Politik | 22. August 2019

Kretschmann begutachtet den Waldzustand

Von Wolfgang Scheu
Im Kreis Waldshut machte sich Ministerpräsident Winfried Kretschmann am Dienstag ein Bild von den dramatischen Waldschäden, die Dürre und Schädlingsbefall verursacht haben. Über Notfallhilfen wurde gesprochen. Konkretes dazu gab es noch nicht.
Betretene Gesichter: Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Mitte) und die ihn begleitende Delegation beim Blick auf die Schäden im Wald
Das Problem ist akut und katastrophal, darin ist man sich einig. Die Rede war von vielen privaten Waldbesitzern, denen alles schon über den Kopf gewachsen ist,  die schon fast resigniert haben und sich zum Teil schon nicht mehr in ihren Wald trauen. Details über einen schnellen Rettungsplan gab es nicht an diesem Tag. Konkrete Verhandlungen über Notfallhilfen soll es im September geben.
Es war fast wie vor drei Wochen beim Besuch von Forstminister Peter Hauk (die BBZ berichtete). Am Dienstag wurde klar, dass beim neuerlichen Vor-Ort-Termin die Situation nun endgültig zu einem Thema der Landesregierung geworden ist. Trotz Urlaub ist Ministerpräsident Winfried Kretschmann mit großer Abordnung nach Ühlingen-Birkendorf gereist, um sich umfassend zu informieren. Dabei waren neben Peter Hauk  Regierungspräsidentin Bärbel Schäfer, Felix Schreiner, Rita Schwarzelühr-Sutter (Bundestagsabgeordnete), Sabine Hartmann sowie  Patrick Rapp als Vertreter des Landtags. Im vollen Bus saßen neben Vertretern von Forst BW mit Landesforstpräsident Max Reger, der Freiburger Forstpräsidentin Anja Peck, Konstantin Teuffel von der Versuchsanstalt, Helge von Gilsa vom Kreisforstamt Waldshut auch Landrat Martin Kistler, Bürgermeister Tobias Gantert, BLHV- Vizepräsident Bernhard Bolkart, Vorstandsmitglied  Oswald Tröndle und weitere Waldbesitzer.
Der erste Halt war wieder an der Berghausstraße, Abzweigung Richtung Hagnau, auf der Gemarkung Waldshut-Tiengen, wo die Situation augenscheinlich deutlich wurde und die Schadenssituation inklusive Verkehrssicherungsproblematik ausführlich erläutert wurde. Die Gesichter wurden noch ernster und so manchem stockte fast der Atem, als man auf eine Lichtung kam, wo vor wenigen Tagen noch dichter Wald stand. Privatwaldbesitzer Edgar Probst aus Riedern besitzt 40 Hektar Wald. Richtigerweise muss man sagen, er besaß diese Waldfläche, denn mittlerweile sind schon 40 Prozent davon dem Borkenkäfer zum Opfer gefallen. Symbolisch pflanzten Kretschmann und Hauk eine Buche und eine Douglasie auf der Brachfläche.
Problem der ganzen Gesellschaft
Helge von Gilsa vom Kreisforstamt Waldshut weiß, dass der Wald in seiner jetzigen Form keine Zukunft hat. Er sagt ganz klar, dass man bei der Wiederaufforstung nicht die gleichen Fehler machen dürfe wie beim Waldsterben in den 80er-Jahren. Er vertraut auf die Zusammenarbeit mit den Fachleuten der forstlichen Versuchsanstalt in Freiburg. Ob es nun eine Mischung aus Douglasie, Tulpenbaum, Roteiche oder anderen sein wird, steht laut Konstantin von Teuffel von der Versuchsanstalt noch nicht fest. Sicher sei, dass es eine Veränderung geben müsse. Aber dies sei nur möglich, wenn die ganze Gesellschaft helfe, die Erderwärmung einzugrenzen, so der Wissenschaftler.
Minister Peter Hauk  bezifferte die Schäden im dreistelligen Millionenbereich. Mehr Personal könne nicht helfen. „So viele Leute kann es gar nicht geben, dass wir den Schäden noch hinterherkommen”, sagte er.
„Der Klimawandel ist wirklich Realität”
„Der Klimawandel ist wirklich eine Realität”, betonte Kretschmann in seiner Schlussansprache. Es ist seines Erachtens „die Menschheitsaufgabe des Jahrhunderts, sich diesem Problem zu stellen”. Er beschrieb den Wald als Ökosystem und als wichtigen Ressourcenlieferanten. „Wir können froh und stolz  darauf sein, über die Jahrhunderte eine nachhaltige Forstwirtschaft begründet zu haben. Wir haben auch Fehler gemacht … aber hinterher ist man halt immer gescheiter”, sagte der Ministerpräsident.
Was tun?  „Es sind viele kluge  Ratgeber unterwegs”, sagte Kretschmann. „Sie und auch die Besserwisser müssen an einen Tisch gebracht werden. Und wir in der politischen Verantwortung müssen dann sortieren und das tun, was für alle vernünftig und notwendig erscheint.” Forschungsergebnisse gelte es zu vernetzen und zu bündeln. Als überzeugter Föderalist setze er auch auf die Zusammenarbeit mit dem Bund.  „Die Privatwaldbesitzer brauchen schnelle Hilfen von Bund und Land, bevor es in die längerfristigen Phasen geht”, sagte Kretschmann ebenso. Für Anfang September hat die Landesregierung einen baden-württembergischen „Waldgipfel” angekündigt.