Politik | 27. August 2015

Industrieverband sieht Talsohle bei Milch erreicht

Von AgE
Für mehr Gelassenheit bei den Akteuren auf dem Milchmarkt hat der Generaldirektor des Europäischen Milchindustrieverbandes (EDA), Alexander Anton, plädiert. Er verwies auf Prognosen, wonach der globale Milchmarkt im ersten Quartal 2016 wieder in Richtung Nachfragemarkt tendieren soll.
Können sich die Mienen der Milcherzeuger bald aufhellen? Der Europäische Milchindustrieverband geht davon aus.
Anton erinnerte gegenüber der Fach-Presseagentur Agra-Europe daran, dass sich die Exportmärkte weiter positiv entwickelten und es Preisschwankungen und Strukturwandel bereits vor dem Ende der Milchquote gegeben habe. Mit Blick auf den aktuellen Preisrückgang sieht Anton die Talsohle als erreicht an. Es gebe die ersten Mengen an Magermilchpulver in der Intervention, und die Ansage der gesamten Verwertungskette in Frankreich für einen Milchpreis von 34 Euro/100 l unterstrichen, dass „es wohl nicht mehr noch weiter nach unten gehen kann”. Wenn man den Prognosen der niederländischen Rabobank folge, werde der globale Milchmarkt im ersten Quartal 2016 wieder in Richtung Nachfragemarkt tendieren.
Kein verstärkter Strukturwandel
Anton betonte, dass niemand mit so einem Absturz nach dem Quotenende gerechnet habe. Die Entwicklung sei aber eher dem allgemeinen Markt geschuldet. Den letzten großen, weit dramatischeren Preisverfall habe man im Sommer 2009 erlebt, also noch „mitten in der Quote”. Der EDA-Generaldirektor erwartet auch keinen verstärkten Strukturwandel. Seit Einführung der Quote seien in jedem Jahr etwa drei Prozent der Milcherzeugerbetriebe  ausgestiegen. Das werde so bleiben. Anton verglich die Entwicklung mit der Schweiz, wo sich der Quotenausstieg im Jahr 2009 auch nicht auf den Prozentsatz der Betriebsumstellungen beziehungsweise der Betriebsaufgaben ausgewirkt habe, sondern konstant bei ebenfalls etwa drei Prozent pro Jahr liege.
Die Arbeit der Marktbeobachtungsstelle sieht der EDA-Generaldirektor als gutes Werkzeug an, da sie den Blick der EU-Kommission wesentlicher näher an das Marktgeschehen und mehr Marktverständnis gebracht habe.
Beobachtungsstelle wichtig
Inzwischen könne man auf sechs Wochen alte Datensätze für die Analyse zurückgreifen, statt wie  bisher auf bis zu drei Monate alte Angaben. Das Gremium biete zudem eine Plattform für einen faktenorientierten, „also ideologiefreien” Austausch innerhalb der gesamten Milchkette. Dieser politikfreie Raum, in dem man sich über den Markt unterhalten könne, sei für die Teilnehmer sehr wichtig, betonte Anton. Die Marktbeobachtungsstelle müsse daher als neutrale Stelle erhalten bleiben und dürfe keinesfalls politische Entscheidungsbefugnisse erhalten.
Erwartungen an Chinareise von Hogan
Südostasien und China bleiben laut Anton in den Augen der EDA wichtige Wachstumsmärkte, ungeachtet der jüngsten Nachfrageeinbrüche in der Volksrepublik. Für diese sei die Marktlage immer schon schwer einzuschätzen gewesen, gab der EDA-Generaldirektor zu bedenken. Das Land werde seine Produktion sicherlich ausweiten, aber dem Anstieg der chinesischen Milcherzeugung seien allein schon aus der Verfügbarkeit von ausreichend Futtermitteln Grenzen gesetzt. Im Vergleich mit der ozeanischen Konkurrenz sei jedoch die EU-Milchindustrie in ihrer Wettbewerbsfähigkeit auf dem chinesischen Markt eingeschränkt, nämlich wegen unterschiedlicher Importtarife, stellte Anton fest. Hier setze man einige Erwartungen in die Chinareise von EU-Agrarkommissar Phil  Hogan  im November. Neben China dürften künftig große Mengen weiterhin zum Beispiel nach Algerien und in die Vereinigten Staaten gehen, zeigte sich der EDA-Generaldirektor überzeugt. Den Zugang zum Markt der USA mit  50 Bundesstaaten machten bisher unter anderem die einzelstaatlichen Zulassungsverfahren  umständlich. Diese nichttarifären Handelshemmnisse müssten dringend angegangen werden, betonte der EDA-Generaldirektor mit Blick auf die geplante Transatlantische Freihandels- und Investitionspartnerschaft (TTIP) zwischen der EU und den USA. Das sei ein Bohren dicker Bretter, unterstrich Anton. Als weiteren Knackpunkt nannte er die geschützten geografischen Ursprungsangaben. Das EU-Handelsabkommen mit Kanada (CETA) zeige aber, dass auch bei diesem Thema ein Ergebnis erreichbar sei. Ein verbesserter Marktzugang zu den amerikanischen Verbrauchern würde den europäischen Milchprodukten sicherlich neue Absatzmöglichkeiten erschließen,  insbesondere für Erzeugnisse aus den Premiumbereichen wie Qualitätskäse oder Spezialprodukte wie Laktose oder Molkenpulver.
Binnenmarkt voll nutzen
Wachstumspotentiale sieht Anton auch noch auf dem EU-Binnenmarkt. Dort werde man  in Zukunft noch etwa 85 Prozent der europäischen Milcherzeugung verkaufen. Es sei ein  stabiler Raum, dessen Möglichkeiten man voll ausnutzen müsse.  Russland sei dagegen nie ein einfacher Markt gewesen, erinnerte Anton. Der Wegfall des russischen Marktes im August 2014 sei schmerzhaft für die europäische Milchindustrie gewesen, aber wohl weniger schmerzhaft als von Russland gedacht. Klar sei allerdings, dass das Embargo zu einer echten Krise in Finnland, Estland, Litauen und Lettland geführt habe. Dies gelte insbesondere für die drei baltischen Staaten, wo die Milchpreise seit Monaten zum Teil unter 25 Cent/kg gefallen seien. Anton zeigte sich jedoch überzeugt, dass die europäische Milchwirtschaft gestärkt aus dem russischen Embargo herausgehen werde.
Schulmilch vor allem strategisch wichtig
Für die Motivation, das EU-Schulobst- und das EU-Schulmilchprogramm zusammenzulegen, zeigte Anton Verständnis, auch wenn natürlich ein reines Schulmilchprogramm „schöner gewesen” sei. Der EDA-Generaldirektor hob die strategische Bedeutung des Programms hervor. Es gehe um weit mehr als um die EU-weit gerade mal 0,4 Prozent der Milchmenge, die über dieses Programm verwertet würden. Die Schüler von heute seien die Milchgenießer der Zukunft, so Anton.