Politik | 19. November 2020

Klöckner im Clinch mit Timmermans

Von AgE
„Erstaunt und irritiert” hat sich Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner über die Kritik von EU-Klimakommissar Frans Timmermans an den Verhandlungspositionen des Rates und Europaparlaments zur Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) gezeigt. Am Montag tagten die EU-Agrarminister online.
Die Agrarratspräsidentin betonte bei der Online-Konferenz der Landwirtschaftsminister, dass die Kompromisse zwischen den 27 EU-Mitgliedstaaten anzuerkennen seien. Anderenfalls würde die EU nicht funktionieren, zumal man  „um den besten Weg” gerungen habe. Klöckner warf Timmermans vor, mit seinen Äußerungen die Stimmung gegen die Landwirtschaft „anzuheizen”.
Im Interview mit dem Fachpressedienst Agra-Europe hatte der geschäftsführende Vizepräsident und hauptverantwortliche Kommissar für den Green Deal vorige Woche in Sachen Umwelt- und Klimaschutz nochmals auf „nachdrücklichere Positionen” im Zuge der GAP-Reform gedrängt. Zu den Eco-Schemes stellte der Niederländer fest, dass diese nicht eine Fortsetzung der bisherigen Greening-Maßnahmen sein dürften. Vielmehr müssten die Eco-Schemes zu einem wirklichen „Game-Changer” entwickelt werden.
Julia Klöckner, derzeit Präsidentin des EU-Agrarrats, forderte Frans Timmermans, hauptverantwortlicher EU-Kommissar für den Green Deal, dazu auf, die Kompromisse zwischen den 27 EU-Mitgliedstaaten anzuerkennen.
Des Weiteren hatte Timmermans laut niederländischen Medien und der „Süddeutschen Zeitung” darauf verwiesen, dass die EU-Kommission immer das Recht habe, einen Vorschlag einzuziehen, wenn sie der Meinung sei, dass das, was Parlament und Rat machten, zu weit „von der Natur des Vorschlags” entfernt sei. Der Sozialdemokrat stellte allerdings auch klar, dass man diesen Punkt nicht erreicht habe.
Bauern „kein Spielball”
Derweil hieß es aus dem Umfeld des geschäftsführenden Vizepräsidenten, man wünsche sich, der Rat würde über Inhalte und mögliche Nachbesserungen diskutieren, anstatt sich an einzelnen Aussagen des Klimakommissars abzuarbeiten.
Unterdessen stellte EU-Agrarkommissar Janusz Wojciechowski gegenüber Medienvertretern klar, dass keine Rücknahme der GAP-Vorschläge geplant sei. Der Pole unterstrich auch, dass die Ziele des Green Deal umgesetzt werden müssten; dazu sei er von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen aufgefordert worden.
Derweil forderten mehrere EU-Landwirtschaftsminister Timmermans auf, die Positionen des Rates und des Europaparlaments zu respektieren. Dazu gehörte insbesondere auch Frankreichs Landwirtschaftsminister Julien Denormandie. Österreichs Ministerin Elisabeth Köstinger bezeichnete die Einlassungen des Kommissionsvizepräsidenten sogar als „respektlos”. Die Bauern seien „kein Spielball der Kommission”.
Auch mehr Tierschutz angemahnt
In ihrem GAP-Beschluss vom Oktober hatten sich die Minister unter anderem auf einen Mindestanteil der Eco-Schemes in der Ersten Säule von 20 Prozent geeinigt. Allerdings soll es dem Ratskompromiss zufolge in den ersten beiden Jahren der Reform – also 2023 und 2024 – eine  Lernphase geben, wonach nicht für Umweltleistungen genutzte Gelder wieder in die Basisprämie fließen dürfen. Das Parlament hatte sich für einen Anteil von durchschnittlich 30 Prozent und gegen die von Klöckner ins Spiel gebrachte Lernphase ausgesprochen. Die Kritik der Kommission an den Vorschlägen richtet sich indes vor allem an die Konditionalitätsanforderungen für die Direktzahlungen. Hier hatte Wojciechowski auf Nachbesserungen gedrängt. Für unzureichend hält die Brüsseler Behörde unter anderem die Regelungen zum „guten landwirtschaftlichen und ökologischen Zustand von Flächen” (GLÖZ 9). Zudem betonte der Agrarkommissar bei der Videokonferenz diese Woche auch die Bedeutung des Tierschutzes. Dieser müsse sich „wirkungsvoll” in der Konditionalität widerspiegeln.
