Politik | 07. April 2015

Keine Tränen für die Quote

Von AgE
Der Milchquotenregelung wird in der deutschen Politik keine Träne nachgeweint. Das haben die Reaktionen in der vergangenen Woche zum Ende der Mengenregulierung gezeigt.
Den Strukturwandel hat die Milchquotenregelung nicht gebremst. Ein Sicherheitsnetz der Gemeinsamen Marktorganisation soll künftig außergewöhnliche Marktkrisen abfedern.
Bundeslandwirtschaftsminister Christian  Schmidt  begrüßte das Auslaufen der Garantiemengenregelung als „Chance für die Milchwirtschaft” und Teil der verstärkten Marktorientierung der EU-Agrarpolitik. Der agrarpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Franz-Josef  Holzenkamp, sprach von einem „logischen und konsequenten Schritt hin zu einer selbstverantwortlichen und wettbewerbsfähigen Milchwirtschaft”.  Hochzufrieden äußerte sich SPD-Kollege  Wilhelm  Priesmeier, weil mit dem Ausstieg aus der Quote eine alte SPD-Forderung erfüllt werde.
Zurückhaltender fielen hingegen die Stimmen der Opposition aus. Zwar räumten auch die Agrarsprecher der Linken,  Kirsten  Tackmann, und der Bündnisgrünen, Friedrich  Ostendorff, am  Freitag voriger Woche im Bundestag ein, dass die Quotenregelung wesentliche Ziele nicht erreicht habe. Beide warnten jedoch vor den Folgen eines deregulierten Marktes für die Milcherzeuger.
Ziele verfehlt
Bundesminister Schmidt nutzte seine Stellungnahme zum Ende der Quotenregelung für ein Bekenntnis zum Liberalisierungskurs in der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP). „Die Marktorientierung hat die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen und europäischen Agrar- und Ernährungswirtschaft gestärkt und wesentlich zu ihren Erfolgen auf internationalen Märkten beigetragen”, erklärte der Minister in einer Presseverlautbarung. Seiner Einschätzung nach hat die 1984 unter dem damaligen CSU-Landwirtschaftsminister Ignaz  Kiechle  eingeführte Milchmengenregulierung ihre Ziele nicht erreicht. Sie habe weder zu stabilen Erzeugerpreisen geführt, noch den Strukturwandel aufgehalten oder starke Preisschwankungen unterbunden. Stattdessen sei die EU vom Wachstum des globalen Milchmarktes abgekoppelt worden. Schmidt: „Die Milchquote ist auf Dauer keine Lösung und angesichts der Chancen des globalisierten Marktes auch nicht mehr sinnvoll.” Eine Absage erteilt der CSU-Politiker Forderungen nach neuen staatlichen Eingriffen in das normale Marktgeschehen.  Im Falle außergewöhnlicher Marktkrisen greife das tragfähige Sicherheitsnetz der Gemeinsamen Marktorganisation.
Folgen beobachten
Ähnlich äußerte sich Schmidts Parlamentarischer Staatssekretär Peter  Bleser  im Bundestag. Seiner Auffassung nach hätte der Quotenausstieg viel eher erfolgen müssen. Der CDU-Politiker bezifferte die aus dem Quotenerwerb resultierenden Gesamtkosten während der vergangenen 31 Jahre auf rund vier Milliarden Euro. Allein 1,9 Milliarden Euro hätten die hiesigen Erzeuger an Superabgabe nach Brüssel abführen müssen. „Diese Gelder wären zur Entwicklung der Betriebe sinnvoller eingesetzt gewesen”, stellte Bleser fest. Gleichzeitig habe die Quotenregelung weder ihre Einkommensziele erreicht, noch den Strukturwandel aufgehalten. So sei die Zahl der Milchviehbetriebe von 370000 im Jahr 1984 auf nunmehr rund 77000 zurückgegangen. Der Staatssekretär hält Befürchtungen für unbegründet, nach Ablauf der Quote werde es zu Verwerfungen auf dem Milchmarkt kommen. Notwendig sei „mehr Vertrauen in die Märkte”. Die langfristigen Aussichten auf den internationalen Märkten schätzt Bleser als gut ein.
