Pflanzenbau | 24. April 2014

Kampf um die Maiswurzel

Von Jürgen Maier, Landratsamt Breisgau-Hochschwarzwald
Gegen den Maiswurzelbohrer hilft bisher nur, weniger Mais anzubauen. Doch auch Nematodenpräparate können den Schädling zurückdrängen. Praxisversuche zeigen einen guten Wirkungsgrad von 70 %.
Der Maiswurzelbohrer ist in der südlichen Rheinebene kein Quarantäneschädling mehr, sondern hat sich dauerhaft etabliert
Parasitische Nematoden (Fadenwürmer) suchen die Larven des Schädlings aktiv auf, dringen in sie ein und töten sie ab.
Der Westliche Maiswurzelbohrer (Diabrotica virgifera virgifera) ist im Maisanbau der südlichen Rheinebene zu einer festen Größe geworden. Die EU hat die Nutzung von Neo-nikotinoiden zur Bekämpfung  vorerst untersagt, um die Bienen zu schützen. Insektizide mit Ausnahmegenehmigungen sind nur noch im Saatmais verfügbar:  Force 1,5 G (Tefluthrin) für maximal eine Anwendung alle drei Jahre und Belem (Cypermethrin) maximal einmal pro Jahr.
Anbauer von Körnermais mussten den Schädling bis 2013 durch eine Beschränkung des Maisanbaus in der Fruchtfolge – maximal zweimal Mais in drei Jahren – im Zaum halten. In den Anbaugebieten des Saatmaises nördlich und südlich von Freiburg galten teilweise Ausnahmen von den Fruchtfolgebestimmungen, was ein erhöhtes Risiko der Vermehrung und weiteren Ausbreitung des Maiswurzelbohrers nach sich zog.
Positive Erfahrungen aus anderen EU-Staaten
Doch seit 2014 ist der Wurzelbohrer kein Quarantäneschädling mehr, hat der Ständige Ausschuss Pflanzenschutz der EU Ende 2013 beschlossen. Dies bedeutet, dass jeder Maisanbauer jetzt frei entscheiden kann und muss, ob und wie er ihn kontrolliert. Es steht heute neben einer wirkungsvollen Fruchtfolge auch ein ebenso effizientes biologisches Verfahren auf Basis von Nematoden zur Verfügung, um den gefräßigen Käfer und seine Larven so lange wie möglich unterhalb der Schadschwelle zu halten.Die biologische Kontrolle des Maiswurzelbohrers mit Hilfe von Nematoden (Heterorhabditis bacteriophora) war seit 2004 bereits in den Befallsgebieten in Ungarn, Österreich und Italien erfolgreich getestet worden. Der Wirkungsgrad ist vergleichbar mit dem synthetischer Wirkstoffe und war in den Versuchen teilweise sogar höher.
Vor diesem Hintergrund hat das Landwirtschaftsamt Breisach im vergangenen Jahr das Pilotprojekt DiaTec durchgeführt. Ziel war es, die Praxistauglichkeit der Anwendungstechnik für Nematoden zur biologischen Kontrolle des Maiswurzelbohrers zu überprüfen. Das Landratsamt koordinierte das Projekt vor Ort in Zusammenarbeit mit vier Landwirten, die ihre Fläche, Technik und Arbeitskraft zur Verfügung stellten.
Getestet wurde das Verfahren auf rund 75 Hektar Körner- und Saatmaisflächen in Weisweil, Freiburg, Biengen und Bremgarten. Mehrere Firmen aus der Maisbranche begleiteten und unterstützten das Projekt Dia Tec: Die ZG Raiffeisen, das Maiswerk Heitersheim und die Südgetreide GmbH, Göppermühle. Beteiligt waren amtlicherseits das Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz, das Landwirtschaftliche Technologiezentrum Augustenberg und das Regierungspräsidium Freiburg. Weitere Projektpartner waren  die fenaco Genossenschaft (Schweiz), die cult-tec GbR aus Freiburg sowie die e-nema GmbH, Gesellschaft für Biotechnologie und biologischen Pflanzenschutz, die das Nematodenpräparat „dianem” herstellt.
Landwirte, Fachleute und Firmenvertreter haben das Nematoden-Verfahren auf etwa 75 Hektar Körner- und Saatmais in Weisweil, Freiburg, Biengen und Bremgarten getestet. Das Bild zeigt Projektbeteiligte im April 2013 auf einem Feld von Landwirt Joachim Gratwohl aus Bremgarten.

