Politik | 08. September 2022

„Landwirte an Bord holen”

Von AgE
Bei den Plänen zur Verringerung des Pflanzenschutzmitteleinsatzes in der Europäischen Union dürfte insbesondere um die geplanten Vorgaben für die sogenannten sensiblen Gebiete und deren Definition intensiv gerungen werden.
Streitpunkt „sensible Gebiete”: Erwartungsgemäß sehr kontrovers wurden im Europaparlament die Pläne der EU-Kommission zur Reduktion des Pflanzenschutzmitteleinsatzes diskutiert.
Das ist auch bei der Sitzung des Landwirtschaftsausschusses des Europaparlaments am 31. August  deutlich geworden. Der Vertreter der EU-Kommission, der Leiter des Referats für Pflanzen und ökologische Erzeugung in der Generaldirektion Gesundheit (DG SANTE), Andrew Owen-Griffiths, bekräftigte die Position der Brüsseler Behörde. Zwar würden Bedenken und praktische Einwände bei der weiteren Arbeit an dem Entwurf berücksichtigt. Sensible Gebiete seien allerdings nicht ohne Grund als sensibel eingestuft worden; daher wolle man das Ambitionsniveau erhalten, erklärte Owen-Griffiths.
„Reduktionsziele müssen erreicht werden”
Er wies zugleich darauf hin, dass die vorgesehenen Reduktionsziele bis zum Jahr 2030 erreicht werden müssten. Es gehe um einen Übergang zu einer nachhaltigeren Agrarproduktion. Wichtig werde es sein, alle Akteure „an Bord zu holen”. Ausdrücklich schloss der Kommissionsvertreter dabei die Landwirte ein.
Owen-Griffiths stellte außerdem klar, dass es nicht um eine pauschale Halbierung des Einsatzes aller Pflanzenschutzmittel gehe. Grundlage seien gewichtete Verkäufe, bei denen die mit höheren Risiken verbundenen Wirkstoffe stärker berücksichtigt würden. Dadurch würden Anreize für den Einsatz von harmloseren Produkten und Alternativen geschaffen. Zudem seien biologische Mittel und solche auf Basis von Mikroorganismen nicht Teil der Zielvorgaben.
Der Kommissionsvertreter betonte, dass kein grundsätzliches Verbot von Pflanzenschutzmitteln angestrebt werde. Zu den Kernpunkten des Entwurfs gehöre der Integrierte Pflanzenschutz, der als letzten Ausweg auch den Einsatz von gefährlicheren Wirkstoffen vorsehe.
Erwartungsgemäß kontrovers diskutiert wurden von den Abgeordneten die Pläne der EU-Kommission. „Es ist ein bedeutendes Thema und ich habe nicht den Eindruck, dass sich die Kommission voll bewusst ist, was die Auswirkungen ihres Vorschlags sind”, erklärte der Vorsitzende des Landwirtschaftsausschusses, Norbert Lins. Er kritisierte, dass der Kommissionsvertreter bei seinen Einlassungen „mehrmals” auf Aspekte der Umwelt und des Gesundheitsschutzes eingegangen sei, aber die Ernährungssicherheit und die Auswirkungen auf die Erträge nicht thematisiert habe. Ähnlich äußerte sich der Agrarsprecher der Fraktion der Europäischen Volkspartei (EVP), Herbert Dorfmann. „Ich habe jetzt wirklich nichts gehört, welche Auswirkungen das dann auf die landwirtschaftliche Produktion hat”, so der Südtiroler. Die SPD-Europaabgeordnete Maria Noichl sprach sich derweil klar für eine Verringerung des Pflanzenschutzmitteleinsatzes in Europa aus. Ernährungsunsicherheit entstehe durch Abhängigkeiten von Pflanzenschutzmitteln und Futterimporten. Die Agrarsprecherin der liberalen Fraktion Renew Europe (RE), Ulrike Müller, zeigte sich offen für die Absicht der Kommission, die Gesetzgebung von einer Richtlinie in eine Verordnung zu überführen. Dadurch würden Wettbewerbsverzerrungen vermieden. Der agrarpolitische Sprecher der Grünen/EFA im Europaparlament, Martin Häusling, begrüßte die Vorlage der Kommission „ausdrücklich”. Es handele sich um einen wichtigen Schritt nach vorn, der weder die Landwirtschaft noch die Ernährungssicherheit gefährde, sondern der Biodiversität nütze.
DBV kritisiert Datengrundlage
Der Deutsche Bauernverband (DBV) mahnte  eine Abschätzung der zu erwartenden Folgen an.  Er kritisierte, dass die „zentrale Frage” der Ernährungssicherheit sowie die Gefahr der Verdrängung der Produktion in Drittländer mit niedrigeren Umweltstandards nicht ausreichend  thematisiert worden seien. Widerstand formierte sich in der vergangenen Woche auch im Bundesrat. Im Agrarausschuss der Länderkammer fielen die Empfehlungen zu den Brüsseler Vorschlägen kritisch aus. Die  gemeinsamen Anträge von Bayern und Baden-Württemberg  wurden mit deutlicher Mehrheit angenommen. Der Bundesrat wird am 16. September Stellung nehmen.