Pflanzenbau | 22. Juni 2017

Hygienisches Ruhebett für die neue Ernte

Von Dr. Friedrich Merz, RP Stuttgart
Kurz vor dem Beginn der Getreideernte sollten das Getreidelager auf Schädlingsbefall kontrolliert und für die Einlagerung der neuen Ernte Hygienemaßnahmen ergriffen werden.
Larven der Kornmotte mit Kotkrümeln
Ein Befall der neuen Ernte geht häufig von im Gebäude überlagerten Vorräten von Getreide oder Futtermitteln aus. In den Lagerräumen halten sich die Schädlinge aber auch in Ritzen, Ecken, Fugen oder Schächten sowie Fördereinrichtungen, Maschinen und Geräten versteckt.
Deshalb werden vor der Einlagerung der neuen Getreideernte die folgenden Arbeiten empfohlen:
  • Alle noch im Lagerraum vorhandenen Restmengen von Getreide sind auf Schädlingsbefall zu kontrollieren. Dabei ist zu beachten, dass sich die lichtscheuen Tiere bevorzugt in den tieferen Getreideschichten aufhalten.
  • Restmengen von befallenem Getreide sollten fein geschrotet und verfüttert werden.
  • Größere Mengen von überlagertem Getreide am besten in einen getrennten Lagerraum auslagern.
  • Böden, Wände, Balken, Fugen und Ritzen in Getreidespeichern sowie Fördereinrichtungen gründlich mit Besen und Schaufel und nachfolgend mit einem leistungsfähigen Industriestaubsauger reinigen. Dort können sich die flugunfähigen Schädlinge verstecken. Bei Beton und Blech kann auch ein Hochdruckreiniger zum Einsatz kommen. Es ist jedoch ausreichend Zeit für das Abtrocknen der Flächen einzuplanen.
  • Im Speicher vorhandene Fugen und Ritzen ausbessern und abdichten, um den Schädlingen die Unterschlupfmöglichkeiten zu nehmen.
  • Eintrittspforten für Feuchtigkeit abdichten.
Behandlungsmittel für leere Lagerräume
Wenn Schädlingsbefall vorhanden gewesen ist, ist es sinnvoll, den leeren und gereinigten Speicher mit einem gegen Vorratsschädlinge zugelassenen Mittel zu behandeln. Damit werden auch die versteckt lebenden Tiere bekämpft. Neben den Böden müssen dabei auch Decken, Wände, Balken und technische Anlagen wie Fördereinrichtungen gründlich behandelt werden.
  • Bei der Behandlung leerer Getreidelagerräume mit K-Obiol EC25 (40 bis 60 ml auf 100 m²) benötigt man auf wenig aufsaugendem Untergrund mit glatten Oberflächen, wie Steinfußböden und Mauerwerk, fünf Liter. Auf stärker aufsaugendem Untergrund mit rauer Oberfläche wie Holzfußböden und -wänden in besonders schlechtem Zustand sind 10 l Spritzbrühe je 100 m² Fläche erforderlich. Ausgebracht werden kann die Spritzbrühe mit der Rückenspritze oder mit einer an ein Spritzgerät angeschlossenen Spritzpistole. Es darf maximal eine Anwendung pro Jahr durchgeführt werden. Bei der Anwendung und auch anschließend sind Maßnahmen zum Schutz des Anwenders vorgeschrieben. Insbesondere muss eine ausreichende Belüftung während der Arbeit gewährleistet sein.
  • Des Weiteren kann auch das Stäubemittel Silico-Sec mit 10 g/m² mit kompressor- oder motorbetriebener Stäubepistole in leeren Getreidespeichern ausgebracht werden. Die Hinweise in den Gebrauchsanleitungen sind beim Einsatz unbedingt zu beachten. Die genannten Mittel dürfen nur durch Personen mit Pflanzenschutz-Sachkunde angewendet werden.
Getreide immer kühl und trocken halten
Das eingelagerte Getreide ist wertvoll, entsprechend konsequent sollte man es vor Verderb schützen.
Im neu eingelagerten Getreide entwickelt sich ein Schädlingsbefall zunächst unbemerkt in den unteren Schichten der Ware. Zusätzlich erschwert wird das Erkennen des Befalls auch durch die Tatsache, dass Vorratsschädlinge oft im Inneren des Getreidekornes leben, wie beispielsweise der Kornkäfer, der dort versteckt vom Ei über die Larve und Puppe bis zum Käfer heranwächst. Erst wenn der voll entwickelte Käfer das Korn verlässt, wird ein Befall äußerlich sichtbar. Dann ist meistens schon ein größerer Schaden durch Fraß und Verschmutzung des Getreides entstanden.