Den Wald nachhaltig bewirtschaften
Eigentliches Thema des Rates war gemäß der Tagesordnung unter anderem die Forstwirtschaft. Vor dem Hintergrund der zuvor beschlossenen Schlussfolgerungen zur EU-Waldstrategie betonte Agrarratspräsidentin Klöckner, dass die Stärkung der Wälder mit einer nachhaltigen Forstwirtschaft einhergehe. Wichtig sei in diesem Zusammenhang eine „kluge Balance zwischen Klimaschutz, Biodiversität und Wirtschaftlichkeit”. „Denn es sind unsere Forstwirte und Waldbesitzer, die den Erhalt und den klimaangepassten Umbau des Waldes gestalten müssen”, so die deutsche Ministerin.  Die aktuelle Waldstrategie läuft zum Ende des Jahres aus.
Laut dem Bundeslandwirtschaftsministerium forderten die Agrarminister die Kommission auf, mit ihren für das erste Halbjahr 2021 erwarteten Vorschlägen drei Hauptziele zu verfolgen. Dazu zählen sie die Förderung einer nachhaltigen und multifunktionalen Waldbewirtschaftung sowie die Unterstützung des Forst- und des forstbasierten Sektors „mit seinen Millionen von Waldbesitzern als Teil einer Lösung für die internationalen Entwicklungsziele und der damit verbundenen politischen Ziele der EU”. Als drittes Ziel nennt das deutsche  Landwirtschaftsministerium die Verbesserung der Koordinierung und Kohärenz der forstbezogenen Politiken der EU und der Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedsländern sowie zwischen der Kommission, den Mitgliedstaaten und relevanten Interessenvertretern.
Strategie zur Schweinehaltung
Neben der Waldstrategie befassten sich die Agrarminister auch mit der Lage auf den landwirtschaftlichen Märkten. Der Fokus lag dabei auf dem EU-Schweinefleischmarkt. Die Afrikanische Schweinepest (ASP) und die damit einhergehenden Exportbeschränkungen seien ein besonderes Problem, stellte der Agrarkommissar fest. Derweil leide der Fleischabsatz unter der Corona-Krise und den Unsicherheiten rund um den Brexit. Auf Nachfrage von Pressevertretern erklärte Wojciechowski, dass seine Behörde inzwischen doch mit dem Gedanken von Markinterventionen spiele. Dazu gehöre die Möglichkeit von Beihilfen zur Privaten Lagerhaltung (PLH). Dies sei allerdings eine kurzfristige Maßnahme. Zur langfristigen Lösung der Probleme des Schweinesektors wolle sein Stab eine Strategie vorlegen, wie vor allem den kleinen und mittleren Schweinehaltern unter die Arme gegriffen werden könne, kündigte der Pole an. Er äußerte in dem Zusammenhang die Ansicht, dass vor allem die Großbetriebe für die Ausbreitung der ASP verantwortlich seien. Einzelne Mitgliedstaaten sehen aber die Kommission ebenfalls in der Pflicht, mehr zu tun. Polen und Tschechien forderten die Behörde in einer gemeinsamen Erklärung dazu auf, die ASP-Seuchenbekämpfung besser zu koordinieren und Verwaltungsverfahren zu vereinfachen. Auch sollte Brüssel die ASP-Bekämpfung finanziell stärker unterstützen.