Kurz vor Weihnachten gab es ein Verhandlungsergebnis am „runden Tisch” auf Basis der Eckpunkte der Landesregierung. Für das Volksbegehren ProBiene wird nicht mehr geworben. Der folgende Beitrag will aufzeigen, was mit dem Kompromiss abgewendet und was auf die Landwirtschaft in Baden-Württemberg zukommen wird.
Ein Knackpunkt: Der BLHV hält eine Reduktion der chemisch-synthetischen Pflanzenschutzmittel um 40 bis 50 Prozent bis 2030 nicht für machbar.
Das ProBiene-Gesetz hätte eine Flächenreduktion um 50 Prozent bis 2025 beim Einsatz von Pflanzenschutzmitteln und Bioziden verlangt.
Der Kompromiss sieht demgegenüber eine mengenmäßige
Reduktion von chemisch-synthetischen Pflanzenschutzmitteln um 40 bis 50
Prozent vor. Pflanzenschutzmittel des Ökolandbaus und Biozide bleiben
außen vor. Die Reduktion umfasst Maßnahmen in der Landwirtschaft, im
Forst, im Haus- und Kleingarten, bei öffentlichen Grünflächen sowie im
Verkehrsbereich. Der Zeitraum wird bis 2030 gestreckt.
Reduktion Pflanzenschutzmittel
Es handelt sich dabei lediglich um ein Ziel des Landes. Die
Zielerreichung wird mit Freiwilligkeitsinstrumenten angestrebt. Der
Gesetzentwurf stellt klar: „Daraus resultiert keine einzelbetriebliche
Verpflichtung.” Der BLHV hält eine Reduktion der chemisch-synthetischen
Pflanzenschutzmittel um 40 bis 50 Prozent bis 2030 nicht für machbar und
hat dieser Zahl deshalb auch nicht zugestimmt.
Verbote in Naturschutzgebieten
Das ProBiene-Gesetz hätte ab 2021 ein Verbot von
„Pestiziden” (Pflanzenschutzmittel und Biozide) großräumig in diversen
Schutzgebieten bedeutet, was auf rund 30 Prozent der Landesfläche auch
Grünlandbetriebe und den Ökolandbau betroffen hätte. Die
Naturschutzverwaltung hätte keine praktikablen Ausnahmen genehmigen
können.
Der Kompromiss sieht nun ab 2022 ein Verbot von Pflanzenschutzmitteln und Bioziden
ausschließlich in Naturschutzgebieten (rund 2,4 Prozent der Landesfläche) vor. Verboten sind dort also beispielsweise
Reinigungsmittel in Melkanlagen, Pflanzenschutz in Ökobetrieben,
Holzschutzmittel sowie Mittel gegen Ektoparasiten, Schnaken, Ratten. Der
Gesetzentwurf sieht Ausnahmen vor, mit deren Hilfe betroffene
landwirtschaftliche Betriebe in Naturschutzgebieten dadurch nicht in
ihrer Existenz gefährdet werden sollen.
Der BLHV fordert für verbleibende Nachteile einen vollen finanziellen Ausgleich.
IP wird in Schutzgebieten bürokratisch
Der Kompromiss lässt einen nur
restriktiven Einsatz von Pflanzenschutzmitteln zu in Landschaftsschutz-,
Naturschutz-, Natura-2000-Gebieten, Pflegezonen der Biosphärengebiete,
gesetzlich geschützten Biotopen und Naturdenkmalen. Hierzu werden die
bereits zu beachtenden allgemeinen Grundsätze des Integrierten
Pflanzenschutzes (IP) um landesspezifische Maßnahmen konkretisiert. Die
folgenden Maßnahmen sind zu dokumentieren und werden im Rahmen des
landwirtschaftlichen Fachrechts kontrolliert.
-
Einhaltung einer Fruchtfolge zur Vorbeugung von Fruchtfolgeschadorganismen,
-
konsequente Bestandsbeobachtung auf Schadorganismen,
-
Prognosemodelle,
-
Beachtung vorgegebener Schadschwellen,
-
Verwendung nützlingsschonender Pflanzenschutzmittel,
-
Anlegen von Spritzfenstern.
Darüber hinaus sollen innerhalb von fünf Jahren Maßnahmen zur
kulturspezifischen Förderung von Nützlingen etabliert sein, und es soll
Applikationstechnik mit hoher Abdriftminderung verwendet werden.
Der BLHV fordert, dass IP-Aufzeichnungen nicht schlagbezogen erfolgen
müssen und möglichst auf vorhandene Dokumentationen zurückgegriffen
wird.
