Politik | 15. Oktober 2020

Keine bedingungslose Gefolgschaft

Von AgE
„Landwirtschaft kann nur funktionieren, wenn sie von der Gesellschaft mitgetragen wird”, sagt Joachim Rukwied, Präsident des Deutschen Bauernverbandes. Allerdings dürfe dies nicht einseitig nach dem Motto verlaufen, „die Gesellschaft macht die Vorgaben und wir folgen”, betont er zudem.
„Politisch müssen wir dafür Sorge tragen, dass die Betriebe mitgenommen werden”, so der DBV-Präsident. Er fordert eine aktive Rolle des Staates bei der Gestaltung der Rahmenbedingungen, warnt aber mit Nachdruck vor dirigistischen Eingriffen in Märkte.
Der Deutsche Bauernverband (DBV) sieht sich als Impulsgeber im anstehenden Veränderungsprozess des Agrarsektors. „Landwirtschaft kann nur funktionieren, wenn sie von der Gesellschaft mitgetragen wird”, sagt DBV-Präsident Joachim Rukwied im Interview mit dem Fachpressedienst  Agra-Europe vor der Mitgliederversammlung des DBV am Freitag dieser Woche in Erfurt (nach Redaktionsschluss dieser BBZ).  Rukwied schränkte allerdings ein, dass dies nicht einseitig nach dem Motto verlaufen dürfe, „die Gesellschaft macht die Vorgaben und wir folgen”. Auch in Zukunft werde der Bauernverband seine Stimme erheben, wenn es darum gehe, Fehlentwicklungen zu korrigieren.
„Der aktive Staat” wird gebraucht
„Politisch müssen wir dafür Sorge tragen, dass die Betriebe mitgenommen werden”, so der DBV-Präsident. Er fordert eine aktive Rolle des Staates bei der Gestaltung der Rahmenbedingungen, warnt aber mit Nachdruck vor dirigistischen Eingriffen in Märkte. Stattdessen müsse der Staat gewährleisten, „dass wir mit unseren hohen Standards nicht durch Billigimporte unterlaufen werden”.
Der „aktive Staat” werde ferner gebraucht, um zukunftweisende Ansätze wie die der Borchert-Kommission zu unterstützen. „Man kann nicht auf der einen Seite Standards nach oben schrauben und auf der anderen Seite die Dinge laufen lassen”, mahnt der Bauernpräsident. Kritisch äußert er sich zum Einstieg außerlandwirtschaftlicher Investoren in Ostdeutschland: „Das bedroht unser traditionelles Modell des Familien- und Mehrfamilienbetriebes.” Von externen Investoren getragene Unternehmen widersprächen seinem Verständnis von Landwirtschaft. Gelassen sieht Rukwied eine mögliche künftige Regierungsbeteiligung der Grünen im Bund. Es gebe per se keine Schreckgespenster für den Bauernverband. Man rede mit den politisch Verantwortlichen egal welcher Farbe, „radikale Parteien ausgenommen”.
„Jünger und weiblicher” bleibt auf der Agenda
Rukwied betont den Anspruch des Bauernverbandes, weiterhin „die starke Stimme der Landwirtschaft” in Deutschland zu sein. Mit neuen Organisationen pflege man traditionell einen guten Austausch. Von „Land schafft Verbindung” (LsV) habe man gelernt, „dass wir in der Kommunikation schneller und besser werden müssen”. Offen zeigt sich der DBV-Präsident für eine Zusammenarbeit mit Umwelt- und Naturschutzverbänden, „trotz der einen oder anderen Enttäuschung, wenn mal wieder pauschale und falsche Vorwürfe an die Adresse der Landwirtschaft erhoben werden”.
Zukunftsperspektiven verbessern
Rukwied bekräftigt sein Ziel, den Bauernverband „jünger und weiblicher” zu machen. Dabei werde man schrittweise vorgehen und  den Austausch mit weiblichen Führungskräften in der Landwirtschaft suchen: „Wir wollen lernen, was wir anders und besser machen können.”
Die zentralen Aufgaben seiner weiteren Amtszeit sieht der Bauernpräsident darin, „den Veränderungsprozess in der Landwirtschaft mitzugestalten, die Gesellschaft und die Landwirtschaft wieder näher zusammenzubringen und die Zukunftsperspektiven insbesondere für unsere junge Generation wieder zu verbessern”.
Klöckner appelliert an Bauern und Verbraucher
Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner hat erneut an die Veränderungsbereitschaft der Landwirte appelliert. „Setzen Sie sich an die Spitze der Bewegung für mehr Klimaschutz, mehr Biodiversität und mehr Tierwohl”, sagte die Ministerin in ihrer Rede zum Politischen Erntedank am 6. Oktober in Berlin. Dabei gehe es nicht um eine bessere PR, sondern um den Schutz der eigenen Grundlagen. Die Ministerin betonte, dass die Landwirte Anspruch auf einen Ausgleich für ihre Allgemeinwohlleistungen hätten.
Den Nichtregierungsorganisationen (NGO) legte sie nahe, wegzukommen vom Schubladendenken, von Ideologien und pauschalen holzschnittartigen Vereinfachungen. Sie seien stattdessen gut beraten, sich ernsthaft mit den Chancen neuer Technologien auseinanderzusetzen. Die Verbraucher mahnte Klöckner, nicht Wunsch und Wirklichkeit zu verwechseln: „Wer Bio auf den Feldern wünscht, der muss auch in der Wirklichkeit des Supermarkt Bio kaufen.” Ähnliches gelte beim Tierwohl und beim Klimaschutz. Auch hier müssten die Verbraucher bereit sein,  Leistungen der Landwirte zu honorieren. Alle Beteiligten forderte die Ministerin dazu auf, die Debatte um die anstehenden Veränderungen „mit Respekt voreinander” zu führen.
„Es hilft nichts, sich gegen Veränderungen zu stemmen, gegen Insektenschutz, gegen Reduktion von Pflanzenschutzmitteln oder mehr Tierwohl”, so Klöckner. Es sei klar, wo die gesellschaftliche Entwicklung hingehe. Diese müsse die Landwirtschaft „beherzt annehmen”.
Den landwirtschaftlichen Berufsstand rief die CDU-Politikerin dazu auf, mit einer Stimme zu sprechen: „Je mehr Untergruppen für sich in Anspruch nehmen, die wahre Stimme der Landwirtschaft zu sein, desto schwächer werden sie.” Verständnis äußerte Klöckner für Demonstrationen der Landwirte, die allzu oft pauschalen Angriffen ausgesetzt seien. Allerdings entbinde sie das nicht von der Verantwortung, zu schauen, „unter welcher Fahne man mit welchen Aussagen läuft”. „Wer mit rohen Drohungen und Beleidigungen aggressiv jedem die Ernsthaftigkeit auf der anderen Seite abspricht, läuft ins Abseits und erweist seinem Berufsstand einen Bärendienst”, warnte die Ministerin. Wer sich radikalisiere, werde nicht mehr als ernsthafter Partner wahrgenommen.