Für mehr Gelassenheit bei den Akteuren auf dem Milchmarkt hat der Generaldirektor des Europäischen Milchindustrieverbandes (EDA), Alexander Anton, plädiert. Er verwies auf Prognosen, wonach der globale Milchmarkt im ersten Quartal 2016 wieder in Richtung Nachfragemarkt tendieren soll.
Können sich die Mienen der Milcherzeuger bald aufhellen? Der Europäische Milchindustrieverband geht davon aus.
Anton erinnerte gegenüber der Fach-Presseagentur Agra-Europe daran, dass sich die Exportmärkte weiter positiv entwickelten und es Preisschwankungen und Strukturwandel bereits vor dem Ende der Milchquote gegeben habe. Mit Blick auf den aktuellen Preisrückgang sieht Anton die Talsohle als erreicht an. Es gebe die ersten Mengen an Magermilchpulver in der Intervention, und die Ansage der gesamten Verwertungskette in Frankreich für einen Milchpreis von 34 Euro/100 l unterstrichen, dass „es wohl nicht mehr noch weiter nach unten gehen kann”. Wenn man den Prognosen der niederländischen Rabobank folge, werde der globale Milchmarkt im ersten Quartal 2016 wieder in Richtung Nachfragemarkt tendieren.
Kein verstärkter Strukturwandel
Anton betonte, dass niemand mit so einem Absturz nach dem
Quotenende gerechnet habe. Die Entwicklung sei aber eher dem
allgemeinen Markt geschuldet. Den letzten großen, weit dramatischeren
Preisverfall habe man im Sommer 2009 erlebt, also noch „mitten in der
Quote”. Der EDA-Generaldirektor erwartet auch keinen verstärkten
Strukturwandel. Seit Einführung der Quote seien in jedem Jahr etwa drei
Prozent der Milcherzeugerbetriebe ausgestiegen. Das werde so bleiben.
Anton verglich die Entwicklung mit der Schweiz, wo sich der
Quotenausstieg im Jahr 2009 auch nicht auf den Prozentsatz der
Betriebsumstellungen beziehungsweise der Betriebsaufgaben ausgewirkt
habe, sondern konstant bei ebenfalls etwa drei Prozent pro Jahr liege.
Die Arbeit der Marktbeobachtungsstelle sieht der EDA-Generaldirektor als
gutes Werkzeug an, da sie den Blick der EU-Kommission wesentlicher
näher an das Marktgeschehen und mehr Marktverständnis gebracht habe.
Beobachtungsstelle wichtig
Inzwischen könne man auf sechs Wochen alte
Datensätze für die Analyse zurückgreifen, statt wie bisher auf bis zu
drei Monate alte Angaben. Das Gremium biete zudem eine Plattform für
einen faktenorientierten, „also ideologiefreien” Austausch innerhalb der
gesamten Milchkette. Dieser politikfreie Raum, in dem man sich über den
Markt unterhalten könne, sei für die Teilnehmer sehr wichtig, betonte
Anton. Die Marktbeobachtungsstelle müsse daher als neutrale Stelle
erhalten bleiben und dürfe keinesfalls politische
Entscheidungsbefugnisse erhalten.
Erwartungen an Chinareise von Hogan
Südostasien und China bleiben laut Anton in den
Augen der EDA wichtige Wachstumsmärkte, ungeachtet der jüngsten
Nachfrageeinbrüche in der Volksrepublik. Für diese sei die Marktlage
immer schon schwer einzuschätzen gewesen, gab der EDA-Generaldirektor zu
bedenken. Das Land werde seine Produktion sicherlich ausweiten, aber
dem Anstieg der chinesischen Milcherzeugung seien allein schon aus der
Verfügbarkeit von ausreichend Futtermitteln Grenzen gesetzt. Im
Vergleich mit der ozeanischen Konkurrenz sei jedoch die
EU-Milchindustrie in ihrer Wettbewerbsfähigkeit auf dem chinesischen
Markt eingeschränkt, nämlich wegen unterschiedlicher Importtarife,
stellte Anton fest. Hier setze man einige Erwartungen in die Chinareise
von EU-Agrarkommissar Phil Hogan im November. Neben China dürften
künftig große Mengen weiterhin zum Beispiel nach Algerien und in die
Vereinigten Staaten gehen, zeigte sich der EDA-Generaldirektor
überzeugt. Den Zugang zum Markt der USA mit 50 Bundesstaaten machten
bisher unter anderem die einzelstaatlichen Zulassungsverfahren umständlich.
Diese nichttarifären Handelshemmnisse müssten dringend angegangen
werden, betonte der EDA-Generaldirektor mit Blick auf die geplante
Transatlantische Freihandels- und Investitionspartnerschaft (TTIP)
zwischen der EU und den USA. Das sei ein Bohren dicker Bretter,
unterstrich Anton. Als weiteren Knackpunkt nannte er die geschützten
geografischen Ursprungsangaben. Das EU-Handelsabkommen mit Kanada (CETA)
zeige aber, dass auch bei diesem Thema ein Ergebnis erreichbar sei. Ein
verbesserter Marktzugang zu den amerikanischen Verbrauchern würde den
europäischen Milchprodukten sicherlich neue Absatzmöglichkeiten
erschließen, insbesondere für Erzeugnisse aus den Premiumbereichen wie
Qualitätskäse oder Spezialprodukte wie Laktose oder Molkenpulver.
Binnenmarkt voll nutzen
Wachstumspotentiale sieht Anton auch noch auf dem
EU-Binnenmarkt. Dort werde man in Zukunft noch etwa 85 Prozent der
europäischen Milcherzeugung verkaufen. Es sei ein stabiler Raum, dessen
Möglichkeiten man voll ausnutzen müsse. Russland sei dagegen nie ein
einfacher Markt gewesen, erinnerte Anton. Der Wegfall des russischen
Marktes im August 2014 sei schmerzhaft für die europäische
Milchindustrie gewesen, aber wohl weniger schmerzhaft als von Russland
gedacht. Klar sei allerdings, dass das Embargo zu einer echten Krise in
Finnland, Estland, Litauen und Lettland geführt habe. Dies gelte
insbesondere für die drei baltischen Staaten, wo die Milchpreise seit
Monaten zum Teil unter 25 Cent/kg gefallen seien. Anton zeigte sich
jedoch überzeugt, dass die europäische Milchwirtschaft gestärkt aus dem
russischen Embargo herausgehen werde.
Schulmilch vor allem strategisch wichtig
Für die Motivation, das EU-Schulobst- und das
EU-Schulmilchprogramm zusammenzulegen, zeigte Anton Verständnis, auch
wenn natürlich ein reines Schulmilchprogramm „schöner gewesen” sei. Der
EDA-Generaldirektor hob die strategische Bedeutung des Programms hervor.
Es gehe um weit mehr als um die EU-weit gerade mal 0,4 Prozent der
Milchmenge, die über dieses Programm verwertet würden. Die Schüler von
heute seien die Milchgenießer der Zukunft, so Anton.