Politik | 15. August 2019

Klimaforscher mahnen zum Umsteuern

Von AgE
Wegen negativer Auswirkungen auf Klima und Umwelt fordert der Weltklimarat (IPCC) eine grundsätzliche Neuausrichtung der globalen Landwirtschaft. Unter anderem die Reduzierung des Fleischverzehrs, Aufforstung und der Ausbau des Energiepflanzenanbaus werden empfohlen.
Eine Steigerung des Humusgehaltes ist klimaschonend, weil CO2 gebunden wird.
Der IPCC fordert ein radikales Umsteuern bei der Landnutzung. Um die wachsende Erdbevölkerung  zu ernähren und zugleich das Klima zu schützen, müsse die internationale Gemeinschaft sofort handeln.
Die Landwirtschaft sei zusammen mit den  Abholzungen weltweit für rund 23 % der menschengemachten Treibhausgas-(THG-)Emissionen verantwortlich, bei Kohlendioxid (CO2) sind es 13 %, bei Methan (CH4) 44 % und bei Lachgas (N2O) 82 %. Gleichzeitig leide die Landwirtschaft  besonders  unter den Folgen des Klimawandels.  Die Branche sei daher ein zentrales Handlungsfeld zur Anpassung an den Klimawandel, heißt es in dem fast 1000 Seiten dicken Bericht, an dem 107 Wissenschaftler aus 52 Ländern mitgearbeitet haben.
Der weltweite Temperaturanstieg habe über den Landflächen der Erde bereits 1,53 °C erreicht, vergleiche man die Zeiträume 1850 bis 1900 und 2006 bis 2015 miteinander.    Unter Berücksichtigung der sich langsamer erwärmenden Meeresflächen sei die globale Temperatur in den genannten Zeiträumen insgesamt um knapp 0,9 °C gestiegen. Der Weltklimarat hatte 2018 vor den Auswirkungen gewarnt, falls die globale Temperatur insgesamt über 1,5 °C steigen sollte.
Klimaschonend wirtschaften
Bauern hätten infolge des Klimawandels immer öfter mit Starkniederschlägen, Überschwemmungen und Dürren zu rechnen. Zu befürchten seien  mehr Landdegradation,   mehr  Wüsten,  Nahrungsmittelknappheit und steigende Preise.
Die Antwort auf diese Gefahren könne nicht in einer weiteren Intensivierung der  Landwirtschaft liegen. Die Autoren plädieren  für eine klimaschonende Wirtschaftsweise. Dazu werden von ihnen auch die  Produktion von Biokraftstoffen, die Vermeidung von Lebensmittelverschwendung,  die Aufforstung und der Schutz bzw. die Wiedervernässung von Mooren gezählt. Zugleich fordern die Wissenschaftler eine Umstellung der Ernährung: mehr pflanzliche und weniger tierische Produkte. 
Mit Blick auf die landwirtschaftliche Erzeugung werten die Wissenschaftler Vorschriften, Anreize wie die Bezahlung von Ökosystemleistungen und  die Zertifizierung von klimafreundlichen Produkten als geeignete Maßnahmen zur Förderung des Klimaschutzes. Auch eine Bodenbearbeitung, die den CO2-Gehalt erhöht, und Düngemethoden, die Lachgas-Emissionen reduzieren, werden empfohlen.
In Deutschland fand der Bericht ein großes Echo. Bundesumweltministerin Svenja Schulze wertete die  Reform der EU-Agrarpolitik als gute Gelegenheit, in Europa Anreize für mehr Klimaschutz in der Landwirtschaft zu setzen.  Bundesagrarministerin  Julia Klöckner sagte, sie habe  im  Mai  im Klimakabinett zehn  Klimaschutzmaßnahmen vorgelegt.  Höhere Umweltleistungen müssten für  Bauern   effizient und einfach umsetzbar sein.  Beim Zusammenbringen von Klimaschutz und Erntesicherung könnten Digitalisierung, Präzisierung und Früherkennung helfen.
Der Deutsche Bauernverband (DBV)  erinnerte daran, dass in Deutschland der Anteil der Landwirtschaft an den Treibhausgas-Emissionen mit 7 %  niedriger als im internationalen Durchschnitt sei. Außerdem binden laut DBV Landnutzung und Forst hierzulande jährlich 15 Millionen Tonnen CO2. In seiner eigenen Klimastrategie habe der Verband das Ziel einer Treibhausgaseinsparung um 30 % bis 2030 gegenüber 1990 verankert und  mit 20 Klimaschutzmaßnahmen unterlegt. Der Berufsstand wolle  über den Ausbau der Bioenergie, den Anbau von nachwachsenden Rohstoffen und die Kohlendioxidbindung im Humus  zum Klimaschutz beitragen.
Die umweltpolitische Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Marie-Luise Dött, rief zu einer Debatte um das Thema auf, welche neuen trockenresistenten Pflanzen  angebaut werden können.  Die bisherigen Methoden der Landwirtschaft dürften keine Subventionen mehr erhalten, forderte der Sprecher der Grünen im EU-Parlament, Martin Häusling.  Zudem forderte er, „den Import des Klimaproblems zu stoppen”.  Die Agrarsprecherin der Linken, Dr. Kirsten Tackmann, appellierte, „nur das zu produzieren, was wirklich gebraucht wird, und die Ernte regional zu vermarkten”. Daneben würden für eine nachhaltige Landwirtschaft gut ausgebildete und gut bezahlte Fachleute gebraucht.
Teures Fleisch ist gut
Der Deutsche Forstwirtschaftsrat (DFW) unterstrich den Beitrag der Forstwirtschaft zur Emissionsminderung. Für den Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) folgert  aus dem Bericht, die Chancen des Ökolandbaus zu nutzen.    Zu den Vorteilen der Biolandwirtschaft gehörten nicht nur die direkten Wirkungen etwa auf die Böden, sondern auch die teuren Fleischpreise. Dadurch werde weniger Fleisch verbraucht. Die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft  warnte, dass die Landwirtschaft die Herausforderungen nicht allein meistern könne.  Veränderungen  abzuwehren, bringe  ebenso wenig  wie die  Haltung, an  Bauern  Forderungen zu stellen und sich dann bei der Finanzierung der Kosten in die Büsche zu schlagen.
Vorteil bei Wiederkäuern?
Greenpeace forderte  ein umgehendes Verbot des Imports von  Soja.  Der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) hält es für nötig, den Tierbestand in Deutschland bis 2050 um die Hälfte zu verringern. Der Fokus müsse dabei auf der Schweine- und Geflügelhaltung liegen. Wiederkäuer fräßen nämlich Gras und schützten damit das kohlenstoffbindende Grünland. Der BUND positioniert sich damit entgegengesetzt  zum World Resources Institute, das  kürzlich den Rindfleischverzehr als deutlich klimaschädlicher als den Griff zu Geflügel- und Schweinefleisch eingestuft hatte.