EU-Agrarkommissar Phil Hogan verwies am Montag dieser Woche am Rande des Agrarrates in Brüssel vor Journalisten darauf, dass es den jeweiligen Regierungen freistehe, die Gelder für die Zweite Säule um bis zu 15 Prozent aus Eigenmitteln aufzustocken.
Die Pläne der Kommission laufen in Abhängigkeit von der Rechenmethode auf Einschnitte der Zweiten Säule von bis zu 21 Prozent hinaus.
Mit Nachdruck hat EU-Agrarkommissar Phil Hogan die Kritik vieler Mitgliedstaaten an der geplanten, relativ starken Kürzung des Budgets für die Zweite Säule der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) zurückgewiesen. Es stehe den Staats- und Regierungschefs bei den Verhandlungen über den Mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) für 2021 bis 2027 auch frei, das GAP-Budget zu erhöhen, so dass die vorgeschlagenen Kürzungen im Idealfall zurückgenommen werden könnten.
Die Pläne der Kommission laufen in Abhängigkeit von der jeweiligen Rechenmethode auf Einschnitte der Zweiten Säule von bis zu 21 Prozent hinaus. Den Anstoß für diese Diskussion hatte eine Initiative der slowenischen Delegation gegeben. Ljubljanas Landwirtschaftsministerin Aleksandra Pivec legte bei dem Ratstreffen ein Papier vor, in dem eine stärkere Förderung des ländlichen Raumes verlangt wird. Scharfe Kritik übte Pivec insbesondere an der vorgeschlagenen Kürzung der Mittel für die Zweite Säule. Sie äußerte die Befürchtung, dass damit negative Auswirkungen für den Umweltschutz und die Entwicklung des ländlichen Raumes einhergehen. Offiziell wurde das slowenische Papier nur von acht Mitgliedstaaten, darunter Polen, Spanien, Portugal und Tschechien, unterstützt. Berlin gehörte nicht dazu. Aber auch aus Sicht Deutschlands und weiterer EU-Länder zielen die Forderungen Sloweniens in die richtige Richtung.
Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner hob die Bedeutung einer „starken Zweiten Säule” hervor. Nur so könne einem weiteren „Auseinanderdriften” der sozioökonomischen Entwicklung von Stadt und Land entgegengewirkt werden. Klöckner bekräftigte vor diesem Hintergrund erneut ihre Forderung nach einem insgesamt stabilen EU-Agrarbudget und verwies auf die entsprechende Erklärung im Berliner Koalitionsvertrag von Union und SPD.
Polens Agrarminister Jan Krzysztof Ardanowski forderte, Einsparungen bei der Zweiten Säule zu unterlassen. Ardanowski pochte ebenfalls darauf, das EU-Agrarbudget stabil zu halten. Portugals Landwirtschaftsminister Luís Capoulas Santos erklärte, sein Land könne auf die Mittel für die ländliche Entwicklung nicht verzichten.
Kritik an dem slowenischen Papier kam von den Niederlanden. Landwirtschaftsministerin Carola Schouten stellte fest, dass aufgrund des Brexit der EU-Haushalt unmöglich stabil gehalten werden könne. Hier habe die Landwirtschaft ihren Beitrag zu leisten, sagte Schouten.
Klöckner warnt vor „Wettbewerb nach unten”
Zur „Grünen Architektur” der
GAP erklärte Agrarkommissar Hogan, dass die neue Agrarpolitik bei den
Agrarumweltmaßnahmen einen „leistungsbasierten Ansatz” verfolgen werde
und so die Motivation der Landwirte dafür gesteigert werden solle. Dabei
wolle sich Brüssel aus den Details einzelner Programme heraushalten.
Stattdessen solle den Mitgliedstaaten über die Strategiepläne mehr
Kompetenz zuteilwerden. Vor einem „Wettbewerb nach unten” warnte indes
Bundeslandwirtschaftsministerin Klöckner. Sie betonte, dass Leistungen
zum Umwelt-, Natur- und Klimaschutz unentbehrlich für eine
zukunftsfähige Landwirtschaft seien. Die CDU-Politikerin bekräftigte ihr
Eintreten für ein höheres Niveau dieser Leistungen beziehungsweise eine
stärkere Förderung dieser Ziele.
Gegenüber ihren Ministerkollegen sprach sich Klöckner außerdem für
weitere Vereinfachungen in der EU-Agrarpolitik aus. Verständlichkeit und
Praktikabilität seien entscheidend, damit die geforderten Leistungen
von den Bauern umgesetzt werden könnten. Mehr Flexibilität dürfe aber
nicht gleichbedeutend sein mit einem Aufweichen der Kriterien sowie der
Qualität der Umweltleistungen, stellte die
Bundeslandwirtschaftsministerin klar. Die „Grüne Architektur” der GAP
müsse effizient, zielgerichtet und überprüfbar sein. Sonst bliebe ein
höheres Umweltambitionsniveau „wohlklingende Theorie”, so Klöckner.
Mehrheit für gekoppelte Beihilfen
Im Weiteren erörterten die Landwirtschaftsminister
auch Möglichkeiten, die Proteineigenversorgung der Europäischen Union zu
stärken. Hierzu unterzeichneten acht Mitgliedstaaten einen
Forderungskatalog, wie der Anbau von Eiweißpflanzen, so etwa von
Sojabohnen, vorangetrieben werden könne. Zu den Unterzeichnern gehörten
Frankreich, Ungarn, Slowenien und Tschechien. Deutschland steht diesen
Forderungen kritisch gegenüber, da man in Berlin gekoppelte Zahlungen,
wie in dem Proteinplan gefordert, strikt ablehnt. So äußerte
Bundeslandwirtschaftsministerin Klöckner die Auffassung, dass gekoppelte
Zahlungen zur Förderung des Anbaus von Proteinpflanzen in der EU nicht
genutzt werden sollten. Diese Maßnahme führe zu Wettbewerbsverzerrungen
im Ackerbau. Den Vorschlag der Kommission, die Grenzen für gekoppelte
Stützungen noch zu erhöhen, bezeichnete die CDU-Politikerin als nicht
akzeptabel. Derweil hält die Mehrheit der Mitgliedstaaten gekoppelte
Beihilfen jedoch für ein wirksames Mittel zur Stärkung der
EU-Eiweißversorgung.
Allerdings regte die Bundeslandwirtschaftsministerin an, die negativen
Umweltauswirkungen von Sojaeinfuhren aus Drittstaaten stärker in den
Blick zu nehmen. Dies gelte vor allem vor dem Hintergrund, dass die
europäische Landwirtschaft auch in Zukunft auf umfangreiche Sojaimporte
angewiesen sein werde, um den Proteinbedarf ihrer Veredlungswirtschaft
zu decken. Laut eines Kommissionsberichts beläuft sich der
Selbstversorgungsgrad der Europäischen Union für Soja, den wichtigsten
Proteinlieferanten im Kraftfuttersegment, auf nur fünf Prozent. Klöckner
kritisierte, dass der Umweltaspekt in diesem Bericht „leider” keinen
Niederschlag gefunden habe. Daher habe sie die EU-Kommission dazu
aufgefordert, hierzu „geeignete Lösungen auszuloten”. Als „besonders
unterstützenswert” bezeichnete die Ministerin Initiativen für
nachhaltige, entwaldungsfreie Soja-Lieferketten.