Die Vermehrung der Schädlinge, insbesondere von Milben, wird durch hohe Temperatur und Feuchtigkeit gefördert. Deshalb sollte Getreide nur gut getrocknet mit weniger als 14 % Feuchtigkeit in kühlen, trockenen und luftigen Räumen eingelagert werden. Optimal sind Temperaturen unter 10 °C. Besonders wichtig ist es, das Eindringen von Feuchtigkeit in Lagerräume zu verhindern. Außerdem bildet sich Schwitzwasser, wenn erntefrisches Getreide mit hohen Temperaturen eingelagert wird. Durch wiederholtes Belüften bei kühlen Außentemperaturen kann dies verhindert werden.
Ein Einlegen von Schlitzblechen oder Drainageschläuchen kann die Belüftung von Lagergetreide deutlich verbessern. Das Einblasen von kalter und trockener Luft sollte so lange wiederholt werden, bis im Getreidelager dauerhaft Temperaturen unter 10 °C erreicht sind. Warme, wasserreiche Luft darf auf keinen Fall für die Belüftung genutzt werden.
Nur wenige Vorratsschädlinge, wie der Kornkäfer oder der Getreidekapuziner, können unversehrte Getreidekörner befallen. Die meisten Tiere benötigen bearbeitetes Getreide oder beschädigte Körner für ihre Vermehrung. Diese Tatsache sollte beim maschinellen Bewegen von Getreide beachtet werden. Ein- und umgelagert werden sollte deshalb nur im notwendigen Umfang und möglichst schonend. Fördereinrichtungen, welche Getreidekörner beschädigen, gehören ausgemustert, repariert oder umgerüstet.
Hohe Temperaturen und Feuchtigkeit im Getreidelager können auch ein Alarmsignal sein für die Aktivität von Schädlingen im lagernden Getreide. Wer die Temperatur im Lagergetreide kontinuierlich kontrolliert, kann einen Schädlingsbefall rechtzeitig erkennen.
Chemische Entseuchung
Wird Schädlingsbefall in größeren Getreidevorräten festgestellt, die nicht unmittelbar zu verwerten sind, kann dieser während einer Umlagerung bekämpft werden. Für dieses Anwendungsgebiet stehen die drei Mittel Actellic 50 (ausgenommen: Mais, Roggen, Buchweizen), K-Obiol EC25 und Silico-Sec zur Verfügung. Informationen zu den Mitteln sind im Merkblatt „Integrierter Pflanzen-
schutz 2017” in Tabelle eins auf Seite zehn zu finden. Das Merkblatt lag der BBZ 1-2017 bei, ist bei Behörden erhältlich und kann im Internet heruntergeladen werden unter www.ltz-bw.de > Service > Schriftenreihen > Integrierter Pflanzenschutz > Ackerbau und Grünland.
  • Die Zulassung von Actellic 50 ist am 31. Oktober 2016 ausgelaufen. Restmengen des Mittels können noch bis zum 30. April 2018 aufgebraucht werden. Actellic 50 wird gegen Insekten mit 8 ml in 5 l Wasser je Tonne Getreide während einer Umlagerung auf den Fördergutstrom gespritzt.Handgeführte Geräte sind dafür nicht zulässig. Nur ein Teil der Getreidekörner muss dabei direkt von dem Mittel getroffen werden. Durch die Vermischung bei der Umlagerung und die Wirkung des Mittels über die Dampfphase während der anschließenden Lagerung ist ein guter Bekämpfungserfolg gewährleistet. Die Wirkung kann verbessert werden, wenn das Getreide nach der Behandlung einige Zeit mit einer Plastikfolie abgedeckt wird. Eine oberflächliche Behandlung ohne Umlagerung und Vermischung ist nicht wirksam. Innerhalb von 48 Stunden nach der Behandlung darf das Getreide weder umgelagert noch belüftet werden. Es ist nur eine Anwendung zulässig. Die Behandlung muss dem Käufer mitgeteilt werden.
  • Gleichermaßen bei einer Umlagerung wird K-Obiol EC25 eingesetzt. Es wirkt gegen Insekten (Larven, sowie erwachsene Käfer und Motten), die sich außerhalb der Körner befinden. Die Wirkungsdauer ist abhängig von der Aufwandmenge. Eine Anwendung mit 10 ml in 990 ml Wasser je Tonne Getreide wirkt sechs Monate, mit 20 ml in 980 ml Wasser je Tonne Getreide bis zu einem Jahr. Es ist maximal eine Anwendung zulässig.
Mechanische Entseuchung
Das Stäubemittel Silico-Sec kann gegen vorhandenen Befall durch Milben (nur Befallsminderung) und Insekten beim Umlagern von Hand oder mit einem Dosiergerät in das Getreide eingemischt werden. Dieses Mittel enthält fein vermahlenen Silikatstaub von fossilen Kieselalgen (Kieselgur). Es wirkt austrocknend und damit abtötend auf die Schädlinge.
Die Aufwandmenge beträgt bei vorbeugendem Einsatz 1 kg/t oder zur Bekämpfung von festgestelltem Schädlingsbefall 2 kg/t. Wegen Staubentwicklung und Kornverfärbung sollte der Einsatz mit dem Abnehmer abgesprochen werden. Auch Silico-Sec darf nur einmal in derselben Getreidepartie angewendet werden.
