Land und Leute | 18. August 2016

Jeweils wichtige Ansprechpartnerinnen

Von Birgitta Klemmer
Das zunehmende Höfesterben, der Erhalt der Bildungszeit sowie die medizinische Versorgung und der Nahverkehr auf dem Land waren Themen bei einem Treffen von Vertreterinnen der drei Landfrauenverbände in Baden-Württemberg und des Landwirtschaftsministeriums in Stuttgart.
Im Gespräch mit den Vertreterinnen der Arbeitsgemeinschaft der Landfrauenverbände Baden-Württembergs bezeichnete die neue Ministerialdirektorin Grit Puchan die Landfrauen als „wichtige Ansprechpartnerinnen im Ministerium”.  Staatssekretärin Friedlinde Gurr-Hirsch (bereits von 2004 bis 2011 in diesem Amt) machte deutlich, wie das Land sich dem Thema Höfesterben stellen wolle. Die südbadische Landfrauenpräsidentin Rosa Karcher hatte zuvor dargestellt, dass die anhaltend niedrigen Erzeugerpreise für nahezu alle landwirtschaftlichen Erzeugnisse für viele Betriebe existenzbedrohend seien, was Folgen für die Strukturen auf dem Land habe.  Gerade in Ferienregionen wie dem Schwarzwald, dem Bodensee oder der Schwäbischen Alb leiste die Landwirtschaft wertvolle Landschaftspflege und steigere damit die touristische Attraktivität der Region, so Karcher. Sie forderte unter anderem, dass Tierhaltung in Mittelgebirgsregionen mit erschwerten Bewirtschaftungsbedingungen gefördert werden muss. Gurr-Hirsch sagte, dass die Politik derzeit alle Möglichkeiten auslote, um öffentliche Leistungen der Landwirtschaft auch mit öffentlichen Geldern zu honorieren. So sei unter anderem für die Viehhaltung ein Programm zum Ausgleich der Bewirtschaftung in schwierigen Lagen vorgesehen. Auch das Regionalmarketing soll noch weiter gestärkt werden. Hier sieht sie in den Botschafterinnen für Agrarprodukte aus der Region wichtige Partnerinnen.
Grit Puchan, neu im Amt als Ministerialdirektorin
Karchers Amtskollegin vom Landfrauenverband Württemberg-Baden, Marie-Luise Linckh, betonte, wie wertvoll die vielfältigen Weiterbildungsangebote der Bildungswerke der Landfrauenverbände seien. Aktuelle Themen würden in die Fläche getragen und Frauen über die Bildungsarbeit zu bürgerschaftlichem Engagement und politischer Mitbestimmung motiviert. „Jährlich führen die Bildungswerke 120 000 Unterrichtseinheiten durch, mit mehr als 145 000 Teilnehmenden”, rechnete sie vor. Die Staatssekretärin bescheinigte den Verbänden wertvolle Arbeit und verwies auf den Koalitionsvertrag, in dem die ländliche Erwachsenenbildung als wichtiges Anliegen explizit hervorgehoben wird. Linckh unterstrich die besondere Bedeutung der Qualifizierung von ehrenamtlichen Führungskräften:
Bildungszeit erhalten
„Über diese Angebote gewinnen wir Frauen für die Vorstandsarbeit und können die Vereine zukunftsweisend aufstellen.” Sie forderte den Erhalt der Bildungszeit auch für ehrenamtliche Qualifizierungen. Es sei nicht zielführend, wenn die Politik die gerade erst eingeführte Bildungszeit für ehrenamtliche Fortbildungen schon jetzt wieder in Frage stelle und diese somit gar nicht erst die Chance habe, sich zu bewähren, mahnte Linckh.
Juliane Vees, Präsidentin des Landfrauenverbands Württemberg-Hohenzollern, sprach die Mobilität im ländlichen Raum an. „Busverbindungen müssen erhalten bleiben”, sagte sie, „auch mit Blick auf die zunehmende Zahl von älteren Menschen sowie Flüchtlingsfamilien auf den Dörfern.” Sie forderte
zudem höhere Zuschüsse bei den Schülerbeförderungskosten, um kinderreiche Familien zu entlasten. Als kritisch bewertete sie die medizinische Versorgung: „Viele Hausärzte gehen bald in den Ruhestand und finden keine Praxisnachfolger. Auch bei den Krankenhäusern im ländlichen Raum wird die Luft immer dünner, sie schreiben rote Zahlen und suchen händeringend Fachpersonal.” Die festgelegten Hilfsfristen bei der Notfallversorgung würden im ländlichen Raum ebenfalls selten eingehalten. Sie forderte, dass die Regierung gezielt Akzente setzt, um im ländlichen Raum eine qualitätsgesicherte gesundheitliche Versorgung halten zu können. Gurr-Hirsch berichtete von Plänen, im kommunalen Finanzausgleich einen Demografiefaktor einzuführen, um kleineren Gemeinden zu helfen, ihre Infrastruktur trotz schwindender Bevölkerung aufrechtzuerhalten.