Politik | 18. Juni 2014

Im Überfluss steigen die Erwartungen

Von Silvia Rueß
„Nachhaltige, gesunde, regionale Lebensmittel zu günstigen Preisen sind der Wunsch der Gesellschaft”, erklärte Dr. Clemens Dirscherl, Agrarbeauftragter der Evangelischen Kirche Deutschland, auf der Südwest Messe und ergänzte: „Immer wenn der Mensch etwas im Überfluss hat, steigen die Erwartungen.”
Beim Tag der Landwirtschaft am Stand von BBZ und BWagrar in Halle N (von links): Südbadens Landfrauenpräsidentin Rosa Karcher, LBV-Vizepräsident Gerhard Glaser, Landrat Sven Hinterseh, Kreisobmann Manfred Haas vom Kreisbauernverband Rottweil, Landfrauenvorsitzende Sonja Scheck, BLHV-Vizepräsident Karl Rombach, Rupert Kubon, Oberbürgermeister von Villingen-Schwenningen, und Clemens Dirscherl, Agrarbeauftragter der Evangelischen Kirche Deutschland.
Dabei gehe es nicht um den Preis oder die Qualität. Diesen Bedürfnissen ist der Landwirt längst nachgekommen: Mit dem technischen Fortschritt stieg die Produktivität. Sogar die evangelische Kirche forderte in einer Schrift aus dem Jahr 1965: „Die Landwirtschaft muss sich dem industriellen Prozess anpassen.” Die Folge waren günstige Preise für alle. Auch der Qualitätsforderung hat sich der Landwirt gestellt, führte Markenprogramme und Qualitätssiegel ein, erklärte Dirscherl im Festzelt am Sonntagmorgen.
Schizophrene Anforderungen
In einem modernisierten Leben zwischen Smartphone, Internet und hochtechnisierter Welt kommt der Wunsch nach Natur. Der moderne Verbraucher will wissen, wie Nahrungsmittel entstehen. Leider hat er sich vollständig von der Landwirtschaft entfernt. Das treffe übrigens auch andere Sparten: Lehrer sollen nicht nur unterrichten, sondern Lernpartner werden; die Gerätemedizin wird durch alternative Heilmethoden ersetzt und auch in der Pflege geht es längst nicht nur um „satt und sauber, das wäre QS-Standard, sondern um Lebenskultur und Ansprache”, erklärte der Kirchenmann.
Neuerlich müssen sich nun auch Landwirte diesen Anforderungen stellen. Dirscherl fordert die Gesellschaft dann allerdings auf, darauf zu achten, dass die Anforderungen nicht schizophren werden: So lässt sich eine weltmarktfähige Produktion nicht mit ökologischen Tierschutzstandards vereinbaren; aufwendige Schutzstandards lassen sich nur einhalten, wenn sie entlohnt werden.
„Die Gesellschaft darf Forderungen haben. Aber sie muss diese widerspruchsfrei formulieren, damit der Landwirt eine Orientierung hat. Nur so kann er weiterhin existieren”, schloss Dirscherl sein Referat zum Thema „Die Landwirtschaft im Spannungsfeld gesellschaftlicher Erwartungen”.
Den Tag der Landwirtschaft eröffnete Manfred Haas vom Kreisbauernverband Rottweil. Ihm gibt das europafeindliche Verhalten bei der vergangenen Wahl zu denken. Schließlich sei Europa aus einem guten Gedanken heraus entstanden, dem Wunsch nach Frieden und Wirtschaftskraft. Er appellierte aber auch an die politischen Vertreter, bei der Umsetzung der europäischen Richtlinien, welche die Landwirtschaft betreffen, den Verstand walten zu lassen. Die Rahmengesetzgebung lasse oftmals mehr Spielräume zu, als vor Ort ankommen.
Verantwortung bei jedem Einzelnen
Karl Rombach, Landtagsabgeordneter und Vizepräsident des BLHV, mahnte, dass die Verantwortung der Gesellschaft auch bei jedem Einzelnen liege. Alle müssten zusammenhalten, wenn es darum geht, attraktive Landschaften, wie sie in der Region der Südwest Messe zu finden seien, zu erhalten, zu schützen und zu fördern. Dass die Landwirte sich dem Verbraucher öffnen, sei gerade parallel zur Südwest Messe der Fall. Rombach informierte die Zuhörer, dass nur wenige Kilometer vom Festzelt entfernt ein Tag des offenen Hofes stattfindet: „So können wir das Vertrauen der Verbraucher gewinnen.” Diese müssten sich dann an der Ladentheke auch richtig entscheiden. Villingen-Schwenningens Oberbürgermeister Rupert Kubon lobte die Messe als gute Gelegenheit zu zeigen, was Landwirtschaft heute sei. Er sieht die Südwest Messe als wichtiges Bindeglied zwischen Landwirten und Verbrauchern.