Kämpferischer Bauernauftritt am Bodensee
Von Walter Eberenz
Die Stimmung bei vielen Bäuerinnen und Bauern in Südbaden ist schlecht, aber nicht resignativ. Beim Landesbauerntag des BLHV am vergangenen Samstag in Owingen konnten Vertreter der Politik hautnah erleben, dass der Berufsstand selbstbewusst vertritt, was ihn bewegt.
Eröffneten das offene, interaktive Diskussionsforum (genannt Fish-Bowl) auf dem Landesbauerntag (vorne, von links): Katja Röser,
Obsterzeugerin und Obstbauberaterin vom Bodensee; Günther Felßner, Präsident des Bayerischen Bauernverbands; Moderatorin Anne Körkel; BLHV-Vizepräsident Martin Linser; Andreas Jung, Bundestagsabgeordneter von der Insel Reichenau und Vorsitzender der Arbeitsgruppe
Klimaschutz und Energie der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Im Hintergrund auf dem Podium (von links): BLHV-Vizepräsident Egon Busam; Landfrauenpräsidentin Rosa Karcher; Präsident Bernhard Bolkart, Hauptgeschäftsführer Benjamin Fiebig und Vizepräsident Karl-Heinz Mayer, jeweils BLHV. Letzterer freute sich als Owinger besonders über den gelungenen Verlauf der Veranstaltung in seiner Heimatgemeinde.
Der BLHV hat mit dem Landesbauerntag in Owingen in vollbesetzter Halle das Gemeinschaftsgefühl nach innen gestärkt und zu nahezu allen Themen, die heimischen Bäuerinnen und Bauern Wirtschaften und Leben erschweren, klare Botschaften nach außen gesandt. Die Mitglieder des BLHV haben vor allem an ihrer Bereitschaft keinen Zweifel gelassen, für ihre existenziellen Anliegen zu kämpfen. Der Verband hat aber auch die Hand ausgetreckt in Richtung Politik und Gesellschaft mit dem Angebot eines Dialogs auf Augenhöhe, um zukunftsweisende Lösungen zu erarbeiten.
Pragmatische Lösungen gefordert
BLHV-Präsident Bernhard Bolkart
Beispiel Wolf: „Darüber wird gerade mit am
emotionalsten diskutiert bei uns im Verband”, betonte BLHV-Präsident
Bernhard Bolkart in seiner Grundsatzrede. Er begründete gleich, warum:
„Einen guten Tierhalter zeichnet aus, dass er eine emotionale Bindung zu
seinen Tieren hat.” Bolkart ist sich sicher, „dass wir hier mit
technischen Lösungen nicht weiterkommen”. Aber es folgte auch Bolkarts
ausgestreckte Hand: „Ich stehe jetzt zum gemeinsamen
Herdenschutzprojekt, um Möglichkeiten und Grenzen festzustellen. Wir
werden das kritisch und mit viel Kompetenz begleiten.”
Bernhard Bolkart forderte nicht nur beim Wolf „pragmatische Lösungen,
statt als Bauer ausgebremst zu werden”. „Ich werd’ richtig grätig, wenn
man Brennholz und Hackschnitzel bei uns so verteufelt”, kam er auf ein
weiteres Thema zu sprechen, das heimische Bäuerinnen und Bauern gerade
sehr bewegt.
Entschlossen präsentierte sich der BLHV-Präsident auch bei weiteren
Themen wie dem Kampf gegen den Klimawandel, Umbau der Tierhaltung, Mercosur, Verhalten des Lebensmitteleinzelhandels gegenüber Produkten
aus der Region und vor allem den Plänen der EU-Kommission (SUR),
Pflanzenschutzmittel drastisch zu reduzieren und in Schutzgebieten zu
verbieten. Bolkart fühlte sich hier in die Zeit von ProBiene
zurückversetzt, nur diesmal auf europäischer Ebene. Seine Forderung in
Richtung Politik dazu: „Wir brauchen hier klare Kante.”
Hauk mit flammender Rede
Entschlossen traten in Owingen sowohl Landwirtschaftsminister Peter Hauk als auch BLHV-Präsident Bernhard Bolkart am Rednerpult auf. Gäste des Landesbauerntages taten es ihnen danach bei der offenen Diskussion gleich. Sie beteiligten sich sehr rege, engagiert und emotional.
Bedankt hatte sich Bolkart zuvor schon für die Beiträge
von Grußwortrednern und vor allem die Rede von Landwirtschaftsminister
Peter Hauk, der unmittelbar vor ihm dran war. Hauk lieferte einen
geradezu flammenden Parforceritt durch das gesamte Themenspektrum der
Agrarpolitik, durchweg im Sinne der anwesenden Bäuerinnen und Bauern.
Zum Beispiel beim Wolf: „Wolfsmanagement ist möglich, aber nicht mit
tausenden Kilometern Zäunen. Das ist unbezahlbar und es gibt dafür keine
Fachkräfte. Wir brauchen Bestandsmanagement und Entnahmen. Auf dem
Grünland im Schwarzwald haben sie nichts verloren.” Sogar der grüne
Landtagsabgeordnete Martin Hahn, der in Owingen ein Heimspiel hatte und
als Vorsitzender des Landtagsausschusses für Ernährung, Ländlichen Raum
und Verbraucherschutz ein Grußwort hielt, sagte nichts, was Bauern
missfallen hätte. Das brachte ihm vom weiteren Akteur mit Heimspiel,
BLHV-Vizepräsident Karl-Heinz Mayer aus Owingen, die Bemerkung ein,
„eigentlich ein schwarzer Grüner” zu sein.
Eine weitere Grußwortrednerin war Südbadens Landfrauenpräsidentin Rosa
Karcher, die turnusgemäß diesmal die Landjugend mitvertrat. Sie zog vor
allem Schlüsse aus der jüngsten Bäuerinnenstudie, wonach die
Lebenszufriedenheit insgesamt sehr gut sei, aber auf der anderen Seite
21 Prozent der Befragten burnoutgefährdet seien. Als „erschütternd”
bezeichnete Karcher dies. Handlungsbedarf sieht sie zudem bei der
finanziellen Absicherung der Bäuerinnen.
Ein weiterer Redner und Diskussionsteilnehmer mit Heimspiel war Andreas
Jung, CDU-Bundestagsabgeordneter von der Insel Reichenau. Auch er war
mit seinen Aussagen auf der Seite der Bauern der Region. So sagte er
unter anderem: „Was möglich ist, muss hier produziert werden. Das kann
Bio sein oder konventionell. Beides ist gut.”
Eine Veranstaltung, die ankam
Der Landesbauerntag 2023 war eigentlich ein überregionaler, gar
internationaler Bauerntag: Der bayerische Bauernpräsident war da und
diskutierte mit. Delegationen des Landesbauernverbandes im Land und aus der Schweiz weilten ebenfalls im Saal.
Die Veranstaltung des BLHV in Owingen war nicht nur wegen der brisanten
Themen und gut aufgelegten Rednerinnen und Rednern, Beifall des
Publikums inklusive, sowie des Moderatorenteams Benjamin Fiebig und
Anne Körkel so lebendig. Es hat sich auch als gut erwiesen, auf die
gleichen Elemente zu setzen, die schon beim Bauerntag vor einem halben
Jahr in St. Georgen ankamen. Dazu zählte vor allem die
Diskussionsrunde, die mit einem festen Stamm an Teilnehmerinnen und
Teilnehmern startete, um dann von Gästen aus dem Publikum ergänzt zu
werden. Dieses „Fish-Bowl” genannte Prinzip animierte wieder stark,
sich zu beteiligen.