatz zu ihnen können Honigbienen bis zu sechs Kilometern weit fliegen und sich daher leichter Futterquellen suchen.

In der Öffentlichkeit würden meist Pflanzenschutzmittel für das Sterben von Bienen verantwortlich gemacht, sagt Wallner. Er leitet an der Landesanstalt für Bienenkunde, Uni Hohenheim, den Fachbereich Rückstandsanalyse Bienenschutz. Doch, unterstreicht er, zur Lösung der Problematik gehöre mehr, als nur „gegen Pestizide zu wettern”. Er lenkt den Blick verstärkt auf das mangelnde Futterangebot für Bienen aller Art, das fatale Folgen hat: „Die Bestäuber verschwinden aus der Kulturlandschaft”, sagt Wallner. Es gebe in der fast vollständig vom Menschen geschaffenen Umwelt kaum noch Ödland. Zudem verdränge der bei Silierung übliche frühe Grünlandschnitt blühende Pflanzen. Dies sowie die Monokulturen im Ackerbau sind für Wildbienen keine optimalen Bedingungen. Entsprechend wichtig ist es Wallner, Balancen zu schaffen. So setzt er beispielsweise auf ausreichend zusätzliche Blühstreifen im Ackerbau und auf artenreiche Pflanzengesellschaften bei der Heubewirtschaftung in Verbindung mit Förderprogrammen wie bei Heumilch-Produkten. Sinnvoll seien zudem Feldfutterbau verstärkt mit Pflanzen wie Luzerne oder Kleearten sowie blühende Bäume und Sträucher am Feldrand und auf Höfen. Bei Biogas wirbt er für die Anpflanzung von Blütenpflanzen wie Silphie statt Mais, und er setzt auf Greening, also Landbewirtschaftungsmethoden, die den Klima- und Umweltschutz fördern. Auch Zuschüsse für landwirtschaftliche Betriebe, die bienenfreundliche Spritzverfahren wie Dropleg beim Raps (siehe unten) anwenden, und Ökolandbau beziehungsweise pestizidfreie konventionelle Landwirtschaft zählt er zu seinen Lösungsansätzen. Damit soll Sorge getragen werden, dass dem Landbau die für ihn überlebenswichtigen bestäubenden Insekten nicht abhanden kommen und das Ökosystem nicht dauerhaft geschädigt wird.

Ebenso wichtig findet Wallner verstärkte Verbraucheraufklärung. Denn umweltgerechte Landwirtschaft hat ihren Preis. Es müsse klar werden, welche „verheerende Wirkung die Geiz-ist-geil-Mentalität auf das Landschaftsbild, die Pflanzengesellschaften, die Nahrungskette und mehr” habe. Schon in den Bildungsplänen müsse diese Aufklärungsarbeit verankert werden, fordert er. Weitere Themen der Veranstaltung waren Grundwasser und Landwirtschaft sowie Superfood.


Dropleg

Beim Rapsanbau gibt es eine Möglichkeit, die offenen Blüten vor Spritzbrühe zu schützen. Beim sogenannten Dropleg-System sind an einem herunterhängenden Rohr am unteren Ende Düsen montiert, sodass nur der untere Teil der Pflanzen gegen Pilzsporen, die vom Boden aus die Pflanze angreifen, behandelt wird. Durch diese „Tieferlegung” bleiben die Blüten im Gegensatz zur Überkopfbehandlung vom Spritzmittel verschont, was Bienen und einer geringeren Honigbelastung zugute kommt.

 
Bienenpflanzen und Projekt Blütenkorn
Lea Kretschmer, Doktorandin an der Landesanstalt für Bienenkunde, wirbt für bienenfreundliche Pflanzen und nennt Informationsquellen: das Netzwerk Blühende Landschaft bietet unter www.bluehende-landschaft.de Handlungsempfehlungen für Interessierte in den Bereichen Landwirtschaft, Gärtnerei, Imkerei und für Bürgerinnen und Bürger. Zudem gibt es den Bienenweidepflanzenkatalog Baden-Württemberg www.bienenweidekatalog-bw.de.

Klaus Wallner verweist auf die Versandgärtnerei Jaesch, spezialisiert auf insektenfreundliche Pflanzen: www. immengarten-jaesch.de. Auch berichtet er vom Projekt Blütenkorn der BG Neuhof in Schöntal (Hohenlohekreis). Dort werden in den Fahrgassen zwischen Getreidefeldern Blühpflanzen gesät und das Getreide seltener oder nicht mehr gespritzt. Die Ernte wird in Zusammenarbeit mit einer Mühle unter dem Namen Blütenkorn verarbeitet und vermarktet. „Über Blütenbänder vernetzte Landschaften und Bauernhöfe als Bienenbiotope, so stellen wir uns die Zukunft vor”, sagt Wallner. www.bluetenkorn.de