Da jeweils nur eine Anwendung möglich ist, wird empfohlen, die Mittel nicht vorbeugend, sondern nur gezielt gegen einen festgestellten Befall einzusetzen. Die Maßnahme ist deshalb gut zu planen.
Entseuchung mittels Begasung
Die Bekämpfung von Vorratsschädlingen in lagerndem Getreide kann auch mit Gasen erfolgen. Solche Begasungen dürfen jedoch nur von besonders geschulten Personen vorgenommen werden. Das Getreide muss sich unter gasdichten Planen oder in hinreichend gasdichten Räumen befinden. Zusätzlich ist eine behördliche Erlaubnis erforderlich. Kohlendioxid darf nur durch die Zulassungsinhaber oder eine von diesen beauftragte Firma angewendet werden.
Mit Pflanzenschutz-Sachkunde möglich ist die Anwendung von Vernebelungsmitteln, wie beispielsweise Dedevap green, microsol-bio-autofog, microsol-pyrho-fluid, Dedevap plus oder microsol-pyrho SP-autofog. Diese Pyrethrine-Mittel können sowohl in leeren Speichern als auch in Lagerräumen mit eingelagertem Getreide kalt- oder heißgenebelt werden. Sie wirken vorwiegend gegen Motten.
Durch eine Anwendung nach Gebrauchsanleitung werden in dichten Räumen nach einer Einwirkungszeit von sechs Stunden auch versteckt sitzende Käfer erfasst. Nicht bekämpft werden Schädlinge, die sich im Inneren von eingelagertem Getreide befinden. Während der Behandlung sind die Lager zum Schutz von Unbeteiligten mit einem Warnhinweis zu kennzeichnen. Nach der Einwirkungszeit können behandelte Räume erst nach gründlichem Lüften wieder betreten werden. Um einen erneuten Befall in einem entseuchten Speicher zu verhindern, ist vor der Einlagerung von zugekauftem Getreide oder Futtermitteln die Ware auf Schädlingsbefall zu kontrollieren.
Mäuse und Ratten
Ein besonderes Problem sind Mäuse und Ratten. Sie haben es eher auf verarbeitetes Getreide abgesehen, können aber auch im Lager großen Schaden durch ihren Fraß anrichten. Ebenso bedeutend ist die Verunreinigung durch Kotkrümel. Ihr Auftreten kann bei Kontrollen anhand von Kot, Fraß- und Laufspuren gut erkannt werden. Schon bei den ersten Hinweisen sollte reagiert werden, um eine Vermehrung zu verhindern.
Gegen Mäuse sind Ratron Giftlinsen und andere als Pflanzenschutzmittel zugelassen. Die Mittel können in geeigneten Köderstationen im Innenbereich ausgelegt werden. Sie müssen regelmäßig auf Fraßspuren kontrolliert werden, bis keine Annahme mehr erfolgt.
Rattenköderboxen werden bevorzugt im Außenbereich platziert, um die Zuwanderung zu verhindern. Zum Beködern stehen Biozidprodukte mit den Wirkstoffen Bromadiolon, Coumatetralyl, Difenacoum, Brodifacoum, Difethialon, Flocoumafen und anderen zur Verfügung. Diese können von beruflichen Anwendern mit einer Pflanzenschutz-Sachkunde erworben und angewendet werden. Hinweise zur Wahl der Standorte und der Anzahl der Köderstationen sind in der Gebrauchsanleitung zu finden.
Hilfreich ist dafür auch ein Computerprogramm der Firma Bayer – www.baytool.de. Der Köder muss attraktiver sein als die Vorräte. Bei Akzeptanzproblemen ist der Köder zu wechseln. Die Köderstationen sind möglichst alle zwei bis drei Tage zu kontrollieren. Verendete Ratten und Mäuse sind zu entfernen, damit sich Katzen, Hunde und andere Tiere nicht vergiften. Beim Auslegen der Köder und beim Entfernen toter Tiere müssen Schutzhandschuhe getragen werden.
Beim Einsatz von Gerinnungshemmern gegen Nager im Vorratsschutz müssen die vorgeschriebenen Warnhinweise angebracht werden. Die Anwendungen sind, wie bei Pflanzenschutzmitteln, zu dokumentieren. Die Bekämpfung sollte erst beendet werden, wenn der tägliche Köderverzehr unter fünf Prozent der maximalen Fraßmenge fällt. Als begleitende Maßnahmen sind das Abdichten der Gebäude und das Entfernen von Futterresten und Wasserstellen wichtig.
Abschließend wird darauf hingewiesen, dass es verboten ist, Lebens- oder Futtermittel, also auch Getreide, in unmittelbarer Nähe von Gefahrstoffen aufzubewahren oder zu lagern.