Die Bundesregierung hat das Insektenschutzpaket auf den Weg gebracht. Das Kabinett beschloss am Mittwoch den Entwurf für ein Insektenschutzgesetz sowie den Änderungsentwurf zur Pflanzenschutz-Anwendungsverordnung.
Bundslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (links) und Bundesumweltministerin
Svenja Schulze präsentieren den Kabinettsbeschluss zum Insektenschutzpaket.
Mit dem Insektenschutzpaket soll insbesondere der Einsatz von Herbiziden und Insektiziden in bestimmten Gebieten und an Gewässern eingeschränkt werden. Festgeschrieben wird der Ausstieg glyphosat-haltiger Pflanzenschutzmittel Ende 2023.
Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner und Bundesumweltministerin Svenja Schulze zeigten sich zufrieden mit dem Kompromiss. Beide verwiesen darauf, dass die zwischen ihren Ressorts erreichte Verständigung den Belangen des Insektenschutzes und der Landwirtschaft gleichermaßen Rechnung trage.
Unterschiedliche Wertungen
Der Deutsche Bauernverband (DBV) steht der Neuregelung trotz
der Verbesserungen weiter ablehnend gegenüber und fordert substanzielle
Änderungen. Der Industrieverband Agrar (IVA) nahm insbesondere das
geplante Glyphosat-Verbot aufs Korn. Ein solches nationales Verbot wäre
eine Missachtung des EU-Pflanzenschutzrechts, so der IVA. Der
Naturschutzbund Deutschland (NABU) wertet das Paket indes als ersten
Schritt in die richtige Richtung.
Die Verhandlungen zwischen den Ressorts standen lange auf des Messers
Schneide. Erst ein Machtwort der Bundeskanzlerin hatte den Weg frei
gemacht für die Kabinettsbefassung am Mittwoch.
Ausnahmen für Sonderkulturen erreicht
In den Verhandlungen hatte das
Bundeslandwirtschaftsministerium noch deutliche Korrekturen im
Verordnungsentwurf erreicht. So soll der Anbau von Sonderkulturen ebenso
wie der Anbau zur Pflanz- und Saatgutvermehrung vom Anwendungsverbot
für Herbizide und Insektizide in Fauna-Flora-Habitat-(FFH-)Gebieten außerhalb nationaler Schutzgebiete ausgenommen
werden. Dort soll kooperativen Insektenschutzkonzepten zunächst generell
Vorrang gegenüber dem Ordnungsrecht eingeräumt werden. Im Jahr 2024
soll dann überprüft werden, ob auf den Ackerflächen der
Pflanzenschutzmitteleinsatz zurückgegangen ist. Betroffen sind
Schätzungen zufolge bundesweit rund 110.000 Hektar Ackerland.
Auf FFH-Grünland bleibt Verbot
Auf Grünland in FFH-Gebieten soll der Herbizid- und
Insektizideinsatz hingegen sofort verboten werden. Weiterhin vorgesehen
ist ein gesetzlicher Biotopschutz für artenreiches Grünland und
Streuobstwiesen. Bei artenreichem Grünland sind „Magere
Flachlandmähwiesen” und „Berg-Mähwiesen” einbezogen.
Regelungen am Gewässerrand
An Gewässern erster und zweiter Ordnung werden Randstreifen
von mindestens fünf Metern (bei dauerhafter Begrünung) oder zehn Metern
(ohne Begrünung) vorgeschrieben. Eine wichtige Neuerung beim
Gewässerrandstreifen ist zudem, dass es eine Länderöffnungsklausel
gibt: Bundesländer können mit eigenen Regelungen von den Abständen
abweichen.
„Insektenschutz und Erntesicherung geht zusammen”, stellte Klöckner in
der Bundespressekonferenz fest. Wichtig sei insbesondere, dass
kooperative Ansätze erhalten blieben. Es werde sichergestellt, dass von
den Ländern entwickelte Wege nicht unterlaufen würden.
Protokollerklärung für kooperative Lösungen
In einer Protokollerklärung
zum Kabinettsbeschluss unterstreicht Klöckner den Vorzug von
kooperativen Lösungen vor Ort gegenüber dem Ordnungsrecht. Im
parlamentarischen Verfahren müssten unter anderem eine gesetzliche
Absicherung von solchen Ansätzen sowie die Sicherstellung eines
finanziellen Ausgleichs für Land- und Forstwirte bei ordnungsrechtlichen
Maßnahmen geprüft werden.
Bauernproteste auf Mittwoch hin noch einmal verdichtet
Je näher der Mittwoch dieser Woche rückte, der Tag, an dem das Bundeskabinett über das Insektenschutzpaket befand, mobilisierten Bäuerinnen und Bauern noch einmal Kräfte für Protestaktionen: gemeinsam mit ihren Standesorganisationen in Südbaden, im Land und in ganz Deutschland. Auch der BLHV gehört hier seit Wochen und Monaten zu den Aktivposten, mit Politikergesprächen, Briefen an Abgeordnete und öffentlichkeitswirksamen Aktionen, ob lange geplant oder spontan organisiert. Manche scheuten zu Beginn dieser Woche auch nicht großen Aufwand, wie die Bilder zeigen. Ein Beleg dafür, wie existenziell wichtig das Thema für die Bäuerinnen und Bauern im Land ist.
Indes bleibt trotz neuer Version des Regierungsentwurfs der Deutsche Bauernverband (DBV) bei seiner Kritik am Insektenschutzpaket. Der Entwurf sei nach wie vor völlig unzureichend, teilte er gegenüber der Presse mit. Auch in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion gibt es weiter Kritik am Insektenschutzpaket der Bundesregierung. In Baden-Württemberg hat sich zuletzt Landwirtschaftsminister Peter Hauk ablehnend gegenüber dem Insektenschutzpaket geäußert, „auch wenn es auf unseren Druck hin kurzfristig nachgebessert wurde”, wird er in der Badischen Zeitung vom Mittwoch dieser Woche zitiert. Landwirte wie Landesregierung bauen auf den kooperativen Weg in Baden-Württemberg, beschritten mit dem Biodiversitätsstärkungsgesetz. Sie sehen diesen durch Bundesgesetze bedroht und konterkariert zugleich.