Land und Leute | 25. Februar 2016

Jede Menge Herausforderungen

Von René Bossert
Die Molltöne herrschten vor bei der Eröffnung der Bodenseeobstbautage im Rahmen der Fruchtwelt Bodensee am vergangenen Freitag in der Messe Friedrichshafen. Nichtsdestotrotz wurden die Leistungsfähigkeit des Obstbaus am See und die Attraktivität der Fruchtwelt herausgestellt.
Die Rekordzahl von 369 Ausstellern zeige die Bedeutung der Fruchtwelt als Aushängeschild  für den Obstbau am Bodensee, erklärte Helmut Jäger, der Vorsitzende der Obstregion Bodensee. Die Messe sei Werbung für den Obstbau und gut für das Selbstbewusstsein der Betriebe. Wirtschaftlich sei der Obstbau in der Krise: „Bei der Ernte 2014 haben wir draufgelegt und 2015/16 ist nur eine schwarze Null zu erwarten”,  sagte Jäger. Erlöse fehlten wegen zunehmender Rabattaktionen, Russlandembargo und der hohen Ernte 2015. Dabei sorge der Mindestlohn 2016 für zwei Cent höhere Kosten pro Kilo Äpfel, 2017 kommen weitere zwei Cent dazu.
Eröffnungsgäste in Friedrichshafen (von links): MaBo-Geschäftsführer Dr. Egon Treyer, Helwig Schwartau von der Agrarmarkt-Informationsgesellschaft (AMI), Obstregions-Vorsitzender Helmut Jäger und Jens Stechmann,Vorsitzender des Bundesausschusses Obst und Gemüse.
Im eigenen Land werde derweil die Produktion schlechtgeredet. Nichtregierungsorganisationen, Umwelt- und Bioverbände werfen Jäger zufolge im Schulterschluss der IP-Produktion Prügel in den Weg. Zwar verzeichne der Bio-Markt hohe Zuwachsraten, aber Bio sei  im Discount angekommen und werde damit über kurz oder lang in den Preissog gezogen – „da braucht man kein Hellseher zu sein”, unterstrich Jäger. Er forderte neue Marketingansätze für die jüngere Generation und das Punkten mit Alleinstellungsmerkmalen in der Vermarktung: Sorten, Qualität, Verpackungsdesign und   Regionalität seien Ansatzpunkte. Dazu sei auch die Kooperation mit dem Handel nötig. Das Verbot des Grünlandumbruchs müsse weg, wandte sich Jäger direkt an den baden-württembergischen Landwirtschaftsminister Alexander Bonde. Der kündigte in seinem Grußwort neu definierte Ausnahmeregelungen in einer noch in diesem Monat in Kraft tretenden Verordnung an: „So kommen wir Ihnen entgegen.” Im Herbst habe man bereits die Genehmigungspflicht für Hagelschutznetze außerhalb von Schutzgebieten  aufgehoben. Die Marke „Obst vom Bodensee” nannte Bonde ein Erfolgsmodell. Obst vom Bodensee passe zum Genießerland Baden-Württemberg. Mit Klasse und Regionalität müsse man auch bei den kaufkräftigen Verbrauchern in Baden-Württemberg punkten. Bei Bio-Obst gelte es den wachsenden Markt zu versorgen, das Land biete über den Aktionsplan „Bio aus Baden-Württemberg” dabei Unterstützung. 2015 sei durch den  enormen Preisdruck und die Hitze ein schwieriges Jahr gewesen, solche Jahre zeigten, dass eine steuerfreie Risikorücklage für die Landwirtschaft sinnvoll sei. 