Ende April 2013 trafen sich Projektbeteiligte vor Ort auf einer Praxisfläche, um die Ausbringung von Nematoden während der Saat von Körner- und Saatmais in Augenschein zu nehmen.
Wichtig bei der Ausbringung der Nematoden ist, dass diese bei der Aussaat auf das  möglichst rückverfestigte Saatbett gelangen. Diese Aufgabe übernimmt oft eine Zwischenandruckrolle, häufig auch PRO-Rolle genannt. Unmittelbar danach sollte die Saatfurche durch die nachlaufenden An-druckrollen mit Erde geschlossen werden. Dadurch entsteht sowohl für das Saatgut als auch für die Nematoden ein optimaler Anschluss an die Bodenkapillaren. So sind  die lebenden Fadenwürmer bestmöglich vor  UV-Licht und Austrocknung geschützt und können bei aufkommender Trockenheit in tiefere, feuchte Bodenschichten abwandern und bis zum Schlupf der Wurzelbohrerlarven überleben.
Das Nematodenmittel steht der Praxis direkt zur Verfügung, weil es in Deutschland keiner Zulassung bedarf und in Österreich bereits zugelassen ist. Die parasitischen Fadenwürmer besiedeln die im Boden lebenden Entwicklungsstadien des Maiswurzelbohrers und töten sie ab. Das ist  ungefährlich für die anderen Bodenlebewesen, die Umwelt und den Anwender.
Nachdem die Wirksamkeit der Nematoden in den vergangenen Jahren erfolgreich geprüft worden war, stellte es sich heraus, dass keine Injektionstechnik am Markt verfügbar war, um die Nematodenflüssigkeit sachgerecht in den Boden zu bringen. Sie wurde dann von der cult-tec GbR in nur eineinhalb Jahren entwickelt und ist im Rahmen des Dia Tec-Versuches großflächig getestet worden. Die Injektionseinheiten kosten derzeit je nach Ausführung für die verschiedenen Maissämaschinen 89 bis 119 Euro netto
pro Maisreihe inklusive einer Schnittstelle zur herkömmlichen Pflanzenschutztechnik. 
Injektionstechnik für verschiedene Sägeräte
Für die Ausbringung wird konventionelle Pflanzenschutztechnik mit spezieller Injektionstechnik kombiniert.
Die Flüssigkeit mit den Nematoden sollte auf das rückverfestigte Saatbett aufgebracht werden, bevor die Saatfurche durch Andruckrollen mit Erde geschlossen wird
Diese als LIQ Inject 4 bezeichnete Injektionstechnik ist leicht zu montieren und kann durch verschiedene Einstellmöglichkeiten an die Gegebenheiten unterschiedlicher Maissägeräte angepasst werden. Im Projekt wurden die Maissämaschinen Monosem NGplus2, Monosem NGplus4 und Kuhn Maxima mit dieser Injektionstechnik eingesetzt. Die Injektionseinheiten wurden mit marktgängiger Pflanzenschutztechnik gekoppelt: Düsenkopf mit Dosierblende, Verteiler, Regler, Pumpe und Spritzmitteltank. Die für die Ausbringung notwendige Technik  konnte über Projektmittel finanziert werden. Im Durchschnitt mussten die Landwirte, sofern keine entsprechende Pflanzenschutztechnik vorhanden war, knapp 6000 € aufbringen, um Nematoden einsetzen zu können. Dabei schlug die Neuanschaffung größerer Spritztanks besonders zu Buche.
Für Schlepper ohne Frontzapfwelle für den Spritzmitteltank wurde eine technische Lösung auf Basis einer starken 12-V-Elektropumpe entwickelt und zur Verfügung gestellt. Diese Lösung wurde auf Saatmaisflächen der Göppermühle in Weisweil eingesetzt. Das Projekt Dia Tec weist eine positive Bilanz auf. Der gesamte Ablauf, vom Vormischen der Nematoden für den Tank bis hin zur Applikation im Feld, klappte reibungslos, auch mit verschiedenen Sämaschinen. Für die Ausbringung der Nematoden, einschließlich Befüllen und sonstiger Rüstarbeiten, benötigten die Landwirte im Durchschnitt circa 0,2 Akh pro Hektar (12 Minuten) länger als für die reine Aussaat. 
Anhand von Bodenproben aus den Maisreihen wurde die Überlebensrate (Persistenz) der Nematoden vom Landwirtschaftlichen Technologiezentrum Augustenberg mit Hilfe eines Biotests nachgewiesen. Zum Zeitpunkt der Ausbringung konnten genügend lebende Nematoden nachgewiesen werden. Auch fünf Wochen nach der Ausbringung – zu diesem Zeitpunkt sind die Larven des Maiswurzelbohrers geschlüpft und müssen von den Nematoden parasitiert werden – war eine hohe Anzahl lebender Nematoden feststellbar. In Österreich wurde 2013 in amtlichen  Exaktversuchen dasselbe Anwendungsverfahren hinsichtlich einer Verringerung des Auftretens der Larven des Maiswurzelbohrers untersucht. Der Wirkungsgrad war mit fast 70 Prozent sehr hoch und der chemischen Vergleichsvariante im Versuch ebenbürtig.
In Deutschland und Österreich konnte nachgewiesen werden, dass die Bekämpfung des Maiswurzelbohrers mit Nematoden praxisreif ist. Um die Wirksamkeit des Verfahrens, zum Beispiel auch unter den trockenen Bedingungen der Aussaat 2014,  zu kontrollieren, gehen die Tests in Baden weiter.