Ökolandwirtschaft mit Maß
Das ProBiene-Gesetz hätte als Landesziel eine Ausdehnung des
Ökoanteils der landwirtschaftlichen Fläche vorgegeben von derzeit 14
Prozent auf 25 Prozent in 2025 und 50 Prozent in 2035. Verpachtete
landwirtschaftliche Flächen in Landeseigentum würden an Ökobetriebe
verpachtet.
Der Kompromiss verfolgt ein ähnliches Ziel: 30 bis 40 Prozent der
Landwirtschaftsfläche sollen bis 2030 nach Grundsätzen des Ökolandbaus
bewirtschaftet werden. Allerdings betont das Land, dass dies nur über
eine Nachfragesteigerung erfolgen kann und diese unterstützt wird.
Neuverpachtete landwirtschaftliche Flächen in Landeseigentum sollen
vorrangig an Bewirtschafter verpachtet werden, die auf den Flächen die
Kriterien des biologischen Landbaus einhalten. Bei der Neuverpachtung
müssen negative Auswirkungen auf die Agrarstruktur vermieden werden.
Konventionelle Bewirtschafter haben bei der Verpachtung also ebenfalls
eine Chance.
Der BLHV fordert, dass bei der Neuverpachtung die Öko-Kriterien zum
Beispiel bei Beantragung der FAKT-Maßnahme D1 „Chemieverzicht” als
eingehalten gelten und diese Maßnahme auch für Teilbetriebe angeboten
werden.
Biotopverbund kostet Fläche
Das ProBiene-Gesetz wollte den Biotopverbund zwingend im
Regional- oder Flächennutzungsplan sichern, nicht mehr wie bisher nur,
wenn es erforderlich oder geeignet ist.
Der Kompromiss sieht vor, den Biotopverbund von bisher zehn Prozent auf
13 Prozent des Offenlandes bis 2027 auszubauen und auf 15 Prozent bis
2030. Die Kommunen können dazu nicht verpflichtet werden. Angestrebt
werden zehn Prozent Refugialflächen auf der Landwirtschaftsfläche in
Baden-Württemberg und fünf Prozent je Betrieb auf freiwilliger Basis,
zum Beispiel FAKT oder GAP. Daraus resultiert keine einzelbetriebliche
Verpflichtung.
Der BLHV fordert, dass bei der Umsetzung des Biotopverbunds die Belange der Agrarstruktur zu berücksichtigen sind.
Umwandlungsantrag für Streuobstbestände
Das ProBiene-Gesetz hätte Streuobstbestände ab
2500 Quadratmetern mit mindestens 50 Meter Abstand zum Wohn- oder
Hofgebäude über den strengen gesetzlichen Biotopschutz geschützt.
Der Kompromiss wird für Streuobstbestände ähnlich wie Wald eine
Genehmigungspflicht der Umwandlung bringen. Betroffen sind
Streuobstbestände allerdings bereits ab 1500 Quadratmetern, die mit
großteils starkwüchsigen, hochstämmigen und großkronigen Obstbäumen in
weiträumigen Abständen zueinander stehen. Die Entnahme von Einzelbäumen
ist nicht berührt.
Der BLHV fordert eine Anhebung der Mindestfläche auf 2500
Quadratmeter/Flurstück und einen Mindestabstand von 50 Metern vom
nächsten Hof- und Wohngebäude.
Weitere Maßnahmen
Das ProBiene-Gesetz fokussiert sich auf die Landwirtschaft.
Der Kompromiss enthält eine Reihe weiterer Maßnahmen, unter anderem aus
dem Volksantrag, wie zum Beispiel Förderung der Kulturlandschaft, des
ökologischen Landbaus, der Vermarktung, Maßnahmen gegen
Lichtverschmutzung. Ferner werden Pflanzenschutzmittelverbote für
Privatgärten in Schutzgebieten, Begrünung von Gartenanlagen, Siedlungen
und Verkehr geregelt, ein landesweites Kompensationsverzeichnis
eingeführt, ein Dialogforum eingerichtet und Maßnahmen für Bildung,
Beratung, Förderung angekündigt.
Der Gesetzentwurf kann freilich im bevorstehenden parlamentarischen
Verfahren noch geändert werden. Der BLHV fordert, den
Lebensmitteleinzelhandel und die Discounter bei der Vermarktung
regionaler Produkte in die Verantwortung zu nehmen und den
Flächenverbrauch wirksam zu beschränken. Er verweist hierbei auf seinen
Volksantrag, der auf einen Gesellschaftsvertrag abzielt.