Land und Leute | 25. Juni 2020

„Ich würde jederzeit wieder mitmachen”

Von Michaela Bross
Landfrau Heike Lemminger weiß, wie aufregend ein Tag vor der Kamera sein kann: Gemeinsam mit ihrem Mann Max und wohl Tausenden von Kirschen ließ sie sich in Mösbach bei der Ernte für eine Fernsehdokumentation begleiten.
Völlig fasziniert ist Kameramann Felix Hugenschmidt von der Aufsammelmaschine. Da heißt es für ihn nah drangehen.
45 Minuten soll die Dokumentation lang werden. Wann sie ausgestrahlt wird, bestimmt der Sender, und das ist das ZDF. Christian David von Story House Production ist der Autor und Redakteur. Er ist extra aus Berlin angereist. Seine Dokumentation geht über die Ernte der „Mon-Chéri-Kirsche”. In der Ortenau. Nicht im italienischen Piemont – wo solche Kirschen überhaupt nicht wachsen. Die von der Firma Ferrero angepriesenen Piemont-Kirschen sind schlicht eine Marketingerfindung, um den örtlichen Bezug zu der einst in Alba gegründeten Firma herzustellen. Und so heißt es auf der Homepage des Unternehmens: „Für Mon Chéri verwenden wir nur allerbeste Kirschen aus bevorzugten Anbaugebieten auf der ganzen Welt.” Seit mehr als zehn Jahren gehört dazu auch das Acher- und Renchtal in der Ortenau.
In Mösbach ist morgens um sieben die Welt noch in Ordnung. Nur bei Familie Lemminger ist die Anspannung zu merken. Erwartungsvoll schauen sie die Straße entlang, aus der das Kamerateam kommen soll. „Ich bin schon ganz aufgeregt”, sagt Landfrau Heike Lemminger. Für sie ist es ja zum Glück nicht das erste Mal, dass ein Fernsehteam da ist: „Beim Kirschblütenfest wurde ich auch schon gefilmt vom SWR beim Zubereiten meiner Spezialität Lendchen mit Kirschfüllung”, erzählt sie. Endlich ist das Dreierteam da. Christian David hat noch Kameramann Felix Hugenschmidt und Kameraassistent Leon Schnabl, beide aus Stuttgart, mitgebracht. Alle drei freuen sich über den strahlend blauen Himmel über dem Kirschenfeld. Da wird zuerst die Drohnenkamera ausgepackt. Und ab geht sie in die Luft: Nach oben, nach unten, nach links, nach rechts – und schon sind die ersten Bilder im Kasten. „Es passt”, bestätigt Felix Hugenschmidt. Wie schön doch die Region um Mösbach von oben aussieht, einfach idyllisch.
Weiter zu den Antextbildern. Als Antextbild wird eine Szene bezeichnet, bei der eine zu interviewende Person zuerst bei einer neutralen Handlung gezeigt wird. Auf dem Kirschenfeld bedeutet dies: Heike und Max Lemminger bewegen sich auf den Baum zu, der die Kirschen für die Pralinen liefert. Sie kontrollieren die Größe der Früchte und versuchen sich so natürlich wie möglich vor der laufenden Kamera zu geben. Noch läuft kein Ton mit. Erst ganz zum Schluss des Drehs werden mit beiden Interviews über die Pralinenkirschen geführt. Mehrmals müssen sie Früchte durch eine Größenschablone fallen lassen und die Zweige am Baum anfassen, bis alles für den Kamermann im Kasten ist.
Übrigens – ein klein wenig wie im Piemont („am Fuß der Berge”) ist es hier in der Ortenau dann doch: Liegen die norditalienischen Hügel zwischen Alpen und Po, breitet sich Mittelbadens Obstgarten zwischen Schwarzwald und Rhein aus. Exzellente Weine, ob Barolo oder Spätburgunder, gibt es in beiden Gegenden. Autor Christian David saugt die Informationen wie ein Schwamm auf und macht sich Notizen. Auch wenn das Drehbuch feststeht, spontan kann er immer noch etwas einbauen. 
Die ersten Sequenzen sind gedreht, jetzt gibt es eine Begehung auf dem Kirschenfeld. Wie fällt das Licht? Über welchem Baum gibt es die besten Luftaufnahmen? Wie wird der Dreh optimal?
Fest, knackig und aromatisch
Die Größe der Kirschen ist wichtig. Heike und Max Lemminger zeigen dies anhand einer entsprechenden Schablone.
Max Lemminger informiert über die Bäume und die Pralinenkirschen, außerdem über die Ernte einst und heute. Mit kritischem Blick betont er: „Die Qualitätskontrolle ist wichtig.” Die Kirschen müssen fest, knackig und aromatisch sein, wie er sagt. Auch die Größe sei wichtig. Zwischen 18 und 21 Millimeter müssen sie haben. Sind sie zu klein, werden sie gebrannt, sind sie zu groß, werden sie zu Marmelade verarbeitet.
Dann geht es ans Baumschütteln. „Es gibt zwei Arten”, erklärt Max Lemminger dem ZDF-Team. Bei der älteren Methode werden mit einem Seil die Äste des Baums geschüttelt, bei der jüngeren geht es mit einem maschinellen Greifer direkt an den Stamm. Ganz früher, so der Landwirt, kamen Leitern und Körbe zum Einsatz.
Schon das Schütteln mit dem Seil fasziniert das Team, und so werden dort die ersten Bilder von der Ernte gedreht. Beim Schütteln am Stamm nimmt Kameramann Felix Hugenschmidt mehrere Sequenzen auf. Einmal von weiter weg, dann immer näher, und teilweise geht er auf die Knie. Die Kirschen fallen auf das unter dem Baum ausgebreitete Tuch. Die Nahaufnahme ist da für den Kameramann ein Muss. Dann wird das Tuch von einer Aufsammelmaschine aufgewickelt, sodass die Früchte auf einem Förderband und anschließend in Kisten landen. Diese werden beim Obstgroßmarkt in Oberkirch abgeliefert, wie Max Lemminger berichtet. Heike Lemminger ergänzt: „Dort werden die Kirschen nochmals von dem Unternehmen Fies sortiert und anschließend nach geheimem Rezept in Alkohol eingelegt.”
Begeistert ist Kameramann Felix Hugenschmidt von der Maschine und macht von allen Seiten Aufnahmen. „Können Sie das nochmals wiederholen?”, fragt er, und schon ist die Kamera wieder bereit. Sein Assistent nutzt einen Faltreflektor zum Aufhellen und Abdunkeln oder macht mit dem Handy Schnappschüsse. Dann kommt wieder die Drohne zum Einsatz. Die Ernte soll auch von oben zu sehen sein. Der Vormittag ist schnell vorbei, und für das ZDF-Team heißt es Abschiednehmen. Doch zuvor übergibt Mösbachs Ortsvorsteherin Gabi Bär jedem von ihnen ein kleine Flasche Kirschwasser als Mitbringsel aus dem Drei-Kirschen-Dorf, so benannt nach den drei Kirschen im Mösbacher Wappen. Für Heike Lemminger war es ein besonderer Tag: „Das Fernsehteam waren nette junge Leute und ganz unkompliziert. Ich würde jederzeit wieder mitmachen bei einem Dreh.”