Zweites Lehrjahr in Heilbronn
Forderungen an den Landwirtschaftsminister kamen von Franz Josef Müller, Präsident des Landesverbandes für Erwerbsobstbau. Neben der breitwürfigen Ausbringung von Mäuseködern sprach sich Müller für eine Fortführung der Praxis aus, im Rahmen der Berufsausbildung im Obstbau das zweite und dritte Lehrjahr in Heilbronn zu absolvieren und nicht in Radolfzell. Nötig sei eine Top-Ausbildung, es könne nicht sein, dass Schüler  in Radolfzell bleiben müssten, um dort den Schulstandort zu sichern, kritisierte Müller. Von der künftigen Landesregierung erwartet Müller ein besser gewährleistetes Eigentumsrecht, eine Rücknahme des Grünland-Umbruchverbotes für den Obstbau und die Möglichkeit, Hagelschutznetze auch in Landschaftsschutzgebieten zu installieren.   Schnelle Lösungen beim  Thema Kirschessigfliege gebe es nicht, betonte Dr. Manfred Büchele, Geschäftsführer des Kompetenzzentrums Obstbau-Bodensee (KOB). Zu bearbeiten seien Fragen der Populationsdynamik und das Thema sinnvolle Bewirtschaftungsmaßnahmen. „Vor allem müssen wir klären, welchen praktischen Nutzen die vielfältig propagierten Schnellschüsse haben – abgesehen vom Gefühl, wenigstens etwas getan zu haben”, sagte Büchele. Seit 2013 gebe es ein Interreg-Projekt mit der Schweiz zum Monitoring, in der neuen Förderperiode wurde jetzt ein Nachfolgeprojekt angeschoben. Der Biobereich werde wichtiger, der Aufbau des Ökoversuchs- und Modellbetriebes am KOB sei  abgeschlossen und das Angebot sollte genutzt werden. In der  Beratung mahnte Büchele mehr Tempo beim Transfer von KOB-Ergebnissen in die Praxis an. Dazu sollten seiner Ansicht nach die Möglichkeiten im Rahmen der Beratungsreform des Landes genutzt werden, wie es der Beratungsdienst Ökologischer Landbau schon mache. Die Integrierte Produktion sollte nachziehen. Jens Stechmann, der Vorsitzende des Bundesausschusses Obst und Gemüse (BOG), nannte den Mindestlohn eine enorme Belastung. „Wir fordern weiterhin Sonderregelungen für Saisonarbeiter und verhältnismäßige Kontrollen”, so Stechmann. Auch bei der Dokumentation stehe der Aufwand  nicht in Einklang mit dem Nutzen. Er forderte mehr Investitionen in Forschung, Beratung, Ausbildung und Öffentlichkeitsarbeit. In den Ländern müsse der Raubbau in  Beratung und Versuchswesen gestoppt und umgekehrt werden. 
Freiwillige Finanzierung
In Sachen Öffentlichkeitsarbeit müsse der Berufsstand selbst Geld in die Hand nehmen. „Wir müssen eine Kommunikationsstelle aufbauen, die Medien und Multiplikatoren informiert und die eine zentrale Anlaufstelle für alle Fragen zum Obstbau ist”, forderte Stechmann. Auch in den sozialen Netzwerken müsse die Arbeit der Obstbauern dargestellt werden. „Wir haben es satt, immer als Umweltverschmutzer, Vergifter der Nation und Buhmänner hingestellt zu werden”, stellte der Obstbauer aus dem Alten Land fest. Finanziert werden soll die bessere Öffentlichkeitsarbeit nicht über eine Beitragserhöhung, sondern eine freiwillige Abgabe der Erzeuger. Stechmann nannte als Hausnummer mindestens 100 Euro pro Betrieb jährlich. Das Echo auf die Initiative sei unter den Berufskollegen in den vergangenen zwei Wochen positiv gewesen, berichtete Stechmann.
Was derzeit im Markt abgehe, ist aus Stechmanns Sicht frustrierend. Strategisch sei die Branche nicht optimal aufgestellt. Er habe Sympathien für ein Zukunftsszenario mit nur noch einer Erzeugergemeinschaft im Jahre 2050. „Wenn wir im Markt bestehen wollen, dürfen wir uns nicht gegeneinander ausspielen lassen”, betonte er.