Politik | 28. Januar 2021

Kritik aus den eigenen Reihen

Von AgE
Der Entwurf des SPD-geführten Bundesumweltministeriums für ein Insektenschutzgesetz stößt auch in den eigenen Reihen auf Kritik. Der niedersächsische Umweltminister präferiert eine kooperative Herangehensweise analog zum „niedersächsischen Weg”.
Über die Frage, ob Insektenschutz betrieben werden muss, gibt es keinen Dissens. Beim „Wie” wird jedoch Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) sogar von Parteifreund und Ressortkollege Olaf Lies kritisiert.
„Wir können mit der Vorlage nicht leben”, sagte der niedersächsische Umweltminister Olaf Lies am 20. Januar in einer Online-Veranstaltung des Deutschen Bauernverbandes (DBV) zum Insektenschutz in der Agrarlandschaft. Der SPD-Politiker begründete seine ablehnende Haltung mit Widersprüchen zum „niedersächsischen Weg” für den Natur-, Arten- und Gewässerschutz, auf den sich die Landesregierung im vergangenen Jahr mit Vertretern der Landwirtschaft und von Umweltschutzverbänden verständigt hat.
Kern des „niedersächsischen Weges” sei die gemeinsame Herangehensweise und die Einbeziehung der Praktiker beider Seiten in die Erarbeitung von Regelungen. Hier gibt es Ähnlichkeiten mit dem Biodiversitätsstärkungsgesetz in Baden-Württemberg.
Im Ergebnis setze Niedersachsen vor allem auf das Prinzip „Anreize statt Zwang”. Sollte Freiwilligkeit nicht möglich sein, müsse ein Erschwernisausgleich gezahlt werden. Lies monierte ein „ausgeprägtes Ressortdenken” auf Bundesebene, das tragfähige Lösungen erschwere.
Die stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Gitta Connemann, bekräftigte ihre Kritik am Gesetzentwurf des Umweltressorts, der auf Verbotspolitik setze und kooperative Ansätze im Artenschutz zunichte mache. Betroffen von den geplanten Bewirtschaftungseinschränkungen in Gebieten gemäß der Fauna-Flora-Habitat(FFH)-Richtlinie und Vogelschutzgebieten wären laut Connemann bis zu zwei Millionen Hektar landwirtschaftlich genutzte Fläche, ohne dass dafür ein finanzieller Ausgleich vorgesehen sei. Dies komme einer „kalten Enteignung” gleich. Die CDU-Politikerin rief Bundesumweltministerin Svenja Schulze dazu auf, den Gesetzentwurf ihres Hauses zurückzuziehen oder grundlegend zu überarbeiten.
Der Umweltbeauftragte des DBV, Eberhard Hartelt, betonte, dass   das Aktionsprogramm Insektenschutz in der Landwirtschaft nach wie vor als Affront angesehen werde, weil Insektenschutz hauptsächlich über Unterschutzstellungen und Verbote umgesetzt werden solle und nicht über Kooperation.
Dialog auf Augenhöhe
Hartelt stellte zugleich klar, dass der Anlass für das Aktionsprogramm nachvollziehbar sei. Verschiedene Studien belegten den Rückgang der Insektenbiomasse und die zunehmende Gefährdung von Insekten. Entscheidend sei daher beim Insektenschutz nicht das Ob, sondern das Wie. Die Landwirte müssten in Entscheidungsprozesse und in die Maßnahmengestaltung einbezogen werden. „Arten- und Insektenschutz in der Agrarlandschaft geht nur mit den Landwirten”, unterstrich Hartelt. Deren Erfahrungen seien einzubeziehen. Voraussetzung dafür sei ein verstärkter Dialog zwischen Landwirtschaft und Naturschutz „auf Augenhöhe”. Erforderlich seien zudem praxistaugliche, in Produktionsabläufe intensiv wirtschaftender Betriebe integrierbare und ökologisch wirksame Lösungen. Gleichzeitig dürften Maßnahmen Erträge nicht gefährden und die Wirtschaftlichkeit der Betriebe nicht beeinträchtigen. „Landwirte müssen mit Naturschutz auch Geld verdienen können”, so der Umweltbeauftragte. Die Förderfähigkeit von Maßnahmen dürfe daher nicht durch das Ordnungsrecht gefährdet werden. Im Ergebnis müsse Naturschutz auch als Betriebszweig möglich sein.
Unterdessen erhöhten die Umweltverbände ihren Druck auf die Bundesregierung. Die Regierung müsse endlich ein wirksames Gesetzespaket zum Insektenschutz auf den Weg bringen, heißt es in einer gemeinsamen Erklärung von acht Verbänden, darunter NABU, BUND, WWF und Greenpeace.