„Erstaunt und irritiert” hat sich Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner über die Kritik von EU-Klimakommissar Frans Timmermans an den Verhandlungspositionen des Rates und Europaparlaments zur Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) gezeigt. Am Montag tagten die EU-Agrarminister online.
Die Agrarratspräsidentin betonte bei der Online-Konferenz der Landwirtschaftsminister, dass die Kompromisse zwischen den 27 EU-Mitgliedstaaten anzuerkennen seien. Anderenfalls würde die EU nicht funktionieren, zumal man „um den besten Weg” gerungen habe. Klöckner warf Timmermans vor, mit seinen Äußerungen die Stimmung gegen die Landwirtschaft „anzuheizen”.
Im Interview mit dem Fachpressedienst Agra-Europe hatte der geschäftsführende Vizepräsident und hauptverantwortliche Kommissar für den Green Deal vorige Woche in Sachen Umwelt- und Klimaschutz nochmals auf „nachdrücklichere Positionen” im Zuge der GAP-Reform gedrängt. Zu den Eco-Schemes stellte der Niederländer fest, dass diese nicht eine Fortsetzung der bisherigen Greening-Maßnahmen sein dürften. Vielmehr müssten die Eco-Schemes zu einem wirklichen „Game-Changer” entwickelt werden.
Julia Klöckner, derzeit Präsidentin des EU-Agrarrats, forderte Frans Timmermans, hauptverantwortlicher EU-Kommissar für den Green Deal, dazu auf, die Kompromisse zwischen den 27 EU-Mitgliedstaaten anzuerkennen.
Des Weiteren hatte Timmermans laut niederländischen Medien und der „Süddeutschen Zeitung” darauf verwiesen, dass die EU-Kommission immer das Recht habe, einen Vorschlag einzuziehen, wenn sie der Meinung sei, dass das, was Parlament und Rat machten, zu weit „von der Natur des Vorschlags” entfernt sei. Der Sozialdemokrat stellte allerdings auch klar, dass man diesen Punkt nicht erreicht habe.
Bauern „kein Spielball”
Derweil hieß es aus dem Umfeld des
geschäftsführenden Vizepräsidenten, man wünsche sich, der Rat würde über
Inhalte und mögliche Nachbesserungen diskutieren, anstatt sich an
einzelnen Aussagen des Klimakommissars abzuarbeiten.
Unterdessen stellte EU-Agrarkommissar Janusz Wojciechowski gegenüber
Medienvertretern klar, dass keine Rücknahme der GAP-Vorschläge geplant
sei. Der Pole unterstrich auch, dass die Ziele des Green Deal umgesetzt
werden müssten; dazu sei er von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der
Leyen aufgefordert worden.
Derweil forderten mehrere EU-Landwirtschaftsminister Timmermans auf, die
Positionen des Rates und des Europaparlaments zu respektieren. Dazu
gehörte insbesondere auch Frankreichs Landwirtschaftsminister Julien
Denormandie. Österreichs Ministerin Elisabeth Köstinger bezeichnete die
Einlassungen des Kommissionsvizepräsidenten sogar als „respektlos”. Die
Bauern seien „kein Spielball der Kommission”.
Auch mehr Tierschutz angemahnt
In ihrem GAP-Beschluss vom Oktober hatten
sich die Minister unter anderem auf einen Mindestanteil der Eco-Schemes
in der Ersten Säule von 20 Prozent geeinigt. Allerdings soll es dem
Ratskompromiss zufolge in den ersten beiden Jahren der Reform – also
2023 und 2024 – eine Lernphase geben, wonach nicht für Umweltleistungen
genutzte Gelder wieder in die Basisprämie fließen dürfen. Das Parlament
hatte sich für einen Anteil von durchschnittlich 30 Prozent und gegen
die von Klöckner ins Spiel gebrachte Lernphase ausgesprochen. Die Kritik
der Kommission an den Vorschlägen richtet sich indes vor allem an die
Konditionalitätsanforderungen für die Direktzahlungen. Hier hatte
Wojciechowski auf Nachbesserungen gedrängt. Für unzureichend hält die
Brüsseler Behörde unter anderem die Regelungen zum „guten
landwirtschaftlichen und ökologischen Zustand von Flächen” (GLÖZ 9).
