Politik | 09. November 2017

Landwirtschaft zählt zu schweren Brocken

Von AgE
Die Sondierungsgespräche für ein „Jamaika-Bündnis” kamen beim Thema „Landwirtschaft/Verbraucherschutz” – Stand Anfang dieser Woche – nur mühsam voran. Es gab einige allgemeine Aussagen, aber noch keine Einigung bei einer Vielzahl von Punkten.
CDU, CSU, FDP und Grüne wollen die Menge chemischer Wirkstoffe reduzieren, die in der Landwirtschaft eingesetzt werden.
Die Gespräche sollen an diesem Freitag (10. November) fortgesetzt werden. Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt äußerte sich trotz der bislang mageren Ergebnisse zufrieden. Alle Gesprächspartner hätten ihre grundsätzliche Unterstützung der Landwirtschaft zum Ausdruck gebracht, erklärte der CSU-Politiker.
Nicht auf dem Rücken der Bauern
Besonders erfreulich ist für Schmidt das Einvernehmen aller Gesprächsbeteiligten, notwendige Veränderungen nicht auf dem Rücken der Bauern abladen zu wollen. „Wir betrachten diese Veränderungen und Verbesserungen als gesellschaftliche Aufgabe”, betonte der Minister. Lösungsansätze für die künftige Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) habe man skizzieren können. Als „erste zarte Annäherung” wertete Grünen-Agrarsprecher Friedrich Ostendorff das vorgelegte Papier. Immerhin habe man sich auf „wichtige grundsätzliche Bekenntnisse” wie das  Plädoyer für eine vielfältige Agrarstruktur sowie den Einsatz für Umwelt- und Tierschutz verständigt.
Gesellschaftlicher Konsens als Ziel
Union, FDP und Grüne bekennen sich in ihrem Zwischenstandspapier zu einer vielfältigen Agrarstruktur und dem Ziel einer wirtschaftlich erfolgreichen Landwirtschaft. Sie sollte zugleich mit den Zielen des Umweltschutzes und der Biodiversität in Einklang stehen. Betont wird die Bedeutung der Landwirtschaft als ein wichtiger Wirtschaftsfaktor im ländlichen Raum.
Nicht einig geworden ist man sich in der Gewichtung von Ordnungsrecht und freiwilligen Maßnahmen zur Erfüllung von Anforderungen im Umweltschutz und beim Tierwohl. Zur Finanzierung freiwilliger Maßnahmen sind laut dem Papier Mittel aus dem allgemeinen Haushalt ebenso denkbar wie „die Überprüfung der bisherigen Agrargeldverteilung”. Konsens besteht aber darin, dass die Kosten nicht einseitig zu Lasten der Bauern gehen sollen.
Über die Nutztierhaltung streben die möglichen künftigen Koalitionspartner einen gesellschaftlichen Konsens an. Sie wollen den Tierschutz voranbringen und den Tierhaltern einen „planungssicheren und verlässlichen Weg” ermöglichen, unter anderem durch finanzielle Anreize. Weiter geprüft werden sollen ein staatliches Tierwohllabel, Investitionsprogramme für tierwohlgerechte Ställe, das Baurecht, eine Überarbeitung der Nutztierhaltungsverordnung sowie eine Nutztierhaltungsstrategie.
Reduzieren wollen CDU, CSU, FDP und Grüne die Menge chemischer Wirkstoffe, die in der Landwirtschaft eingesetzt werden. Das Spektrum verfügbarer chemischer Präparate will man um neue und zielgenauere Wirkstoffe erweitern, die Zulassung „transparenter, unabhängig und schneller” gestalten. Diskussionsbedarf sehen die Parteien im Zusammenhang mit dem chemischen Pflanzenschutz unter anderem noch zu den Stichworten Ökolandbau, Digitalisierung, Überprüfung der Anwendung in der Praxis sowie Lenkungswirkung durch Abgaben oder Gebühren.
Bei der Weiterentwicklung der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) will man sich für eine bessere Zielorientierung, den Abbau administrativer Hemmnisse sowie eine finanzielle Honorierung für eine Produktion einsetzen, „die Umwelt, Natur und Klima schützt und das Tierwohl fördert”.
Diskussionsbedarf zur GAP
Union, FDP und Grüne fordern eine angemessene finanzielle Ausstattung der GAP. Einvernehmen besteht darin, dass deren Neuausrichtung nicht zu Strukturbrüchen in der Landwirtschaft führen darf. Konkrete Festlegungen gibt es aber weder zur Neuausrichtung der GAP noch zu einer möglichen Deckelung der Direktzahlungen. Dies wollen die Parteien ebenso weiter prüfen wie „Bundesprogramme für Gemeinwohlleistungen” und einen „Agrarexport unter fairen Bedingungen”.
In der Verbraucherpolitik haben sich die möglichen „Jamaika-Partner” darauf verständigt, die Ernährungspolitik und den gesundheitlichen Verbraucherschutz als eine Einheit zu betrachten. Man sei sich der Bedeutung einer gesunden Ernährung bewusst und diskutiere dazu die Verstärkung von Informations- und Bildungsangeboten.
Ähnlich kurz fällt die Übereinkunft zum Thema „Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse” aus. Zu deren Gewährleistung will man strukturpolitische Konzepte erarbeiten. Genannt werden unter anderem eine neue Ausrichtung der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes” (GAK), eine „Dezentralisierungsstrategie” und eine flächendeckende Versorgung bei Mobilfunk, Breitband sowie in den Bereichen Bildung und Gesundheit.
DBV: erhebliches Konfliktpotenzial
Der Deutsche Bauernverband machte keinen Hehl aus seiner Enttäuschung über die bisherigen Sondierungsergebnisse, äußerte aber zumindest die Hoffnung, „dass die Diskussion zwischen den potenziellen Koalitionären die Schlagworte hinter sich gelassen hat”.
Gleichzeitig monierte der Verband, dass eine Reihe von kritischen Punkten „zwar identifiziert, aber nicht geklärt” sei. Diese Fragen bergen laut DBV noch erhebliches Konfliktpotenzial, das in den weiteren Gesprächen „pragmatisch, fachlich und wissensbasiert” gelöst werden müsse. Als Richtschnur seien dabei die Wettbewerbsfähigkeit der Landwirtschaft und ihre Bedeutung für die Wirtschaftskraft des ländlichen Raumes anzusetzen. Dies werde aus dem derzeitigen Papier noch nicht hinreichend deutlich.
Angesichts der Erklärungen aller Parteien im Vorfeld der Sondierungsgespräche zur Notwendigkeit einer Stärkung der ländlichen Räume vermisst der Bauernverband eine angemessene Berücksichtigung dieser Fragen in den vorliegenden Sondierungspapieren zur Landwirtschaft sowie zum Thema „gleichwertige Lebensverhältnisse”. „Wer Politik für das Land machen will, darf die Anliegen der ländlichen Regionen und deren strukturelle Stärkung nicht weiterhin ausklammern”, mahnte der DBV.