Anlässlich des Quotenendes haben die Fraktionen zwei Anträge in den Bundestag eingebracht, die  zur weiteren Beratung in die Ausschüsse überwiesen wurden: Die Koalitionsfraktionen begrüßen das Ende der Milchquotenregelung als „konsequente Fortsetzung der Marktausrichtung im Bereich der Milcherzeuger”. In ihrem gemeinsamen Antrag sprechen sich CDU/CSU und SPD zugleich dafür aus, die Folgen des Quotenausstiegs intensiv zu beobachten. Vor diesem Hintergrund seien das Brüsseler Sicherheitsnetz für den Umgang mit Marktstörungen kontinuierlich zu überprüfen und die von der EU-Kommission gebildete Milchmarktbeobachtungsstelle zu unterstützen.
Bund und Länder werden aufgefordert, von den Möglichkeiten des Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raumes (ELER) für den Milchbereich Gebrauch zu machen. Unter anderem gehe es darum, die Bewirtschaftung von Grünlandstandorten zu unterstützen.
Ferner müsse die Marktposition der Milcherzeuger weiter gestärkt werden. Hierzu soll die Zusammenarbeit zwischen den Betrieben erleichtert, die Bildung von  Erzeuger- und Branchenorganisationen unterstützt und Maßnahmen gegen unfaire Praktiken innerhalb der Lebensmittelkette ergriffen werden.
Demgegenüber fordert die Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen in ihrem Antrag ein Ende der „auf Massenproduktion und Export orientierten Milchpolitik”. Dazu sollen ein „proaktives Sicherheitsnetz und Instrumente zur Krisenintervention und für das Krisenmanagement” geschaffen werden. Unter anderem wird ein freiwilliger Produktionsverzicht in Krisensituationen vorgeschlagen sowie die Schaffung zusätzlicher Regelungen für eine nachfrageorientierte Milchmengenregulierung sowie zur Markt- und Angebotssteuerung im Bedarfsfall angeregt.
Bayerns Landwirtschaftsminister Brunner appellierte an den Lebensmitteleinzelhandel, seiner Verantwortung gegenüber der Milchwirtschaft gerecht zu werden. „In dieser schwierigen Umbruchphase auf dem Milchmarkt ist größte Vorsicht und Zurückhaltung geboten, um die Situation nicht noch weiter zu verschärfen”, sagte der Minister in München.
Stärker auf Regionalität setzen
Für den Präsidenten des Badischen Landwirtschaftlichen Hauptverbandes (BLHV), Werner  Räpple, hat die Erfahrung der letzten Jahrzehnte gezeigt, dass auch ein quotenregulierter Markt die Milcherzeuger nicht vor niedrigen Preisen schützt. In Zukunft müssten die Landwirte schwankende Milchpreise stärker berücksichtigen. Daher müsse die Politik ihnen die Möglichkeit geben, steuerfreie Risikoausgleichsrücklagen bilden zu können. Regionen mit schwierigen Produktionsbedingungen benötigten zusätzlich Unterstützung.
Räpple kritisierte  die Billigpreispolitik der Discounter bei Milchprodukten. Mit radikalen Preissenkungen nutzten die Akteure des Lebensmitteleinzelhandels ihre  Marktmacht aus. Allerdings reiche es nicht aus, nur über den Lebensmittelhandel zu klagen. „Es ist notwendig, neue Wege der Vermarktung für Milch und Milchprodukte zu finden”, betonte Räpple. Die Wertschöpfung heimischer Milchprodukte könne verbessert werden, wenn bei der Vermarktung noch stärker auf Regionalität gesetzt werde. Regionale Markenprodukte seien bei den Konsumenten gefragt.