Zudem betonte der Agrarkommissar bei der Videokonferenz diese Woche auch
die Bedeutung des Tierschutzes. Dieser müsse sich „wirkungsvoll” in der
Konditionalität widerspiegeln.
Den Wald nachhaltig bewirtschaften
Eigentliches Thema des Rates war gemäß der Tagesordnung
unter anderem die Forstwirtschaft. Vor dem Hintergrund der zuvor
beschlossenen Schlussfolgerungen zur EU-Waldstrategie betonte
Agrarratspräsidentin Klöckner, dass die Stärkung der Wälder mit einer
nachhaltigen Forstwirtschaft einhergehe. Wichtig sei in diesem
Zusammenhang eine „kluge Balance zwischen Klimaschutz, Biodiversität und
Wirtschaftlichkeit”. „Denn es sind unsere Forstwirte und Waldbesitzer,
die den Erhalt und den klimaangepassten Umbau des Waldes gestalten
müssen”, so die deutsche Ministerin. Die aktuelle Waldstrategie läuft
zum Ende des Jahres aus.
Laut dem Bundeslandwirtschaftsministerium forderten die Agrarminister
die Kommission auf, mit ihren für das erste Halbjahr 2021 erwarteten
Vorschlägen drei Hauptziele zu verfolgen. Dazu zählen sie die Förderung
einer nachhaltigen und multifunktionalen Waldbewirtschaftung sowie die
Unterstützung des Forst- und des forstbasierten Sektors „mit seinen
Millionen von Waldbesitzern als Teil einer Lösung für die
internationalen Entwicklungsziele und der damit verbundenen politischen
Ziele der EU”. Als drittes Ziel nennt das deutsche Landwirtschaftsministerium die Verbesserung der Koordinierung und
Kohärenz der forstbezogenen Politiken der EU und der Zusammenarbeit
zwischen den Mitgliedsländern sowie zwischen der Kommission, den
Mitgliedstaaten und relevanten Interessenvertretern.
Strategie zur Schweinehaltung
Neben der Waldstrategie befassten sich die Agrarminister
auch mit der Lage auf den landwirtschaftlichen Märkten. Der Fokus lag
dabei auf dem EU-Schweinefleischmarkt. Die Afrikanische Schweinepest
(ASP) und die damit einhergehenden Exportbeschränkungen seien ein
besonderes Problem, stellte der Agrarkommissar fest. Derweil leide der
Fleischabsatz unter der Corona-Krise und den Unsicherheiten rund um den
Brexit. Auf Nachfrage von Pressevertretern erklärte Wojciechowski, dass
seine Behörde inzwischen doch mit dem Gedanken von Markinterventionen
spiele. Dazu gehöre die Möglichkeit von Beihilfen zur Privaten
Lagerhaltung (PLH). Dies sei allerdings eine kurzfristige Maßnahme. Zur
langfristigen Lösung der Probleme des Schweinesektors wolle sein Stab
eine Strategie vorlegen, wie vor allem den kleinen und mittleren
Schweinehaltern unter die Arme gegriffen werden könne, kündigte der Pole
an. Er äußerte in dem Zusammenhang die Ansicht, dass vor allem die
Großbetriebe für die Ausbreitung der ASP verantwortlich seien. Einzelne
Mitgliedstaaten sehen aber die Kommission ebenfalls in der Pflicht, mehr
zu tun. Polen und Tschechien forderten die Behörde in einer gemeinsamen
Erklärung dazu auf, die ASP-Seuchenbekämpfung besser zu koordinieren
und Verwaltungsverfahren zu vereinfachen. Auch sollte Brüssel die
ASP-Bekämpfung finanziell stärker unterstützen.